-- Anzeige --

VW-Lieferstopp: Golf-Produktion steht still

19.08.2016 13:50 Uhr
VW-Werk Wolfsburg
Der Versorgungsstopp zwingt die Produktion des Golf im Wolfsburger Stammwerk des Autobauers für mehrere Tage in die Knie.
© Foto: VW

Wegen der fehlenden Teile hat VW bereits seit Tagen massive Engpässe. Jetzt hat der Hersteller seine Liefer-Partner über die nahende Schließung der Golf-Fertigung vom 20. bis 29. August informiert.

-- Anzeige --

Der Rechtsstreit mit einem Schlüssellieferanten droht sich bei Volkswagen hierzulande zu einem Flächenbrand auszuwachsen. Nach dem Passat-Werk in Emden, wo wegen der Querelen bereits Kurzarbeit ansteht, muss Volkswagen ab diesem Samstag auch in seinem Wolfsburger Stammwerk die Bänder des Erfolgsmodells VW Golf anhalten. Laut einer internen Mitteilung hat VW seine Lieferpartner bereits über die nahende Zwangspause der Golf-Fertigung vom 20. bis 29. August im Stammwerk in Wolfsburg informiert. Ob VW für einen Teil der in Wolfsburg anstehenden Tage Kurzarbeit wie in Emden anmeldet, soll sich laut Konzernkreisen diesen Freitag klären. Vormittags gibt es laut Informationen der Deutschen Presse-Agentur ein Gespräch mit der örtlich zuständigen Arbeitsagentur.

In Emden hat VW für 7.500 Menschen Kurzarbeit bereits angemeldet. Der Konzern prüft dieses Mittel derzeit auch für die Standorte Braunschweig, Zwickau, Kassel und eben Wolfsburg. Dort steht das Stammwerk von Europas größtem Autobauer. Es baut fast 4.000 Wagen pro Tag, neben Golf auch Tiguan und Touran, deren Bänder nicht ruhen müssen.

Insgesamt könnten von dem Lieferstopp mehr als 20.000 VW-Mitarbeiter betroffen sein, wie die dpa erfuhr. Für Wolfsburg sei dabei denkbar, dass die fünf Werktage Montag bis Freitag in der nächsten Woche über Kurzarbeit aufgefangen werden. Der in dem internen Schreiben an die VW-Zulieferer genannte längere Zeitraum für den Produktionsstopp, der vom nächsten Samstag bis zum übernächsten Montag reicht, ist mit der umfangreichen Vorarbeit der Zulieferer zu erklären. Sie arbeiten auch am Wochenende, wenn die Bänder nicht laufen - etwa an Lagerplätzen.

Das Stammwerk in Wolfsburg ist die größte zusammenhängende Autofabrik der Welt. Sie baute 2015 mit insgesamt rund 815.000 Fahrzeugen fast ein Zehntel des gesamten globalen Absatzes des Zwölf-Marken-Konzerns. Zum Vergleich: Das Unternehmen hat weltweit rund 120 Produktionsorte.

Gericht: VW darf Anspruch vollstrecken

Nach Angaben des zuständigen Gerichts wurden bereits alle nötigen Voraussetzungen für die Herausgabe fehlender Teile erwirkt. Für beide Teilehersteller, die ihre Lieferungen laut VW-Angaben vertragswidrig gestoppt haben, liege eine einstweilige Verfügung vor, die aktuell "vollstreckbar" sei. Das teilte das Landgericht Braunschweig am Freitag mit. Die Wirksamkeit der beiden Verfügungen greife bereits. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass in den Fällen teilweise noch Fristen für Stellungnahmen gewährt sind und zudem eine mündliche Verhandlung am 31. August ansteht. 

Den VW-Partnern drohen laut der Mitteilung Ordnungsgelder teils in Höhe von bis zu 250.000 Euro. Diese Strafe greife "für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Lieferverpflichtung". In welchen zeitlichen Etappen diese Verpflichtungen bestehen, ging aus der Mitteilung indes nicht hervor. Auch "Ordnungshaft, zu vollziehen am Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten" nennt das Gericht als eine mögliche Folge.

Zulieferer wehrt sich

Der Zulieferer wehrte sich am Freitag gegen die Vorwürfe. "Für die Krise bei VW und die dadurch entstandene Kurzarbeit sind wir nicht verantwortlich", sagte der Geschäftsführer der ES Automobilguss, Alexander Gerstung, am Freitag einer Mitteilung zufolge. ES und der Sitzspezialist CarTrim, eine ES-Schwester, verweigern trotz einstweiliger Verfügungen des Landgerichts Braunschweig dem Autobauer die Lieferung von Sitzbezügen und Getriebeteilen. Dennoch sei man an einer Einigung interessiert. "Wir streben nach wie vor eine einvernehmliche Lösung mit VW an und sind offen für entsprechende Vorschläge."

