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90 Jahre Mazda Automobile: Gegen den Strom gedacht

09.04.2021 08:34 Uhr | Lesezeit: 6 min
Seit 90 Jahren baut Mazda Automobile, die dem Zeitgeist widersprechen.
© Foto: Mazda

Seit 90 Jahren baut Mazda Automobile, die dem Zeitgeist widersprechen – und fährt überraschend gut damit. Ob winzige Coupés als Familienkutsche, Wankel-Sportler als Millionseller, Golf-Gegner ohne Frontantrieb oder die Reinkarnation des Roadsters mit dem MX-5, alles funktioniert.

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Jujiro Matsuda setzte alles auf eine Karte. Der 1930 vorgestellte kuriose Kleinst-Transporter vom Typ Mazda-Go musste unbedingt am Markt bestehen, wenn es für sein Unternehmen Toyo Kogyo als Automobilhersteller eine Zukunft geben sollte. Neun Jahre zuvor hatte der für seinen unternehmerischen Mut bekannte Geschäftsmann Matsuda die Führung der vor dem Untergang stehenden Toyo Cork Kogyo übernommen, den Korkhersteller aus Hiroshima erfolgreich zu einem Maschinenbauer transformiert und weniger erfolgreich erste Motorrad-Modelle vorgestellt. Deshalb riskierte Matsuda nun alles, gründete die Toyo-Kogyo-Submarke Mazda, die auf Japanisch exakt so wie sein Name ausgesprochen wird, und präsentierte mit dem Dreirad-Pick-up Mazda-Go einen Gegenentwurf zu den in Japan damals allgegenwärtigen amerikanischen Trucks und wenigen Nutzfahrzeugen anderer Hersteller.

Wankelmotor durfte weiterleben

Tatsächlich: Als Green-Panel-Van erlangte der Mazda-Go in Nippon 1936 Kultstatus. Es war ein Auftakt nach Maß für Matsuda und Mazda, eine Marke, die bis heute Modelle lanciert, die gegen den Mainstream gedacht sind. Während andere den Wankelmotor sterben ließen, lässt ihn Mazda 2021 im elektrischen MX-30 als Reichweitenverlängerer weiterleben, und der MX-5 reüssiert heute als einziger klassische Roadster.

Zurück zu den Anfängen des Autobauers aus dem Land der aufgehenden Sonne. Tatsächlich gefiel sich Mazda-Urvater Matsuda so sehr in der Rolle des Rebellen, dass er diesen Geist auf kreative Weise in der Modellpolitik reflektierte. Eine sportliche Rallye über die Rüttelpisten des Vorkriegs-Japans mit dreirädrigen Nutzfahrzeugen? Die Fachwelt hielt Matsuda für verrückt, aber seine Mazda-Transporter zeigten schon Mitte der 1930er, was technisch clevere Konstruktionen leisten können, und bis Ende der 1950er Jahre dominierte Mazda mit über 30 Threewheeler-Typen den heimischen Markt für leichte Nutzfahrzeuge.

Mehr noch: Bis nach Europa drang der Nimbus der Mazda-Dreiräder vor und so mussten sich die italienischen Piaggio etwa in Portugal oder Griechenland gegen Mazda-Typen durchsetzen. Die übrigens als erste japanische Automobile in leuchtend bunten Lackierungen lieferbar waren, auch damit konnte sich Jujiro Matsuda selbst inszenieren. Es war ein Mode-Bewusstsein, dass er an seinen Sohn Tsuneji Matsuda weitergab.

Erster Mazda-Pkw in den Startlöchern

Dieser leitete seit 1951 die Geschicke des aufstrebenden Autobauers, und 1960 war es endlich soweit, dass Tsuneji Matsuda den Typ R 360 als ersten Mazda-Pkw präsentierte. Genau genommen war es bereits der zweite Mazda-Pkw, aber den Serienstart eines 1940 gezeigten Familienautos hatte der Zweite Weltkrieg verhindert. Umso spektakulärer geriet der R 360 als Gegenentwurf zum japanischen Volksauto, wie es das Transportministerium in Tokio forderte. Keine frugale Kei-Car-Limousine im Drei-Meter-Format, sondern ein schickes Coupé mit stylischen Zweifarb-Lackierungen sowie technische Delikatessen wie dem ersten Viertaktmotor im Segment, so präsentierte Mazda 1960 seinen vollwertigen Viersitzer fürs japanische Wirtschaftswunder und eroberte auf Anhieb zwei Drittel des Kei-Car-Marktes. Es war eine Idee, die avantgardistische Typen wie der 1961 vorgestellte Carol und der 1963 folgende Familia fortführten, der schon damals den kompakten Kombi vom Image des Nutzfahrzeugs befreite.


