Online-Bewertungen: Meinungsfreiheit vs. Eingriff in Unternehmensrechte

KURZFASSUNG1. Gemäß Urteil des Landgerichts Frankenthal vom 22.05.2023 (Az. 6 O 18/23) muss von einem Unternehmen die Tatsachenbehauptung eines Kunden in einer Online-Bewertung nur dann hingenommen werden, wenn der Wahrheitsgehalt der aufgestellten Behauptung auch tatsächlich feststeht. 2. Das in Art. 5 GG festgelegte Recht auf Meinungsfreiheit ist sehr weitgehend. Unwahre Tatsachenbehauptungen sind allerdings grundsätzlich nicht vom Schutz der Meinungsfreiheit umfasst. Gemäß Bundesverfassungsgericht liegt eine Tatsachenbehauptung dann vor, wenn die Behauptung einem Beweis zugänglich ist. Eine bloße Meinung hingegen entzieht sich einem Beweis und ist stattdessen "durch Wertungen und Dafürhalten" geprägt. 3. Liegt eine falsche Tatsachenbehauptung vor, so steht dem Unternehmer ein Unterlassungsanspruch zu. Der Unterlassungsanspruch ist grundsätzlich mit einer Abmahnung und einem Unterlassungsverlangen einzuleiten, das eine Vertragsstrafe für den Fall eines fortdauernden oder weiteren Rechtsverstoßes zum Inhalt hat 4. Nach dem Urteil des Landgerichts Frankenthal liegt im gerichtlichen Streitfall die Beweislast für die Wahrheit der aufgestellten Tatsachenbehauptung beim Kunden. Bewertungen im Internet werden vielfach als "digitales Aushängeschild" eines Unternehmens bezeichnet. Schlechte Bewertungen sind für ein Unternehmen nicht nur unangenehm und ärgerlich, sie können im Einzelfall sogar zu Kundenabwanderungen und finanziellen Einbußen führen. Das Landgericht (LG) Frankenthal hat sich jüngst mit seinem Urteil vom 22.05.2023 (Az. 6 O 18/23) mit einer negativen Internet-Bewertung befasst. Die Pressestelle des LG Frankenthal hat dieses Urteil mit der Überschrift "Entscheidung des Monats Juli 2023" veröffentlicht. Der Fall Ein Kunde hatte ein Umzugsunternehmen damit beauftragt, seinen Umzug durchzuführen. Die Durchführung des Auftrags bewertete der Kunde einige Zeit später auf einer Online-Bewertungsplattform mit einem von fünf möglichen Sternen. Darüber hinaus behauptete er im Bewertungstext, dass ein Möbelstück beim Transport beschädigt worden sei und sich niemand darum gekümmert habe, den Schaden zu beheben. Der Inhaber des Umzugsunternehmens stritt dagegen ab, dass es zu einem Schaden gekommen war, und sah die Behauptung des Kunden, man habe sich nicht um die Belange des Kunden gekümmert, als rufschädigend für sein Unternehmen an. Der Unternehmer verlangte vom Kunden die Unterlassung der Behauptung, der Kunde weigerte sich. Es kam zum Rechtsstreit vor dem zuständigen LG (Landgericht) Frankenthal. Entscheidung LG Frankenthal Das LG gab in seinem Urteil dem Unternehmer mit der Begründung recht, dass die negative Äußerung des Kunden im Online-Bewertungsportal dem Unternehmen schadet und dessen Rechte verletzt. Dem stehe zwar - so das LG Frankenthal - das Recht des Kunden gegenüber, seine Meinung über den durchgeführten Auftrag in der Bewertung frei äußern zu dürfen. Die im Streit stehende Behauptung, es sei ein Möbelstück beschädigt worden, sei jedoch keine derart geschützte Meinung, sondern eine Tatsachenbehauptung. Denn diese Behauptung beschreibe etwas, das wirklich geschehen sein soll. Solches müsse vom bewerteten Unternehmen nur hingenommen werden, wenn der Wahrheitsgehalt der aufgestellten Behauptung auch tatsächlich feststeht. In der Konsequenz muss deshalb derjenige, der in Internet-Bewertungen eine Tatsache behauptet, im Streitfall beweisen, dass diese Behauptung auch zutreffend ist. Dieser Beweis war dem Kunden des Umzugsunternehmens nach den Feststellungen des LG Frankenthal nicht gelungen, weswegen das LG einen Unterlassungsanspruch des Unternehmers sah und dessen Unterlassungsklage insoweit entsprach. Das Urteil ist rechtskräftig. Meinungsfreiheit Gemäß Art. 5 Abs. 1 GG hat jeder das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) bereits aus dem Jahr 1958 ist das Grundrecht auf Meinungsfreiheit "als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt." Unwahre Tatsachenbehauptungen sind gemäß BVerfG allerdings grundsätzlich nicht vom Schutz der Meinungsfreiheit umfasst. Eine Tatsachenbehauptung liegt dann vor, wenn die Behauptung einem Beweis zugänglich ist - und sich im Streitfall die Behauptung im Rahmen einer gerichtlichen Beweisaufnahme also entweder als richtig