Rund 150 Verkehrsrechts-Anwälte waren es auch in diesem Jahr wieder im Hotel Kaiserworth. Beim sogenannten Begrüßungsabend der AG Verkehrsrecht gaben die jeweiligen Referenten dabei einen ersten Überblick zu den in den Arbeitskreisen behandelten Rechtsthemen. Moderiert wurde die Veranstaltung von RA Oskar Riedmeyer aus München.
"Ein wertvolles Beweismittel sollte man nicht ohne Not ersetzen"
Sehr eindeutig war an diesem Abend bereits die Haltung der Verkehrsanwälte zum Thema des Arbeitskreises (AK) I von Goslar, das sich mit modernden Messmethoden und der Blutentnahme im Verkehrsstrafrecht befasste: "Die Atemalkoholanalyse ist als Beweismittel zur Täterüberführung bei Alkoholfahrten nur bedingt geeignet", lautete das Credo. Der Deutsche Anwaltverein insgesamt sehe das im Koalitionsvertrag stehende Vorhaben, eine Rechtsgrundlage für die forensische Verwertbarkeit der Atemalkoholanalyse im Strafverfahren zu schaffen, als "kritisch" an. Denn bei der Atemalkoholanalyse bestünden "erhebliche Zweifel, inwiefern die Ergebnisse genau sind. Dieses Verfahren als Grundlage für strafrechtliche Konsequenzen zu nehmen, ist daher bedenklich."
"Der Entzug der Fahrerberechtigung hat weitreichende Folgen für die Betroffenen, bis hin zur Gefährdung der Existenz. Daher kommt es auf die Genauigkeit der Messmethode an", kommentierte RA Dr. Frank Häcker die Pläne der Regierung. Als Beweismittel reiche die Atemalkoholanalyse zur Täterüberführung bei Alkohol am Steuer nur bedingt aus. "Die Blutalkoholanalyse ist für die Gerichte und die Angeklagten ein wertvolles Beweismittel. Der Gesetzgeber sollte dies nicht ohne Not ersetzen", forderte Häcker.
Ein weiteres Argument spreche für die Blutalkoholanalyse: Als Beweismittel stehe sie auch zu einem späteren Zeitpunkt für die Gerichte zur Verfügung. Die Ermittlungsbehörden könnten also den Konsum von Drogen und die Identität der Blutprobe überprüfen. Auch für die Nachforschungen zu der Plausibilität von Nachtrunkbehauptungen sei eine bestehende Blutalkoholanalyse hilfreich. Außerdem stünde beim Verzicht auf eine Blutanalyse kein ärztlicher Untersuchungsbericht mehr zur Verfügung. Für ein Strafverfahren und auch ein Wiedererteilungsverfahren sei eine sachverständige Beurteilung des Leistungsbildes aber sehr wichtig.
"Für Alkoholmissbrauch muss ein Beweis vorliegen"
Zum AK II, in dem die Frage nach einer MPU-Anordnung bereits unterhalb von 1,6 Promille Blutalkoholkonzentration aufgeworfen wurde, vertraten die DAV-Anwälte die Auffassung, dass man die MPU "nicht zwingend bei weniger als 1,6 Promille" festsetzen sollte. Das erst- und einmalige Führen eines Fahrzeugs unter alkoholbedingter Fahrunsicherheit und unter 1,6 Promille beweise nach Ansicht der Verkehrsanwälte "noch keinen Alkoholmissbrauch". Auch der Entzug der Fahrerlaubnis wegen Trunkenheit im Verkehr heiße nicht unbedingt, dass in der Vergangenheit Alkoholmissbrauch vorlag. Eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) sei deshalb in solchen Fällen nicht angebracht.
Die AG Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) lehne die von diversen Verwaltungsbehörden vertretene Meinung, dass ein Blutalkoholwert schon von 1,1 Promille eine MPU rechtfertige, mit Blick auf die MPU-Ausweitung auf eine Vielzahl von Autofahrern und eine dann wohl "hohe Zahl von Führerscheinentzügen" ab.
"Für die Einholung einer MPU gibt es klare Vorgaben. Es muss der Beweis vorliegen, dass beim Beschuldigten ein Alkoholmissbrauch vorliegt", sagte RA Gerhard Hillebrand von der AG Verkehrsrecht. Dies sei aber nicht der Fall bei jeder Alkoholfahrt mit einem Blutalkoholwert unter 1,6 Promille. Denn nicht jeder Gebrauch von Alkohol sei bereits ein Missbrauch.
Es lägen außerdem "keine ausreichenden wissenschaftlichen Erkenntnisse" vor, die das Verhalten der Behörden rechtfertigen würden, so Hillebrand. Wegen der weitreichenden, möglichen Konsequenzen einer MPU halte es der DAV deshalb nach wie vor für notwendig, ein Rechtsmittel schon gegen die Anordnung der MPU zu schaffen. Hillebrand wörtlich: "Der Betroffene muss überprüfen lassen können, ob die Anordnung rechtmäßig war."
"Verdienstausfall muss brutto ersetzt werden"
Zum Thema des AK III, in dem die Thematik Schadensersatz und Steuer behandelt wurde, bestehe eine grundlegende Problematik darin, dass Unfallopfer, die ihre Schäden ersetzt bekommen, "angesichts der anfallenden Steuer häufig draufzahlen". Bei der Regulierung von Personenschäden spiele der Ersatz des Verdienstausfallschadens nicht selten eine erhebliche Rolle. Übersehen werde, dass die Betroffenen die Ausgleichszahlung für den Verdienstausfall auch versteuern müssen. Dies stelle ebenfalls einen Schaden dar und sei dementsprechend durch den Schadensersatz mit auszugleichen, so die AG Verkehrsrecht.
