Um die Wettbewerbsfähigkeit von Europas Wirtschaft zu stärken, wollen die Staats- und Regierungschefs der EU mehr Flexibilität beim Erreichen von Klimazielen und bei Klimaschutzgesetzen. So fordern sie in einer in Brüssel beschlossenen Gipfelerklärung eine Überarbeitung des sogenannten Verbrenner-Aus: Die EU-Kommission solle zügig einen Vorschlag dazu vorlegen.
Neben Beinfreiheit beim Klimaschutz soll es auch einen umfassenden Abbau von Bürokratie und Gesetzen geben. "Wir müssen jetzt sehr viel schneller in den nächsten Wochen arbeiten, als wir das in der Vergangenheit getan haben, im Hinblick auf Entscheidungen, die Bürokratie in Europa zurückzubauen", sagte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU).
Verwaltungs-, Regulierungs- und Berichtspflichten für Unternehmen und die öffentliche Verwaltung müssten "drastisch reduziert" werden, heißt es in dem aktuellen Beschluss der Staats- und Regierungschefs.
Gipfel betont besondere Rolle der Autoindustrie
In der Abschlusserklärung wird der Automobilindustrie eine besondere Bedeutung zugeschrieben. Sie müsse in einem globalen Markt und einem herausfordernden geopolitischen Umfeld widerstandsfähig und wettbewerbsfähig bleiben.
Die derzeitigen Regeln sehen vor, dass ab 2035 in der EU nur noch emissionsfreie Neuwagen zugelassen werden dürfen – faktisch ein Aus für Verbrenner-Autos. Vor allem die deutsche Autoindustrie drängt darauf, dass dieses Vorhaben zurückgenommen wird.
Klimaschutz soll "pragmatisch und flexibel" sein
Insgesamt wollen die EU-Spitzen beim Klimaschutz "pragmatisch und flexibel" vorgehen, twitterte EU-Ratspräsident António Costa. Es müsse sichergestellt werden, dass Europas Klimaambitionen und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft Hand in Hand gehen.
So fordern die Staats- und Regierungschefs etwa im Ringen um ein Klimaziel der EU für 2040 einen "realistischen Beitrag" von der Kohlendioxidentnahme – also dem Einfangen von Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre – zur gesamten Reduktion der Treibhausgase sowie ein "angemessenes Niveau" hochwertiger internationaler Zertifikate. Sie wollen auch die Möglichkeit einer Überprüfung in dem Klimaziel für 2040 verankern.
Laut EU-Klimagesetz muss neben bestehenden Zielen für 2030 und 2050 auch ein Ziel für 2040 festgelegt werden. Die EU-Kommission schlägt vor, die Emissionen in den nächsten 15 Jahren um 90 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken – drei Prozent davon sollen nach dem Willen der Kommission durch international anerkannte Klimazertifikate kompensiert werden dürfen. Der Vorschlag braucht noch die Zustimmung der Mehrheit der EU-Staaten und des Europaparlaments, in mehreren Staaten regt sich jedoch Widerstand.
Regelabbau mit höchster Dringlichkeit
Das EU-Lieferkettengesetz soll nach dem Willen der Staats- und Regierungschefs bis Ende des Jahres abgeschwächt werden, wie aus der Gipfelerklärung hervorgeht. Zudem wird die EU-Kommission aufgefordert, weitere Vereinfachungspakete vorzulegen.
Eine Vereinfachung der EU-Gesetze müsse als Frage höchster Dringlichkeit vorangetrieben werden, um Europas Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Besonders dringlich seien Vereinfachungspakete auch für die Landwirtschaft, Digitalisierung, Verteidigung und Chemieindustrie, hieß es.
ZDK: Klimaziele nur mit offenem Technologie-Mix
Das Kfz-Gewerbe begrüßt die EU-Beschlüsse zur Klimapolitik, warnt aber vor einer einseitigen Ausrichtung auf Elektromobilität. ZDK-Präsident Thomas Peckruhn betont, Klimaschutz gelinge nur mit Technologieoffenheit und einem starken Gebrauchtwagenmarkt. Zwei Drittel aller Fahrzeugtransaktionen betreffen Gebrauchtwagen – wer diesen Bereich ausklammert, verfehlt laut Verband die CO2-Ziele. Gefordert werden gleiche Chancen für E-Fuels, Wasserstoff, Hybride und effiziente Verbrenner sowie Förderprogramme für Bestandsfahrzeuge. Außerdem müsse die Lade- und Tankinfrastruktur flächendeckend ausgebaut und Energie bezahlbar bleiben. Beim neuen Emissionshandel ETS2 mahnt der ZDK soziale Ausgewogenheit an, um Mittelstand und Verbraucher nicht zu überlasten. "Nur mit Vernunft, Vielfalt und realistischen Lösungen gelingt die Klimawende – auf der Straße, nicht auf dem Papier", so Peckruhn.