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Kommentar: Die Herausforderungen der Zeit erkennen

16.09.2024 15:16 Uhr | Lesezeit: 5 min
Karsten Thätner, stv. Chefredakteur AUTOHAUS Schadenmanager
Karsten Thätner, stv. Chefredakteur AUTOHAUS Schadenmanager
© Foto: Christine Olma

Warum eine Unfallinstandsetzung mit qualitativ einwandfreien und zertifizierten Gebrauchtteilen nicht nur "en voue" ist, sondern auch der Kostenexplosion bei Ersatzteilen begegnen und letztlich der Kfz-Assekuranz wirtschaftliche Vorteile einbringen würde, zeigt Karsten Thätner in seinem nachfolgenden Kommentar auf. Ausdrücklich verweist er dabei auch auf die Pflichten aus der künftig neuen Altauto-Verordnung.

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Auch wenn in den vergangenen Monaten immer wieder erste Meilensteine zu vermelden waren, richtig hochgefahren ist der grüne Kreislauf in Deutschland nach wie vor nicht. Sicherlich sind 4,5 Millionen Ersatzteile eine stattliche Zahl, und doch fehlen hauptsächlich Komponenten jüngerer Fahrzeuge. Die könnte vor allem eine Gruppe beisteuern: die Kfz-Versicherer.

Der Blick auf etwaige Anfangseinbußen greift zu kurz

Aktuell scheinen aber viele Gesellschaften eher noch mit spitzer Feder mögliche Einbußen in Sachen Restwert-Entwicklung zu berechnen, als das große Ganze im Blick zu halten, das einen wirtschaftlichen Erfolg über kurz oder lang garantieren würde.

Dabei gibt es aus meiner Sicht schon jetzt – mindestens – drei triftige Gründe, sich ernsthaft mit der grünen Reparatur auseinanderzusetzen. Erstens ist Nachhaltigkeit eine der Triebfedern für gesellschaftlichen Wandel. Unternehmen, die sich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen wollen, verpassen sich einen ökologischen Anstrich, listen die mit ihren Produkten möglichen CO2-Ersparnisse auf und setzen ehrgeizige Recycling-Ziele.

Nachhaltigkeit ist unumkehrbar

Eine Reparatur mit Gebrauchtteilen würde also "voll im Trend" liegen und die für ihre Kunden oft schwer greifbare Kfz-Versicherungswirtschaft abseits von begrünten Fassaden nachhaltiger machen – und das in ihrem Kerngeschäft. Sobald sich eine Gesellschaft mit einer wie auch immer gearteten "grünen Police" aus der Reserve traut, werden andere folgen, und ich bin mir sicher, dass neben dem zu erwartenden Imagegewinn bei den Versicherungsnehmern sich solche Rabattmodelle auch wirtschaftlich tragfähig gestalten lassen.

Der Kostenexplosion aktiv begegnen!

Das bringt uns zum zweiten Punkt, der die Reparaturbranche seit Jahren beschäftigt: die Kostenexplosion aufgrund der sich nach wie vor drehenden Preisspirale bei Kfz-Ersatzteilen, die für die Unfallinstandsetzung besonders relevant sind. Der GDV macht regelmäßig, teils mehrfach im Jahr, darauf aufmerksam, dass die Autohersteller ihre Quasi-Monopolstellung bei der Versorgung mit Kotflügeln, Scheinwerfern und Co. offensichtlich genüsslich ausreizen: So sind in den letzten zehn Jahren die Kosten für einen durchschnittlichen Haftpflichtschaden von 2.500 Euro 2014 auf rund 4.000 Euro gestiegen. Schuld daran sind Preissteigerungen von rund zehn Prozent pro Jahr, wobei Komponenten wie hintere Türen (+ 13,4 %) und Seitenwände (+ 13 %) oder Stoßfängerquerträger vorn (+ 12,6 %) sogar noch deutlich teurer wurden. Sowohl die einmal mehr von Milliardenverlusten bedrohten Kfz-Versicherer als auch wirtschaftlich schwächere Autohauskunden würden eine technisch einwandfreie Reparatur mit hochwertigen Gebrauchtteilen sicherlich begrüßen.

Altautoverordnung wird Restwertbörsen einschränken

Über all dem schwebt jedoch ein Argument, das ein allzu langes Abwarten eigentlich so gut wie unmöglich macht: die Einführung der neuen Altautoverordnung in den kommenden Jahren.

Diese wird nicht nur das herkömmliche Modell der Restwertbörsen inklusive Vermarktung der Unfallfahrzeuge ins Ausland deutlich einschränken, sondern ein innerdeutsches Recyclingsystem gemäß dem "grünen Kreislauf" mehr oder weniger gesetzlich vorschreiben. Spätestens, wenn also der Vorschlag der EU-Kommission in geltendes deutsches Recht umgesetzt werden muss, wird aus dem momentan freiwilligen Einstieg ins System der Gebrauchtteilreparatur eine Notwendigkeit.

Verwerter stehen bereit

Ausländische Märkte haben vorgemacht, dass die Instandsetzung nach den Vorgaben grüner Policen eine attraktive Alternative sein kann – in manchen Ländern gibt es vorgeschriebene Gebrauchtteilquoten, andere haben funktionierende Recyclingsysteme. Auch in Deutschland ist eine Branche bereits dabei, Kapazitäten aufzubauen, investiert Millionen in Lagerflächen und Sortieranlagen: die Fahrzeugverwerter.

Zeit nutzen anstatt weiter zu warten

Wäre es nicht sinnvoll, die verbleibende Zeit aktiv zu nutzen und die notwendigen Strukturen und Prozesse auf Versicherungs- und Werkstattseite aufzubauen, bevor es gesetzliche Vorgaben erforderlich machen? Vielleicht anders als in der Vergangenheit, als sich die Schadenbranche mehr als einmal erst dann bewegte, als sie musste? Ich würde mir wünschen, dass die Verantwortlichen aller Teile des Kreislaufs schon heute damit beginnen, die notwendigen Weichen zu stellen – Abwarten wird den Lauf der Zeit sicher nicht aufhalten.

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