Škoda-Chef im Interview: Klaus Zellmer über Führung, Verantwortung und Bodenständigkeit

27.10.2025 15:18 Uhr | Lesezeit: 5 min
Skoda-Chef Klaus Zellmer
Škoda-CEO Klaus Zellmer bei der Diskussion über vielfältige Branchenkomplexitäten.
© Foto: Skoda

Ein CEO, der zuhört, lacht und keinen Bogen um unbequeme Fragen macht: Škoda-Chef Klaus Zellmer empfing seine Bundesbrüder und Studierende der HfWU Geislingen in Mladá Boleslav – und sprach im exklusiven AUTOHAUS-Interview über Verantwortung, Wandel und die Kunst, Bodenhaftung zu bewahren.

Škoda-CEO Klaus Zellmer ist seit 1992 Mitglied der Studentenverbindung "AUTOMOBILIA". Er lud nun seine Bundesbrüder und -schwestern sowie Studentinnen und Studenten der HfWU Geislingen in den Firmenhauptsitz und ins Hauptwerk von Škoda Auto a.s. nach Mlada Boleslav, 50 Kilometer von Prag entfernt, ein. Nach seinem Vortrag in der Zentrale fand ein ausführlicher Gedankenaustausch statt. Ebenso in den abendlichen gastronomischen Zusammenkünften, bei denen der Topmanager in bewundernswerter Ausdauer und Geduld mit auffällig gastfreundlicher Präsenz umfänglich auf all die vielfältigen Fragen einging. Nachstehend ein markanter Auszug der gestellten Fragen. Die nachstehende Du-Anrede sei der Bundesbruderschaft gewidmet.

Vom Porsche-Manager zum Škoda-CEO

AH:  Du warst über 20 Jahre Porsche-Manager, seit 1. Juli 2022 wirkst du als CEO bei Škoda. Welche Veränderungen waren und sind für Dich damit verbunden?

K. Zellmer: Während Porsche auf Exklusivität und Performance setzt, steht Škoda für Erreichbarkeit, Pragmatismus und Ingenieurskunst für alle. Der Wechsel zu Škoda bedeutete für mich eine neue Dimension der Verantwortung. Natürlich ist die Übernahme von Gesamtverantwortung für einen Automobilhersteller die größte Veränderung. Dazu kommt noch die kulturelle Dimension: Škoda ist tief in der tschechischen Gesellschaft verwurzelt, gleichzeitig aber global ausgerichtet. Die Nähe zu den Menschen, die Bodenständigkeit und der Stolz auf unsere Marke prägen hier jede Entscheidung.

Tschechische DNA und Verantwortung

AH: Wie musst Du als Deutscher CEO die tschechische Identität, deren DNA leben? Škoda ist das umsatzstärkste Unternehmen in Tschechien. Welche politischen wie gesellschaftlichen Verpflichtungen resultieren daraus für Dich als CEO?

K. Zellmer: Škoda ist tschechisches Kulturgut, ein nationales Symbol. Als deutscher CEO ist es meine Aufgabe, die tschechische DNA zu leben – nicht zu imitieren. Das bedeutet: klare Kommunikation, Teamorientierung, Respekt vor Tradition und Handwerkskunst. Škoda ist das umsatzstärkste Unternehmen Tschechiens und der größte Arbeitgeber im privaten Sektor, und daraus erwächst eine gesellschaftliche Verantwortung – für Arbeitsplätze, Nachhaltigkeit und Innovationskraft. Politik und Wirtschaft sind hier eng verflochten, aber unser Fokus bleibt: Wertschöpfung im Land halten und die Marke als Botschafter Tschechiens in die Welt tragen. Gesellschaftlich betreibt Škoda seit 2000 in Mlada Boleslav die Skoda Auto University (SAVS) mit starker internationaler Dimension. Škoda engagiert sich auch an weiteren Bildungseinrichtungen in Prag sowie in diversen kulturellen Einrichtungen. 

Skoda-Chef Klaus Zellmer
Klaus Zellmer steht seit Juli 2022 an der Spitze des umsatzstärksten Unternehmens in Tschechien.
© Foto: Skoda

"Simply Clever" als Haltung

AH: Škoda fällt unter den VW-Konzernmarken mit sehr positivem Ranking, auch 2025 auf. Woran liegt das und was zeichnet die Marke Škoda in Sonderheit aus? Und in welche Bereiche wirkt da überall Škodas "SimplyClever" hinein?

K. Zellmer: Škoda steht für intelligente Lösungen, die das Leben einfacher machen. "Simply Clever" ist kein Marketing-Slogan, sondern eine Haltung. Sie reicht von praktischen Fahrzeugdetails über digitale Services bis zur Produktionslogistik. Der Erfolg der Marke liegt in der Kombination aus hoher Qualität, fairer Preisgestaltung und emotionalem, modernem Design. Das Vertrauen der Kunden entsteht, weil Škoda Fahrzeuge baut, die „mehr Auto fürs Geld“ bieten – und das mit einem sympathischen Understatement.