Aus Sicht von ES und CarTrim sei die Lage Folge einer frist- und grundlosen Kündigung von Aufträgen seitens VW. Volkswagen habe keinen Ausgleich für die Kündigungen gewährt. Deswegen "sahen sich CarTrim und ES Automobilguss letztlich zum Lieferstopp gezwungen", heißt es in der Mitteilung. VW erwirkte dagegen in beiden Fällen einstweilige Verfügungen, die die Firmen zu weiteren Lieferungen verpflichten.

Der Getriebeteilespezialist ES Automobilguss und Car Trim sind nach eigenen Angaben der Prevent-Gruppe zuzurechnen. Zumindest deren deutscher Teil, die Prevent DEV GmbH mit Sitz in Wolfsburg, reklamiert für sich, "nicht juristisch" mit den genannten Gesellschaften verbunden zu sein. "Wir haben auch keinen Durchgriff auf die betroffenen Gesellschaften. Gleichwohl bedauern wir die Eskalation des aktuellen Konflikts sehr", teilte die Firma mit.

Volkswagen will alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen. Der Autobauer sei gezwungen, "die zwangsweise Durchsetzung der Belieferung vorzubereiten, und zwar mit den uns zur Verfügung stehenden gesetzlich vorgesehenen Mitteln. Die Ankündigung verwundert nicht. Allein schon zum Wohle seiner Aktionäre muss VW alle möglichen Hebel in Bewegung setzen, um die verfahrene Lage zu entschärfen. Allerdings betonte der VW-Sprecher auch, dass der Autobauer die Lage keinesfalls einseitig weiter verschärfen mag. "Parallel versuchen wir weiterhin eine gütliche Einigung mit dem Lieferanten herbeizuführen."

Verhandlungsmacht von VW

Die Absage eines Zukunftsprojektes mit Car Trim soll eine Wurzel der Querelen sein. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur war VW dabei prinzipiell zu einem finanziellen Ausgleich bereit. Aber die aufgemachten Forderungen des Zulieferers sollen unrealistisch gewesen sein. Das lässt sich nicht nachprüfen. Beide Parteien wollen sich nicht äußern. Warum die Lage derart eskalierte, ist unklar.

Der VW-Konzern ist in der Branche bekannt für seine Verhandlungsmacht - nur noch Toyota und General Motors bauen ähnlich viele Fahrzeuge. Der Beschaffungsvorstand Francisco Javier Garcia Sanz gilt als einer der erfahrensten Einkäufer der Branche. Er schrieb den Zulieferern Ende Juni, der Autobauer müsse auch bei den "Beschaffungskosten deutlich effizienter werden". Er wolle die Reserven mobilisieren. "Das wollen wir kooperativ erreichen, aber auch mit der notwendigen Konsequenz, um wettbewerbsfähig zu bleiben", kündigte er die Marschrichtung an.

Der neuerliche Sparzwang, befeuert durch die Milliardenkosten des Diesel-Skandals, erhöht den Druck auf das schon länger laufende Effizienzprogramm bei der renditeschwachen VW-Kernmarke rund um Golf und Passat. Dabei erntet Volkswagen inzwischen erste Früchte aus seinem Kampf gegen die überbordende Teilevielfalt beim Autobau: Mit dem gelichteten Varianten-Dschungel etwa bei Lenkrädern, Farben oder Tasten habe die Kernmarke VW-Pkw schon heute gut 700 Millionen Euro Sparvolumen pro Jahr freigelegt, schreibt VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh in dem am Freitag erschienenen Haus-Blatt "Mitbestimmen".

IG Metall warnt vor negativen Folgen für Beschäftigte

Die IG Metall hat zwei VW-Zulieferer davor gewarnt, den Streit mit VW auf dem Rücken der Beschäftigten auszutragen. Es wäre nicht nachvollziehbar, Mitarbeiter möglicherweise in Kurzarbeit zu schicken, nur weil das Unternehmen nicht liefern wolle, sagte der Vizechef der IG Metall Zwickau, Thomas Knabel, am Freitag. Nächsten Dienstag soll es den Angaben zufolge am Standort Schönheide von ES Automobilguss mit mehr rund 400 Beschäftigten eine Betriebsversammlung geben. "Dann wollen wir Antworten von der Geschäftsführung", so Knabel. Bisher sei nicht klar, warum es überhaupt Streit mit VW gebe.