oder falsch erweist. Eine Meinung hingegen entzieht sich dem Beweis und ist stattdessen "durch Werten und Dafürhalten" geprägt. Das sehr weitgehende Recht auf Meinungsfreiheit findet seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre (Art. 5 Abs. 2 GG). Unterlassungsanspruch Liegt nach Vorstehendem keine bloße Meinungsäußerung vor, sondern eine falsche Tatsachenbehauptung, so steht einem Unternehmer ein Unterlassungsanspruch zu. Ein solcher Unterlassungsanspruch kann sich stützen auf verschiedene gesetzliche Grundlagen, wobei neben der Kreditgefährdung, der Persönlichkeitsrechtsverletzung und der Verletzung von sonstigen absolut geschützten Rechtsgütern gemäß § 823 BGB auch eine Verletzung des "Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb" zu nennen ist. Ein Unternehmen ist also keineswegs schutzlos gegen falsche und rechtswidrige Tatsachenbehauptungen. Grundsätzlich ist ein Unterlassungsanspruch mit einer Abmahnung gegen den "Störer" einzuleiten, der die falsche Behauptung aufgestellt hat. Die Abmahnung mit Unterlassungsverlangen hat "strafbewehrt" zu sein. Es ist mit dem Unterlassungsverlangen neben einem Unterlassungsversprechen also die Zahlung einer Vertragsstrafe zu fordern. Etliche Unternehmer dürften bereits selbst - namentlich im Zusammenhang mit der Deutschen Umwelthilfe - Erfahrungen mit einem strafbewehrten Unterlassungsverlangen und dessen rechtlicher Komplexität gesammelt haben. Zur Geltendmachung eines Unterlassungsverlangens sollte wegen dieser Komplexität juristische Hilfe in Anspruch genommen werden. Anwaltskosten sind im Übrigen vom Rechtsverletzer zu erstatten. Tatsachenbeweis Im Streitfall wird vom zuständigen Gericht eine Beweisaufnahme nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung durchgeführt. Im Fall einer Online-Bewertung erfolgt dies maßgeblich durch die Vorlage von schriftlichen Unterlagen, Zeugeneinvernahmen und im Einzelfall durch ein Sachverständigengutachten. Hierbei hat das Gericht die Grundsätze der "Beweislastverteilung" zu beachten, heißt: Wer hat was zu beweisen? Bei einer einfachen Beleidigung beispielsweise trifft die Beweislast natürlich den Beleidigenden, er muss beweisen, dass die Beleidigung zu Recht ausgesprochen wurde. Dieser Nachweis kann naturgemäß nicht gelingen. Stützt sich allerdings ein Unterlassungsanspruch wegen einer Falschbehauptung auf das "Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb", so trifft die Beweislast für einen betriebsbezogenen Eingriff den Unternehmer. Im Fall der vom LG Frankenthal zugunsten des Unternehmers entschiedenen Unterlassungsklage sah das Gericht die Beweislast für die Wahrheit der aufgestellten Tatsachenbehauptung beim Kunden. In derartigen Fällen kommt demgemäß einem Unternehmen eine Beweiserleichterung zu. Vorsorglich und dennoch sollte von jedem Unternehmer im Streit über Tatsachenbehauptungen im Internet der Sachverhalt schon anfänglich sorgfältig und möglichst nachweisbar aufbereitet werden. Rechtsanwalt Rainer Bopp, kanzlei@raehaug-partner.de. www. haug-partner.de KOMMENTAR Das im vorliegenden Beitrag berichtete Urteil des LG Frankenthal beschäftigt sich mit dem Unterlassungsanspruch eines Unternehmens aufgrund einer falschen Tatsachenbehauptung in einer Online-Bewertung. Ein ebenso großes und auch häufiger auftretendes Ärgernis sind Kundenrezensionen in Online-Portalen, die unsachlich und grenzwertig (oder auch grenzüberschreitend) herabwürdigend sind. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat im Beschluss vom 28.07.2014 (Az. 1 BvR 482/13) entschieden, dass auch überspitzte Äußerungen grundsätzlich in den Schutz der Meinungsfreiheit fallen. Selbst eine überzogene oder ausfällige Kritik macht nach den Darlegungen des BVerfG eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur - unzulässigen und rechtswidrigen - Schmähung. Für die Annahme einer solchen unzulässigen Schmähkritik muss vielmehr hinzutreten, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung einer Person (sei dies eine natürliche oder juristische Person) im Vordergrund steht. Je nach (manchmal allzu subjektiver) Betrachtungsweise sind hierbei die Grenzen zur Schmähkritik überschritten oder auch nicht. Äußerungen in Online-Portalen sollten deshalb mit Abstand und mit kühlem Kopf bewertet werden.

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