Ausgabe 21/2011: BFH kontra Finanzverwaltung

BFH kontra FinanzverwaltungInnergemeinschaftliche Lieferungen E Im jahrelangen Kampf zwischen Unternehmern und Finanzamt über die Frage steuerfreier innergemeinschaftlicher Lieferungen hat nun der Bundesfinanzhof (BFH) als oberstes deutsches Steuergericht die Finanzverwaltung erneut in ihre Schranken verwiesen. Rath, Anders, Dr. Wanner & Partner WPGBei der Frage steuerfreier innergemeinschaftlicher Lieferungen geht es um einen Sachverhalt, der in dieser Konstellation immer schon von der Finanzverwaltung als suspekt behandelt worden ist, nur hat sich im Laufe der Zeit die Argumentation der Finanzverwaltung stetig geändert – immer dann, wenn die Rechtsprechung die bisherigen Argumente für nicht zutreffend erachtet hatte.„Reihengeschäft“!?Der nunmehr vom BFH entschiedene Fall betraf eine Klägerin (ein Autohaus), die einen Pkw steuerfrei an ihren spanischen Kunden verkauft hatte, der wiederum einen französischen Kunden hatte. Das Fahrzeug wurde von einem französischen Fahrer mit entsprechender Vollmacht für den Spanier abgeholt und landete direkt in Frankreich. Bei solchen Geschäften spricht man umsatzsteuerlich von Reihengeschäften, wenn im vorliegenden Fall durch die Bewegung des Fahrzeuges sowohl eine Lieferung an den Spanier als auch an den Franzosen erfolgt. Bei solchen Reihengeschäften gilt also „eine Bewegung“ des Fahrzeugs als Erfüllung gleichzeitig zweier Lieferungen. Entscheidend für eine steuerfreie Ausfuhrlieferung ist nun, ob die erste „Lieferung“, im vorliegenden Fall also von der Klägerin an den spanischen Kunden, nicht als Lieferung im Inland zählen würde, weil dann erst die zweite Lieferung an den Franzosen als innergemeinschaftliche Lieferung gelten könnte.Wechselnde AnsichtenWenn man in die Vergangenheit zurückblickt, stellte sich das Finanzamt früher oftmals gegen die Steuerfreiheit mit dem Argument, der spanische Abnehmer sei nur ein Scheinunternehmer oder aber das Erstgeschäft sei nur ein Scheingeschäft, es sei ja nur das zweite Geschäft – die Lieferung von Deutschland nach Frankreich – gewollt. Sowohl das Argument Scheinunternehmen war jedoch absurd, wenn es den Spanier tatsächlich gab oder es eine im Register geführte juristische Person gewesen ist, die den Kaufvertrag entsprechend abgeschlossen hat. Aber auch das nächste Argument, es handele sich um ein Scheingeschäft, ist immer dann in der Rechtsprechung abgelehnt worden, wenn keinerlei Anhaltspunkte vorhanden waren, dass der deutsche Lieferant eigentlich nur mit dem Dritten das Geschäft tätigen wollte, nicht aber mit dem erklärten Vertragspartner, vorliegend hier dem Spanier. Denn ein Scheingeschäft muss von beiden Seiten nur dem Schein nach gewollt sein. Um dennoch die Steuerfreiheit zu torpedieren, hat sich die Finanzverwaltung sodann oftmals auf die angeblich „falsche Transporterklärung“ des Abholers gestützt, wonach ja das Fahrzeug wider der Erklärungen des Abholers nicht nach Spanien, sondern nach Frankreich gelangt sei. Nachdem auch solche Argumente der Finanzverwaltung die Rechtsprechung nicht überzeugen konnten, war zuletzt nun seit Jahren das Thema „Reihengeschäft“ auf dem Prüfstand. Die Finanzverwaltung behauptete bei solchen Reihengeschäften, dass eine Lieferung „über die Grenze“ erst bei dem zweiten Geschäft in dieser Reihe anzusehen ist. Deshalb sei – selbst bei vollständigen Unterlagen des verkaufenden Autohauses in Deutschland – die Gutglaubensregelung auch nicht anwendbar, weil es ja schließlich nicht um die Lieferung an den Spanier, sondern um eine Lieferung an den Dritten, hier den Franzosen, gegangen sei und