"Der Verdienstausfall muss nicht nur netto, sondern brutto ersetzt werden. Sonst müssen die Betroffenen die Steuer aus der eigenen Tasche bezahlen. Häufig wird übersehen, dass die Berechnung des Schadensersatzes auf Basis des Nettogehalts des Geschädigten erfolgt", so Verkehrsrechtsanwältin Verena Bouwmann.
"Verkehrszivilprozesse besser vorbereiten"
Zum Thema des AK IV, in dem "die Beschleunigung des Verkehrszivilprozesses" behandelt wurde, wünschte sich der DAV insgesamt bessere Vorbereitungen, da Verkehrszivilprozesse aus seiner Sicht "überdurchschnittlich lange dauern".
Wegfall der unabhängigen Prüfbehörde inakzeptabel
In Zusammenhang mit den Beratungen zum AK-V-Thema "Neues Mess- und Eichwesen" vertrat RA Christian Funk die Auffassung, dass die Prüfverfahren für Messgeräte nicht den Vorgaben des BGH entsprechen und deshalb eine neue Standardisierung nötig sei. Wörtlich forderte er: "Dass derzeit die Prüfung der Messgeräte, zum Beispiel zur Feststellung von Geschwindigkeitsüberschreitungen, nicht mehr durch eine unabhängige Behörde erfolgt, ist nicht akzeptabel. Der Gesetzgeber muss hier schnell ein standardisiertes Verfahren vorgeben, um Rechtssicherheit für die Betroffenen zu schaffen."
Ja zum Datenschutz und auch zur Einzelfallprüfung für Dashcam-Beweise
Beim "Dashcam"-Thema des AK VI ist der Anwaltverein der klaren Auffassung, dass die geltende Rechtsprechung deutlich den technischen Möglichkeiten hinterher hinke. RA Andreas Krämer von der AG Verkehrsrecht verdeutlichte die Bedenken der Anwaltschaft wie folgt: "Das informationelle Selbstbestimmungsrecht, das Recht am eigenen Bild und die Würde des Menschen sind unveräußerliche Rechtsgüter. Gerade der dauerhafte Einsatz von Dashcams, also das ständige Filmen von unbescholtenen Bürgerinnen und Bürgern, verletzt deren Rechte." Auch die uneingeschränkte Zulassung als Beweismittel sei daher nicht mit dem Datenschutz vereinbar.
Krämer betonte aber auch: "Die Einzelfallprüfung, wie sie die Rechtsprechung heute zurückhaltend vornimmt, sollte aber im Rahmen einer Güterabwägung und nach Ausschöpfung sämtlicher sonstiger Beweismittel möglich sein". Anlassbezogene Filmaufnahmen könnten von daher als Beweismittel zulässig sein.
Da Rechtslage und Rechtsprechung uneinheitlich sind, sei der Gesetzgeber gefordert, Rechtssicherheit zu schaffen und den Schutz der Rechte der Betroffenen zu wahren. Dies sei auch mit Blick auf die technischen Entwicklungen dringend geboten. Viele Fahrzeuge würden in Zukunft mit Fahrassistenzsystemen und damit mit vielen Kameras ausgestattet sein. Damit die Halter der Fahrzeuge dann die technischen Innovationen auch nutzen können, sollten die rechtlichen Aspekte geklärt sein.
Recht auf freie Berufswahl auch bei Fahrlehrern eingefordert
Rechtssicherheit bei der Beschäftigung von Fahrlehrern forderte der DAV schließlich beim AK-VII-Thema, bei dem es um die Reform des Fahrlehrerrechts ging. "Der Plan, dass ein Fahrlehrer ohne Fahrschulerlaubnis nicht mehr freier Mitarbeiter sein kann, sondern ein Arbeitsverhältnis eingehen muss, halten wir für bedenklich. Das Recht auf freie Berufswahl gilt auch bei dieser Frage", kritisierte RA Martin Diebold die Pläne der Bundesregierung. Es sei im Übrigen dahingestellt, ob die von einem freien Mitarbeiter erteilte Fahrschulausbildung qualitativ schlechter sei als die von einem fest angestellten Fahrlehrer. In beiden Fällen unterliegen die Fahrlehrer nach Ansicht Diebolds den im Fahrlehrergesetz geregelten Überwachungs-, Kontroll- und Anleitungspflichten. Diese stellen sicher, dass die Fahrlehrerausbildung in Deutschland in hoher Qualität erfolgt.
Jörg Elsner und Dr. Daniela Mielchen im AH-Interview
Am Rande des DAV-Begrüßungsabends gaben der Vorsitzende des geschäftsführenden Ausschusses, RA Jörg Elsner, sowie seine Hamburger Kollegin Dr. Daniela Mielchen der Redaktion von AUTOHAUS noch ein gesondertes Interview. Dieses kann in der kommenden Ausgabe der Zeitschrift AH-SchadenBusiness nachgelesen werden. In dieser am 7. März neu erscheinenden Ausgabe wird darüberhinaus wie gewohnt auch der Sonderteil AUTOHAUS SchadenRecht veröffentlicht sein. (wkp)
Verkehrsanwälte: Klare Rechtsauffassungen und klare Forderungen

Traditionell treffen sich die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) bereits am Vorabend des Verkehrsgerichtstages in Goslar, um intern über die Inhalte und unterschiedlichen Positionen der jeweiligen Arbeitskreise zu beraten.