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Strukturwandel: Hunderttausende Jobs in Autobranche gefährdet

13.01.2020 11:53 Uhr
Strukturwandel: Hunderttausende Jobs in Autobranche gefährdet
Elektromobilität, Digitalisierung, Batterieproduktion - die deutsche Autoindustrie steht vor großen Herausforderungen.
© Foto: VW

Am Mittwoch gibt es erneut ein Spitzentreffen im Kanzleramt zur Zukunft der Autoindustrie. Vorher sorgt der Bericht einer Arbeitsgruppe für Schlagzeilen, wonach bis zu 410.000 Arbeitsplätze in Gefahr sind.

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Es ist ein Schreckensszenario: In der deutschen Autobranche könnten Hunderttausende Jobs in Gefahr sein - falls die Schlüsselindustrie den Anschluss bei der Produktion von Elektroautos verpassen und bei Batteriezellen abhängig von Zulieferern aus dem Ausland würde. Wie es in dem Bericht einer Arbeitsgruppe der von der Bundesregierung eingesetzten Kommission Nationale Plattform Zukunft der Mobilität heißt, sind in einem Extremszenario bis zu 410.000 Arbeitsplätze in Gefahr - alleine im Fahrzeugbau im Vergleich zu 2018 rund 240.000 Jobs, das wäre fast jede vierte Stelle.

In dem am Montag vorgelegten Bericht heißt es, wenn sich die Wettbewerbslage der deutschen Industrie bei der Elektromobilität in den kommenden Jahren nicht verbessere und der Importbedarf für Batteriezellen und Elektrofahrzeuge weiter steige, wäre ein "erheblicher Beschäftigungsrückgang" bis 2030 zu erwarten.

Die Nationale Plattform, die Autobranche und die IG Metall bemühten sich am Montag allerdings darum, deutlich zu machen, dass dieses Extremszenario nicht eintreten werde. "Das Extremszenario halte ich aus heutiger Sicht nicht für realistisch", sagte der Leiter der Arbeitsgruppe, IG Metall-Chef Jörg Hofmann. "So käme es nur, wenn wir alle Batterien und einen großen Teil der E-Fahrzeuge nicht hierzulande produzieren. Aber die deutschen Autohersteller sind mittlerweile aufgewacht, die Modelloffensive für E-Autos kommt." Hofmann weiter: "Ein Selbstläufer ist das alles nicht, aber ich bin optimistisch.»

Die IG Metall machte aber klar, Wirtschaft und Politik müssten noch entschiedener den Wandel begleiten. Hofmann hatte sich bereits im Dezember für Erleichterungen beim Kurzarbeitergeld ausgesprochen, außerdem seien "dringend" arbeitsmarktpolitisch begleitende Maßnahmen nötig.

VDA entschärft Schreckensprognosen

Der schwierige Umbruch in der Autoindustrie ist am Mittwoch auch Thema im Kanzleramt - Kanzlerin Angela Merkel (CDU) trifft Vertreter von Gewerkschaften und Autoherstellern. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) erklärte am Montag, das Extremszenario gehe von einem unrealistischen Ansatz aus. Für realistischer hält der VDA eine ebenfalls im Bericht erwähnte Studie, wonach der Umstieg von Verbrenner- auf Elektroautos im Bereich des Antriebsstrangs mit einem Abbau von 79.000 bis 88.000 Stellen im Jahr 2030 verbunden sein könnte.

"Die Mobilität der Zukunft bedeutet für Unternehmen und viele Arbeitnehmer tiefgreifende Veränderungen", sagte VDA-Geschäftsführer Kurt-Christian Scheel. Klar sei, dass der Umstieg auf die E-Mobilität Anpassungen erfordern und zu einem Rückgang der Beschäftigung am Standort Deutschland führen werde. "Es ist die gemeinsame Verantwortung von Industrie, Gewerkschaften und Politik, durch geeignete Maßnahmen Qualifizierung zu fördern und den Wandel gemeinsam zu gestalten, damit negative Arbeitsplatzeffekte möglichst geringgehalten werden können."

Der Vorsitzende der Nationalen Plattform, Henning Kagermann, sagte, es seien inzwischen wichtige Weichen gestellt worden, um die Wettbewerbslage der deutschen Industrie bei der Elektromobilität zu verbessern. "Entscheidender Wettbewerbsvorteil ist eine qualifizierte Personalbasis. Deshalb ist Qualifizierung so wichtig."

Im Bericht der Arbeitsgruppe heißt es, auch wenn das Extremszenario aufgrund einer besseren Entwicklung inländischer Angebote von Elektrofahrzeugen und inländischer Produktion von Batterien abgewendet werden könne, gelte: "In keinem Fall werden die Automobilhersteller weiterhin im selben Maße für eine solche Wertschöpfung und Beschäftigung entlang der Zulieferketten sorgen können, wie es heute der Fall ist."

Denn der Bau eines E-Autos ist weniger komplex als der Bau eines Benzin- oder Dieselfahrzeugs. Dazu kommt die Digitalisierung mit einer zunehmenden Automatisierung der Produktion - durch den Einsatz von Robotern und Künstlicher Intelligenz.

