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Prof. Dr. Ellen Enkel im Interview: Die neue Offenheit

08.07.2020 12:21 Uhr
Prof. Dr. Ellen Enkel im Interview: Die neue Offenheit
Prof. Ellen Enkel: "Meine Forschung entspringt der Idee, dass wir in Kooperationen und Netzwerken mehr bewirken können als alleine".
© Foto: UDE/Bettina Engel-Albustin

Die Nachfolge von Ferdinand Dudenhöffer an der Universität Duisburg-Essen ist besetzt. Mit Prof. Dr. Ellen Enkel erhält der Lehrstuhl eine neue Ausrichtung. AUTOHAUS-Herausgeber Prof. Hannes Brachat sprach mit ihr darüber und über ihr Verhältnis zum Kfz-Gewerbe.

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Neue Inhalte

AH: Sie haben im März 2020 ihre neue Aufgabe als Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Mobilität an der Universität Duisburg-Essen angetreten. Sie sollen in Sachen Mobilitätsforschung neue Akzente setzen. Sie haben Biologie, Pädagogik und Theologie studiert und in Wirtschaftspädagogik promoviert. Ihr Dekan für Ingenieurwissenschaften, Prof. Dr. Dieter Schramm, stellte sie als hervorragend vernetzte Forscherin vor, die den UDE-Fokus Automobil, Logistik und Schiffstechnik mit ihren Schwerpunkten ideal ergänzen wird. Welche Inhalte verbinden Sie mit Mobilitätsforschung und worin liegt für Sie inhaltlich der Schwerpunkt Automobil?

Ellen Enkel: Als Innovationsmanagement-Wissenschaftlerin beschäftige ich mich mit dem Neuen in Produkten, Dienstleistungen, Geschäftsmodellen und vielleicht besonders den neuen Technologien. Dieses Neue ist in den Mobilitätsindustrien besonders notwendig, da sich hier nicht nur die Technologien grundlegend geändert haben und noch ändern werden, sondern auch die Bedürfnisse der Kunden und des Ökosystems grundlegend anders sind als noch vor zehn Jahren. Meine interdisziplinäre Ausrichtung hilft mir sehr dabei, die einzelnen Perspektiven aber auch die Herausforderungen in den verschiedenen Disziplinen zu verstehen und diese zusammen zu bringen.So sehe ich z.B. die aktuellen Herausforderungen in der Automobilindustrie in der notwendigen Transformation der Unternehmen, damit sie auf die neuen Zukunftstechnologien wie Elektromobilität oder Brennstoffzelle vorbereitet sind, aber auch auf die neuen Kundenbedürfnisse wie z.B. nach Nutzen statt Besitzen und nach mehr individueller Flexibilität. Das werden auch die größten deutschen Hersteller nicht alleine schaffen, sondern nur in Kooperation mit Unternehmen anderer Industrien. Hier liegt seit mehr als 20 Jahren mein Forschungsgebiet.

Innovationsmanagement

AH: Sie haben sich an der Universität St. Gallen von 1999 bis 2008 mit offenen Innovationsprozessen beschäftigt. Was steht da grundsätzlich dahinter?

E. Enkel: Meine Forschung entspringt der Idee, dass wir in Kooperationen und Netzwerken mehr bewirken können als alleine. In der Theorie wird das Prinzip als Open Innovation, also der Öffnung des Innovationsprozesses bezeichnet. Schon der große Managementforscher Schumpeter hat gesagt, dass 80 Prozent aller Innovationen aus der Rekombination vorhandenen Wissens stammen. Ich versuche herauszufinden, mit wem sich wann und wie die Mobilitätsunternehmen vernetzen müssen, um international führend zu bleiben oder zu werden. Dazu zählen vor allem Kooperationen über die Industriegrenzen hinweg, aber auch mit Start-ups und kleinen Unternehmen.

Kollaborative Geschäftsmodelle

AH: Ab 2008 waren sie Professorin für Innovations-Management an der Universität Friedrichshafen und forschten dort zu kollaborativen Geschäftsmodellen und zur Digitalisierung vor allem der Automobil- und Luftfahrtindustrie. Wo steht dabei die deutsche Automobilindustrie in Sachen Digitalisierung?