Die Gewerkschaft beobachtet den Lieferstopp mit Sorge: "Das Ganze ist für die Beschäftigten in der Region eine Riesenkatastrophe, weil die Region abhängig vom Automobilbau ist", sagte Knabel. Falls es in der Folge zu einem Produktionsstopp käme, würde nicht nur Volkswagen Probleme bekommen, sondern der gesamte Zuliefererbereich. VW hat in Sachsen ein Fahrtzeugwerk in Zwickau und ein Motorenwerk in Chemnitz.

Der niedersächsische Wirtschaftsminister und VW-Aufsichtsrat Olaf Lies (SPD) attackierte am Donnerstag im Landtag die Zulieferer. "Es ist ein unglaubliches und für mich nicht nachvollziehbares Verhalten der Unternehmen", sagte Lies vor den Abgeordneten. Die Unterbrechung der Lieferkette sei für den Autobauer eine "schwere Belastung". Auch Wolfsburgs Oberbürgermeister Klaus Mohrs appelierte an die Verantwortung der Teilehersteller. "Man kann dieses Vorgehen der Zulieferer nur aufs Schärfste verurteilen, und ich hoffe, dass sie relativ schnell zur Vernunft kommen", sagte der SPD-Politiker dem NDR, wie die Stadt am Freitag über Twitter per eigenem Videomitschnitt verbreitete. Zuvor hatte Mohrs über den Kurznachrichtendienst erklärt: "Ich verurteile das Vorgehen des betroffenen Zulieferers auf Schärfste, der hier ohne Rücksicht auf Auswirkungen für die Menschen handelt." (dpa)

-- Anzeige --
-- Anzeige --
-- Anzeige --
-- Anzeige --
-- Anzeige --
-- Anzeige --

KOMMENTARE


Artikellese

19.08.2016 - 09:45 Uhr

Vielleicht sollte VW einfach mal offene Rechnungen zügiger begleichen...


Aschmu

19.08.2016 - 11:42 Uhr

vielleicht mal richtig von den Zulieferern? immer mehr.. immer billiger.... immer mehr drücken lassen... so kommt die Rechnung..... .. und die Kunden können sicherlich einige tage oder Wochen länger warten. Man will zwar endlich den neuen fahren... aber wenn es der Allgemeinheit dient..... warum nicht ?


Andy

19.08.2016 - 11:48 Uhr

Da scheint sich VW mal wieder im Vertrauen auf seine (Verhandlungs-) macht verzockt zu haben. Oder braucht das Management einen externen Sündenbock für geringere Produktionsmengen, die eigentlich auf Nachfragestagnation zurück gehen?


Vogtländer

19.08.2016 - 14:06 Uhr

"Wenn Dein Starker Arm es will - stehen alle Räder still !" Eine Vogtländische und eine Erzgebirgische Firma (für alle anderen ..aus Sachsen) zeigen dem Dampfer VW wo der Hammer hängt -gratuliere ! "Wer mit Bananen bezahlt dem ...xxx die Affen auf Brett !"Solidarische Grüße nach Plauen und Schönheide - lasst Euch nicht alles gefallen!


Beobachter

19.08.2016 - 15:04 Uhr

Richtig so und Hut ab! Endlich zeigt dem Konzern mal jemand, dass die Machenschaften weder Zukunft noch Erfolg haben. Ständige Knebelverträge und Zwänge sowie Kostendruck bei hohen Qualitätsansprüchen etc. Das alle kann auf Dauer nicht funktionieren. Dazu kommt das arrogante und überhebliche Auftreten von VW, Audi und wie sie alle heißen - wir sind die Größten! Eben nicht! ..und die Welt dreht sich nicht um den VW Konzern. Vielleicht werden die Kunden auch endlich wach ...das Produkt sind nicht immer alles - wenn der Umgang miteinander und solche Dinge wie Partnerschaft und Fairness auf der Strecke bleiben.


VB

19.08.2016 - 19:00 Uhr

Für die Renditeschwäche von VW sind sicherlich nicht die Zulieferer schuld. Die (im Durchschnitt) bestens besoldeten VW-Mitarbeiter haben wahrscheinlich in Kurzarbeit noch deutlich mehr Einkommen als der Durchschnitt der Mitarbeiter bei den Zulieferern. Und ich habe noch von keinem Politiker gehört, der das arrogante Verhalten von VW gegenüber den Zulieferern und den immens hohen Kostendruck auf das Schärfste verurteilt hat.