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Mazda: Kreiskolben-Modelle in Millionenauflage

Das japanische Industrieministerium MITI goutierte die Ideen des umtriebigen Tsuneji Matsuda dagegen weniger. In einem Plan, der die japanische Automobilindustrie regulieren sollte, gab es keinen Platz mehr für Mazda. Es ging also ums Überleben, und der findige Mazda-Chef sah sich inspiriert, erneut Autos zu bauen, wie sonst keiner, die diesmal Japan als globale Exportmacht bekannt machen sollten. So reiste Tsuneji Matsuda 1960 nach Deutschland und erwarb dort ein Jahr später von NSU eine Lizenz zur Nutzung des Kreiskolbenmotors. Diese Wankel-Lizenzen kauften damals fast alle namhaften Autobauer, aber ausschließlich Mazda brachte Kreiskolben-Modelle in Millionenauflage.

Das lag nicht nur daran, dass die Japaner viele Schwachstellen des Antriebskonzepts eliminierten. Ebenso wichtig waren Fahrzeugkonzepte, in denen der kompakte, flach bauende und leichte Wankel seine Vorteile ausspielte. Darunter der Cosmo Sport 110 S als futuristisches Leuchtturmprojekt, der Gran Turismo R130 Luce von 1969 als erstes asiatisches Luxusmodell mit Frontantrieb, das Leichtbau-Coupé R100 von 1968 als bezahlbarer globaler Wankel-Botschafter – NSU Ro 80 oder Citroen GS Birotor waren extrem teuer – der Mazda Parkway von 1974 als weltweit schnellster Reisebus, und natürlich vor allem der keilförmige Sportwagen RX-7 von 1978, der sich in Nordamerika sogar besser verkaufte als sein schärfster Rivale, der sonst so erfolgreiche Porsche 924.

Mehr noch, beim RX-7 dämmte Mazda den bis dahin problematisch hohen Spritverbrauch ein und löste so eine weitere Existenzkrise, die das Unternehmen nach der ersten Ölkrise von 1974 bedrohte. Hinter diesem Auto stand übrigens Kohei Matsuda, die dritte Generation des Matsuda-Clans.

Auch bei konventionell motorisierten Modellen wählte Mazda unkonventionelle Wege. Bauten etwa Toyota oder Nissan zunächst vorrangig brave und billige automobile Alltagshelden, kooperierte Mazda schon für seine ersten Exporterfolge mit Giorgetto Giugiaro und Bertone, die ab 1966 Typen wie den viertürigen Luce in italienischer Eleganz und Leichtigkeit hervorbrachten. Elf Jahre später war es der erste Mazda 323, der durch Fastback und große Heckklappe das Konzept des VW Golf auf die asiatische Kompaktklasse übertrug, gegen alle Erwartungen aber ohne Frontantrieb. Eine Entscheidung, die besonders die konservativen Amerikaner bejubelten, die das Auto deshalb als „Great little Car“ feierten.

Vier Jahre später

Vier Jahre später war die Zeit auch beim Mazda 323 reif für den Vorderradantrieb, aber das allein in Deutschland über 800.000-mal verkaufte Modell überraschte weiterhin mit Extravaganzen wie dem viertürigen Coupé 323 F von 1989. Eine Karosserieidee, die in den 1990ern auch die Premium-Mittelklasse Xedos 6 adaptierte, allerdings erfolglos. Dagegen lancierten die Japaner mit dem MX-5 im Jahr 1989 einen Roadster, als das Segment ausgestorben war. Heute nimmt er als Produktionsmillionär wieder eine Alleinstellung ein, sind doch alle zwischenzeitlichen Wettbewerber verschwunden.

"Der Deutsche aus Japan", mit solchen Medienschlagzeilen mischte der Mazda 626 ab 1982 die Mittelklasse auf und gewann als erster Nippon-Typ einen Vergleichstest gegen den Mercedes 190. Dabei beindruckte die japanische Familienklasse kurz danach auch durch Spezialitäten wie Allradantrieb und Allradlenkung. Heute macht Mazda seine großen Stückzahlen mit SUV-Typen á la CX-5 und CX-30, die immerhin durch eigenwillige Motorentechnik von der Norm abweichen. Typisch Mazda ist dagegen der MX-30, ein Stromer mit gegenläufig öffnenden Portaltüren, so wie sie der RX-8 von 2003 zeigte. Die geringe Reichweite des ersten Mazda-Großserien-Elektrikers soll ein Wankelmotor verlängern – auch 90 Jahre nach dem Mazda-Go bleiben die Japaner also anders.

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