Altmaier kündigt "Transformationsdialog" an

Eine zentrale Rolle bei der Wertschöpfung spielen außerdem Batteriezellen. Der deutschen Autoindustrie droht eine Abhängigkeit von derzeit führenden Zulieferern vor allem aus Asien. Um dies zu verhindern, steht der Bau von Batteriezellenwerken auch in Deutschland weit oben auf der Agenda von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), konkrete Projekte sind auf den Weg gebracht worden. Altmaier kündigte am Montag einen "Transformationsdialog" mit Autoherstellern und Zulieferern an, um rechtzeitig dafür zu sorgen, dass neue Jobs in Deutschland entstehen.

Bisher haben E-Autos in Deutschland trotz steigender Zulassungszahlen noch nicht den Durchbruch auf dem Massenmarkt geschafft. Die Elektromobilität spielt eine zentrale Rolle im Klimaschutzprogramm der Bundesregierung, mit dem die Klimaziele 2030 vor allem im Verkehr erreicht werden sollen. Dafür wird bis 2030 eine Zahl von sieben bis zehn Millionen E-Autos in Deutschland als notwendig angesehen. Die Autobranche ist auch wegen strengerer Klimavorgaben der EU auf deutlich mehr E-Autos in den kommenden Jahren angewiesen.

Umweltverbände kritisierten erneut den Kurs der deutschen Autoindustrie. Diese habe zu lange am alten Geschäftsmodell mit Verbrennungsmotoren festgehalten, sagte der verkehrspolitische Sprecher des ökologischen Verkehrsclubs Deutschland VCD, Michael Müller-Görnert. Vor allem der IG Metall gehe es jetzt um die Durchsetzung von Kurzarbeitergeld, Qualifizierungs- und Umschulungsmaßnahmen. "Damit soll auch das bisherige Versagen von Industrie und Gewerkschaften bei der Transformation kaschiert werden." Greenpeace-Verkehrsexperte Tobias Austrup sagte: "Wer die Elektromobilität verschläft, gefährdet Arbeitsplätze." (dpa)

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KOMMENTARE


Renato

13.01.2020 - 18:41 Uhr

Das ist eine Entwicklung, die von Politik und Umweltverbänden angestoßen worden ist. Das bei so einer generellen und globalen Umstrukturierung im Markt Späne fallen würden, muß doch jedem klar gewesen sein. Elektroantriebe sind gegenüber Otto- bzw. Dieselmotoren vergleichsweise simpler konzipiert. Mit den Folgen muß die Branche dann eben leben.


MV

14.01.2020 - 12:25 Uhr

...mit den Folgen aus der Politik müssen vor allem die leiden die damit Ihre Familien versorgen Herr Renato. Die Branche ( Hersteller ) leiden da weniger.


Fahrvergnüger

14.01.2020 - 13:11 Uhr

Zitat Greenpeace: "Wer die Elektromobilität verschläft, gefährdet Arbeitsplätze."Klassischer Fall von "Blinde, die über Farbe reden": Ich würde eher sagen, wer sich nicht technologieoffen zeigt, gefährdet Arbeitsplätze - denn auch beim Thema Brennstoffzelle, synthetische Kraftstoffe und den traditionellen Verbrennern ist noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Das gerade Greenpeace sich für Elektromobilität als einzigen Verkehrsträger entscheidet, verwundert bei den vielen offenen Baustellen rund um das Thema Energieerzeugung und Batterieherstellung dann doch etwas.


Alexander

14.01.2020 - 22:05 Uhr

Man kann es auch positiv sehen: Es wird ja seit langem der "Fachkräftemangel" ausgerufen und zudem benötigt das "Handwerk" händeringend Arbeitskräfte. Zudem ist es auch eine Art "Arbeiter-Rücktransfer" - da doch in den letzten Jahren sehr viele vom Handwerk in die Industrie gewechselt haben (es wird gemunkelt wegen den guten Arbeitsbedingungen und guter Bezahlung) - na ja im Handwerk kann man aktuell auch gutes Geld verdienen :-).


Dieter M. Hölzel

15.01.2020 - 08:38 Uhr

MV, das ist alles erst der Anfang, Sie und andere Insider haben dazu schon vor langer Zeit ihre qualifizierten Kommentare gegeben, aber die " Politik ", deren Helfershelfer, die GRÜNEN u. Sozi, alle rennen den Schulschwänzern hinterher, diesen Ideologen sind Menschen und deren Schicksale egal. Herr/Frau Renato, es gibt da nichts mehr über " Schönrederei " alles zu relativieren, Menschen die ihren Job verlieren werden, viele in die Armut geraten, diese werden dann die AfD Kasper wählen, aber das begreifen ja die " Führer " unseres Landes nicht, Ideologie ist deren Lebensmotto, Verantwortung ein Fremdwort.


herbie

15.01.2020 - 11:34 Uhr

Die goldenen Zeiten der Automobilwirtschaft sind vorbei. Es lebe die Zukunft mit 0 Emissionen und wiederkehrenden goldenen Zeiten mit Kunden die sich 0 Emissionen finanziell leisten können.


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