die Vertrauensschutzregelung für diese Regelung gar nicht gelten würde.Entscheidung des BFHDer BFH hat nun klar entschieden, dass bei den Reihengeschäften die erste Lieferung bereits maßgeblich sei. Er hat aber noch ergänzend anklingen lassen, dass selbst dann, wenn es um die Weiterlieferung nach Frankreich gegangen wäre, es mit Sinn und Zweck der Vertrauensschutzregelung wohl nicht vereinbar wäre, in solchen Fällen den Vertrauensschutz zu versagen.Fazit:Stimmt der Buch- und Belegnachweis und handelt der Abholer in Vollmacht für den ersten Abnehmer, dann wird insoweit eine „Ausfuhr“lieferung jedenfalls an den (ersten) Abnehmer umsatzsteuerlich vorgenommen, so dass es sich hierbei um eine steuerfreie Lieferung handelt. Ob und wie die Finanzverwaltung nunmehr mit diesem Urteil umgehen wird, wird sich leider erst in der Praxis zeigen.Michael Böhlk-LankesRechtsanwalt, Steuerberatermuc@raw-partner.deKurzfassung1. Bei Reihengeschäften innerhalb der EU und Abholung durch den Letzterwerber findet trotzdem eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung an den ersten ausländischen Kunden statt, auch wenn das Fahrzeug von einem in Vollmacht des Erstkunden handelnden Dritten (Abnehmer) direkt abgeholt und zu dem Dritten gefahren wird.2. Entscheidend ist, dass der inländische Verkäufer insoweit seinen Kaufverpflichtungen gegenüber dem Erstkäufer nachkommen will. 3. Selbstverständlich ist weiter erforderlich, dass der Buch- und Belegnachweis insoweit vollständig ist.Kommentar< Auch jüngst aufgetretene Fälle zeigen immer wieder, dass ein Unternehmer mit umsatzsteuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen ein höchst riskantes Dasein fristet. Noch immer wird in der Finanzverwaltung – insbesondere von den Steuerfahndungsstellen – die neuere Rechtsprechung zu wenig ernst genommen und oftmals mit bereits längst überholten Gründen gnadenlos zugeschlagen. Von der Finanzverwaltung wird nach wie vor nach dem Motto gehandelt: Wer mit Autos über die Grenze handelt, muss doch wissen, dass auf diesem Sektor eine erhebliche Umsatzsteuer-Betrugsanfälligkeit besteht, und nimmt quasi den Steuerbetrug in Kauf! Dass solch ein Motto sämtlichen EU-Regelungen zur Liberalisierung des Handelsverkehrs zwischen den Mitgliedsstaaten widerspricht, bedarf keines weiteren Kommentars. Leider wird oftmals in der Praxis der Finanzverwaltung diese Frage völlig ignoriert. >Buchtipp Neuerscheinung: „Teile- und Lagermanagement: Da steckt bares Geld drin!“ „Der Warenbestand an Teilen und Zubehör eines Autohauses ist genauso zu managen wie ein Vermögen auf der Bank. Es muss immer die richtige Ware im Teile- und Zubehörlager vorrätig sein, nie zu viel, niemals die falschen Teile.“ Wie diese Aufgabe zu lösen ist, erklärt Bernhard Seilz in der Neuerscheinung „Teile- und Lagermanagement: Da steckt bares Geld drin!“ Schritt für Schritt hilft er, einen objektiven Blick auf das eigene Teilelager zu werfen und dieses effektiv zu bewirtschaften.Wie viel Kapital steckt im Teile- und Zubehörlager? Zu viel, zu wenig und immer das falsche Teil, es frisst Liquidität und ist als Sicherheit nicht richtig zu bewerten… auf diese und viele weitere Probleme und Herausforderungen rund um das Thema Teile- und Lagermanagement geht der Autor, der auch als Trainer und Berater für die Automobilbranche tätig ist, ausführlich ein. Schwerpunkte dieser Neuerscheinung sind unter anderem:Gestaltung eines zukunftsorientieren LagersBestandgestaltung und TeilebeschaffungEffiziente ProzesseTeile und Zubehör aktiv verkaufenzielorientierte Entlohnungsmodelle.

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