Der Oldtimer-Fan sucht selten gewordene Ersatzteile. Ein Neuwagenbesitzer soll die Möglichkeit haben, bestimmte Oberflächenteile im Außen- und Innenbereich des Fahrzeugs persönlich anzupassen. Entwickler wollen Motorräder und Sportwagen mit ultraleichten und dennoch stabilen Karosserien versehen. Das waren jetzt drei Beispiele aus der Praxis, bei denen Fahrzeughersteller heute bereits auf 3D-Druck setzen. Zudem forschen sie intensiv nach weiteren Anwendungsmöglichkeiten in der Werkzeug- und Teileproduktion mittels additiver Verfahren. Der TÜV Rheinland hat den Stand der Technik und Forschung auf den aktuellen Stand zusammengetragen:
BMW und Mini setzen bei 3D auf Individualisierung...
So plant BMW noch für dieses Jahr die Eröffnung eines Forschungs-Campus zur Entwicklung und Anwendung von 3D-Druck. Zugleich bietet die BMW Group, zu der auch die britische Automarke Mini gehört, 3D-Druck-Features an, mit denen Fahrzeughalter ihren Mini persönlich gestalten können. Dekorleisten, beleuchtete Einstiegsleisten und LED-Türprojektoren kann der Fahrzeugkäufer personalisieren. Hergestellt werden die individualisierten Teile dann im 3D-Drucker.
... und auch bereits auf Serienteil-Produktion beim i8
"Beim BMW i8 Roadster setzt die BMW Group als erster Automobilhersteller das 3D-Druckverfahren im Metallbereich in einer Serienproduktion von mehreren tausend Stück ein. Das neue Bauteil aus dem 3D-Drucker befindet sich am Soft-Top-Verdeck des Roadsters und dient als Halterung der Verdeckabdeckung", erklärt Jens Ertel, Leiter des Additive Manufacturing Center der BMW Group in einer Pressemitteilung des Unternehmens. Das Metallbauteil, so der Konzern in der Mitteilung, bestehe aus einer Aluminiumlegierung und weise gegenüber einem üblicherweise eingesetzten Kunststoffspritzgussteil weniger Gewicht bei einer deutlich höheren Steifigkeit auf. Durch die Investition in einen speziellen industriellen 3D-Drucker erhofft sich der Autobauer zudem, die additive Fertigung auszuweiten und für die Massenfertigung nutzbar zu machen.
VW bedient den Bereich Classic Parts und Nischenteile
Volkswagen wiederum nutzt die additive Fertigung vorrangig im Oldtimer-Segment der hauseigenen Abteilung Volkswagen Classic Parts. Der 3D-Druck ermöglicht es hier, Teile in überschaubarer Stückzahl im Drucker nachzubilden. Weitere Anwendungen des Druckverfahrens sind in Planung. "Der 3D-Druck ist schon heute ein wichtiges Fertigungsverfahren, welches Nischen besetzt und neue Horizonte erschließt", sagt Volkswagen-Sprecher Torsten Cramm. Norbert Schroeder, Leiter Competence Center Classic Cars bei TÜV Rheinland, ergänzt: "Für die Classic-Branche ist der 3D-Druck ideal für die Nachbildung von Teilen, für die es keine Werkzeuge mehr gibt oder die herkömmliche Produktion nicht rentabel ist."
Audi nutzt Teiledruck für Werkzeugbau und TE-Versuche
Beim Ingolstädter Hersteller Audi werden derweil in eigenen 3D-Druck-Zentren für Kunststoff und Metall die Möglichkeiten des Drucks ausgelotet. Bisher stellt Audi unter anderem für den Werkzeugbau konturnah gekühlte Werkzeugeinsätze im Metall-3D-Druckverfahren her. Der Kunststoff-3D-Druck kommt verstärkt für die Fertigung von ersten Ansichtsmodellen, Prototypen-, Versuchs- und Innovationsteilen für die technische Entwicklung zum Einsatz. "Gerade in der Kunststoffverarbeitung ist der 3D-Druck inzwischen nicht mehr zu ersetzen und kann zum ersten Mal eine echte Alternative zu traditionellen Verfahren bieten", erklärt Mathias Wiese, Fachexperte im Kunststoff-3D-Druck-Zentrum von Audi. Bei der Ersatzteilfertigung ist das Unternehmen in einem spezifischen Bereich bereits aktiv. So können Kunden den Wasserstutzen für den W12-Motor aus dem Metall-3D-Drucker bei Audi bestellen.
Zulieferer spezialisiert sich
Auch Automobilzulieferer beschäftigen sich zunehmend mit den Möglichkeiten des 3D-Drucks. Einige Firmen wie GKN Sinter haben sich bereits auf die additive Herstellung von Metallteilen spezialisiert. Denn 3D-Drucker können nicht nur Materialien wie Acrylnitril-Butadien-Styrol (ABS), Nylon oder Aluminium in jedweder Form anhäufen, sondern auch Stahlpulver oder Kunststoffgranulat mit Stahlkern durch Schmelzen oder Sintern verarbeiten. Für den 3D-Druck eignen sich grundsätzlich alle schweißbaren Metalle: Werkzeugstahl ebenso wie Aluminium oder Titan. Im Drucker können komplexe Geometrien und Aussparungen entstehen, die durch herkömmliche Verfahren kaum möglich sind. Und gerade für die komplexen Freiformflächen in der Automobilindustrie scheint der 3D-Drucker wie geschaffen zu sein. Kommen also früher oder später gar ganze Designteile aus dem Druckwerkzeug?
VDA: "Noch nichts für Massenfertigung und Aftersales"
"An den 3D-Druck werden hohe Erwartungen geknüpft, die die Technologie gerade in Bezug auf die Fahrzeugherstellung in Sachen Produktivität und Oberflächengüte derzeit noch nicht in vollem Umfang erfüllen kann", relativiert Stefanie Henning-Senft vom Verband der Automobilindustrie (VDA). Die Praxis zeigt: Für Prototypen und kleine Stückzahlen ist der 3D-Druck bestens geeignet. Für die massenhafte Metallverarbeitung sind herkömmliche Gießverfahren derzeit für die Hersteller jedoch weiterhin weitaus wirtschaftlicher.
Ein breites Angebot an Ersatzteilen aus dem 3D-Drucker ist für Neufahrzeuge erst einmal nicht zu erwarten. "Der 3D-Druck für den Aftermarket von Neufahrzeugen ist – mit Ausnahme der Reproduktion für Oldtimer-Fahrzeuge – nur dort sinnvoll und umsetzbar, wo additiv gefertigte Teile bereits für die Serienproduktion vorgesehen sind. Andernfalls müssten diese Teile zusätzlich den Freigabeprozess durchlaufen, wobei fraglich wäre, ob 3D-Druck-Teile die Konformitätstests der herkömmlichen Teile bestehen würden. Die Sicherheit der Kunden steht an erster Stelle", so Henning-Senft.
TÜV Rheinland: Noch einige rechtliche Hürden zu nehmen
"Der dreidimensionale Druck ist eine zukunftsträchtige Technik, von der Hersteller, Aftermarket-Anbieter und Kunden perspektivisch profitieren können. Dabei muss einerseits die Qualität und Sicherheit der Teile gewährleistet und auch der Umgang mit dem Patentrecht zwischen Herstellern und Ersatzteilhändlern gesetzlich geklärt sein", erläutert Thomas Kampmann, Zulassungsexperte bei TÜV Rheinland Kraftfahrt. (wkp)