E. Enkel: Seit den 2000er Jahren wird erfolgreiches Unternehmertum anders gelebt als in den Jahrzehnten davor. Nicht mehr der Größte mit den höchsten Mauern um seinen Markt gewinnt, sondern der Anpassungsfähigste, der seine Kunden besser versteht und schnell durch Kooperationen mit anderen auf die wechselnden Technologien und Bedürfnisse eingehen kann. Im Sinne von Amazon will der neue Kunde einen Marktplatz, auf dem ihm alle Angebote für seine individuelle Mobilität angeboten werden und er kann sehr komfortabel aus diesen auswählen. Die Automobilindustrie muss sich dabei viel stärker als Mobilitätsindustrie sehen und dem Kunden mehr bieten als nur den Kauf eines Neuwagens. Mit digitalen Plattformen könnte es gelingen, dem Kunden nicht nur das Angebot eines Herstellers komfortabel zur Verfügung zu stellen, sondern auch die Mobilitätsangebote anderer Player als Produkte oder Dienstleistungen.

AH: Ihre Vernetzung ist wie auch ihre Studienbasis nachweist interdisziplinär angelegt. Wo gilt es da Türen zu öffnen oder auch viel enger zusammen zu arbeiten?

E. Enkel: Leider haben gerade die Automobilhersteller in den letzten Jahrzehnten stark nach dem Prinzip "We are to big to fail" gelebt. Ich sehe meine Aufgabe und Herausforderung darin, die richtigen Netzwerkpartner und die richtigen Arten der Zusammenarbeit für die Mobilitätsunternehmen zu finden, um diese zukunftsfähig zu machen. Dabei ist mein Fokus, wie auch der meiner Kollegen am neuen Institut für Mobility Transformation (Motion), dem ehemaligen CAR, auf alle Player in der Mobilitätsindustrie gerichtet, wobei die Automobilindustrie ein sehr wichtiger ist. In der Tat sehe ich mich als Türöffner, Vernetzer, Integrator und vielleicht als digitaler Prophet, wenn Sie so wollen.

Das Kfz-Gewerbe

AH: Welche Verbindung haben Sie zur Kfz-Branche?

E. Enkel: Ich hatte in den letzten 20 Jahren oft und gerne die Gelegenheit mit der Automobilindustrie und ihren Zulieferern zusammen zu arbeiten und habe viele Mitarbeiter aus diesen in den digitalen Geschäftsmodellen ausgebildet. Eine Industrie mit so vielen Herausforderungen, die sich nur durch Innovationen lösen lassen, zieht mich als Innovationsforscherin magisch an.

Enkel – Dudenhöffer

AH: Ihr Vorgänger wurde – bei aller Infragestellung – immer wieder als Automobilpapst tituliert. Sie können nun die erste Päpstin der Branche werden. Eine großartige Perspektive! Interessant: Sie wirkten neun Jahre an der Uni St. Gallen und kommen nun zur UDE. Prof. Dudenhöffer ist in Unfrieden von der UDE geschieden, in St. Gallen gelandet, kaum angekommen, kehrt er nach zwei Monaten wieder mit seinem Institut nach Duisburg zurück. Was ist von diesem Nebeneinander nun zu erwarten? Nach außen trägt das ja mehr den Charakter von feindlich gesonnenen "Geschwistern"?

E. Enkel: Ich habe größten Respekt vor Prof. Ferdinand Dudenhöffer, jedoch sind wir beide sehr unterschiedlich. Uns trennen nicht nur Geschlecht und Alter, sondern auch unsere wissenschaftliche Ausrichtung. Er ist Marketing-Professor, ich bin Innovationsmanagement-Professorin. Ich fühle mich in der Welt der Unternehmen genauso zu Hause wie in der Welt der internationalen Wissenschaft. Es ist also sehr schwer, uns zu vergleichen. Die Universität Duisburg-Essen wollte mit meiner Berufung den Schwerpunkt Mobilität stärken und eine innovative Ausrichtung des neuen großen interdisziplinären Mobilitätsinstitutes erreichen. Hierfür bin ich hervorragend geeignet und fühle mich bestens aufgehoben.

AH: Herzlichen Dank für das Gespräch!

Interview: Prof. Hannes Brachat

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