Stefan

20.08.2016 - 11:20 Uhr

Ich weiß gar nicht was sich darüber gefreut wird, da wird offensichtlich gegen Lieferverträge verstoßen. Das einzige was da passieren wird, ist das die beiden Unternehmen aus Sachsen danach die Türen abschließen können. Es werden vermutlich enorme Strafzahlungen fällig und der Ruf der beiden Unternehmen ist in der Autobranche auch für immer und ewig verbrannt. Verlierer sind in diesem Fall alle!


Andreas Müller

22.08.2016 - 07:50 Uhr

VW kommt dieser Lieferengpass eines Vorlieferanten doch sehr gelegen. Auf diese Weise kann man den Absatzeinbruch wunderbar verschleieren und mal wieder die Schuld auf "Andere" schieben. Andereseits ist es mehr als sehr gut das endlich jemand diesen VW Machtmenschen die Stirn zeigt. Möge der Atem der Sachsen noch lange halten. Ich wünsche es Ihnen sehr. Diese Reaktion war schon lange überfällig. Sicher gibte es viele VW Einzelhändel die sich nun auch freuen, dass sich mal jemand traut diesem Konzern die Stirn zu bieten.


WEST

22.08.2016 - 08:39 Uhr

Einige hier scheinen den Klassenkampf Ost - West kognitiv nicht überwunden zu haben. Auch der erkennbare Neid, Missgunst etc. gegenüber erfolgreiche Player ist allgegenwärtig. Man kennt das auch beim erfolgreichen FC Bayern. Die werden dann schnell als arrogant etc, betitelt und die weniger erfolgreichen Neider wünschen dem Großen die Pest an den Haken. Das ist einfach nur primitiv. Neid ist psychologisch sehr bedenklich - da sollte man selbst in seinem Leben etwas verändern. Klar ist eine exorbitante Ausnutzung einer Einkaufsmacht verwerflich - sehe ich (als Einkäufer!) auch so. Früher oder später kommt dies als Bumerang auch immer wieder zurück. A B E R was hat dies hier mit VW und DIESEM Rechtsstreit zu tun? Neider differenzieren nicht - sie sehen die Welt allgemein ungerecht und finden immer den geeigneten Grund zur Bestätigung ihrer Glaubensgrundsätze. Der hier gegebene Fall ist sehr viel komplexer, die genauen Hintergründe unbekannt, mit Neid erfüllte Vorurteile unangebracht, unseriös, nicht zutreffend. Und wer dazu noch Ost und West als Hintergrund sieht ... dem ist echt nicht mehr zu helfen.


Andreas Müller

22.08.2016 - 12:22 Uhr

Hier wurde ja schon oft in den Kommentaren von der "Fälscher Werkstatt Wolfsburg" geschrieben und gesprochen. Und vielleicht war VW nur deshalb so "erfolgreich" weil sie mit unlauteren Mitteln gekämpft haben. Damit ist VW jahrelang durchgekommen. Die führte zu Hochmut und dem Glauben nicht angreifbar zu sein. Nun kommt Hochmut oft vor dem Fall. Und das schein VW bis heute noch nicht gemerkt zu haben (das man im Fallen ist). Das hat nichts mit Klassenkampf Ost / West zu tun.


SAGEN SIE UNS IHRE MEINUNG

Die qualifizierte Meinung unserer Leser zu allen Branchenthemen ist ausdrücklich erwünscht. Bitte achten Sie bei Ihren Kommentaren auf die Netiquette, um allen Teilnehmern eine angenehme Kommunikation zu ermöglichen. Vielen Dank!

-- Anzeige --

WEITERLESEN




NEWSLETTER

Newsletter abonnieren und keine Branchen-News mehr verpassen.


Auto News für die Automobilbranche: AUTOHAUS ist eine unabhängige Abo-Fachzeitschrift für die Automobilbranche und ein tagesaktuelles B2B-Online-Portal. AUTOHAUS bietet Auto News, Wirtschaftsnachrichten, Kommentare, Bilder und Videos zu Automodellen, Automarken und Autoherstellern, Automobilhandel und Werkstätten sowie Branchendienstleistern für die gesamte Automobilbranche. Neben den Auto News gibt es auch Interviews, Hintergrundberichte, Marktdaten und Zulassungszahlen, Analysen, Management-Informationen sowie Beiträge aus den Themenbereichen Steuern, Finanzen und Recht. AUTOHAUS bietet Auto News für die Automobilbranche.