Der CEO als Zehnkämpfer

AH:  Du hast beim IfA-Kongress am 16. Oktober 25 deine Aufgabenvielfalt mit dem 10-Kampf in der Leichtathletik verglichen, welche automobilen Sportarten sind das und wie steuerst Du diese Vielfalt? Welche Disziplin steht Dir dabei am nächsten? Welche ist die wichtigste?

K. Zellmer: Ich habe die Rolle eines CEOs mit einem Zehnkampf verglichen, weil sie viele Disziplinen vereint und Fitness in all diesen Dimensionen fordert: Strategie, Technologie & Design, Personal, Beschaffung, Finanzen, Kultur, Politik, Kommunikation, Produktion und Vertrieb. Die Disziplinen, die mir am nächsten stehen, sind Strategie, Technologie & Design – dort stellen wir die Weichen, um Marke und Kunde zusammenzubringen. Mit dem Vertrieb fahren wir dann die Ernte ein - da komme ich her, da kann ich einen starken Wertbeitrag  bringen. Die wichtigste Disziplin als CEO ist Teamführung, denn ohne ein starkes, motiviertes und komplementäres Team gewinnt man keinen Wettbewerb.

"Modern Solid"-Strategie

AH:  Wie beurteilst Du, ihr das Design von morgen? Was steht hinter eurer "Modern Solid"-Strategie?

K. Zellmer: "Modern Solid" ist unsere neue Designsprache – robust, klar, funktional und emotional zugleich. Sie steht für eine neue Ära: nachhaltige Materialien, reduzierte und zeitlose Formen, intuitive Bedienung. Das Design soll Vertrauen und Beständigkeit ausstrahlen, aber auch Mut zur Veränderung zeigen. Es ist die visuelle Übersetzung unserer Transformation, die zeigt, dass unsere Marke noch viele Ambitionen hat. 

Skoda-Chef Klaus Zellmer
Klaus Zellmer: "'Simply Clever' ist kein Marketing-Slogan, sondern eine Haltung."
© Foto: Skoda

Modellpolitik mit Augenmaß

AH:  Wer und wie bestimmt man die Anzahl der Modelle? Und wie werden diese im Konzern abgestimmt?

K. Zellmer: Die Anzahl und Ausrichtung unserer Modelle werden im engen Verbund mit dem Volkswagen-Konzern abgestimmt. Als Škoda ist es dabei unsere Rolle, Mobilität in der Breite zugänglich zu machen – mit Fokus auf Effizienz, Platzangebot und Preis-Leistung. Zudem sorgen wir mit unserem ertragsstarken Geschäftsmodell auch für positive finanzielle Effekte, von denen im Konzern alle profitieren. Entscheidungen über Modellvielfalt beruhen auf Marktanalysen und strategischer Positionierung innerhalb des Konzerns. Ziel für alle Marken ist es, den Fußabdruck im Markt zu maximieren. Keinesfalls wollen wir uns gegenseitig auf die Füße treten.

Wachstumsmärkte: Fokus Indien

AH: Du sprachst in deinem Vortrag Škoda und Indien an. Wie gestaltet man strategisch einen indischen Markt, wie den chinesischen? Oder den in der Türkei, Israel, Vietnam, Thailand? Und wie oft bist Du in diesen Ländern vor Ort gefordert? Und weshalb ist Skoda nicht in Nordamerika, Japan und Südkorea vertreten?

K. Zellmer: Indien ist für Škoda der Schlüsselmarkt außerhalb Europas und der Nukleus für unsere Wachstumsambitionen - auch in der Region ASEAN. Dort bauen wir nicht nur Autos, sondern auch Vertrauen auf – mit lokalen Zulieferern, angepasstem Design und erschwinglichen Preisen. In Märkten wie der Türkei, Israel, Vietnam oder Thailand setzen wir auf Partnerschaften und lokale Wertschöpfung. In Nordamerika, Japan und Südkorea sind wir derzeit nicht aktiv, weil dort die Markteintrittskosten und Regulierungen keinen wirtschaftlichen Rahmen bieten, der zu unserer Positionierung passt. Zudem ist der Volkswagen Konzern dort mit seinen anderen Marken bereits sehr gut vertreten.

Effizienz durch KI und Robotik

AH:  Du hast auf dem IfA-Kongress im Oktober 2025 angedeutet, dass Škoda gut 1 Milliarde an Kosten heraus schwitzen muss. Wenn das möglich wird muss man die Frage stellen, warum man so lange zugeschaut hat? Welche Rolle wird als Lösungsansatz dabei KI und die Digitalisierung, Roboting spielen? Wie steuerst du dieses Themenfeld im Škoda-Konzern?

K. Zellmer: Kosteneffizienzen zu schaffen, ist kein Selbstzweck, sondern Teil einer strukturellen Fitnesskur. Digitalisierung, Robotik und KI sind dabei zentrale Hebel. Wir automatisieren Prozesse, optimieren Lieferketten und nutzen KI in allen Geschäftsbereichen, vor allem in der Qualitätskontrolle aber auch in der Produktentwicklung. Ziel ist es, effizienter, effektiver, präziser und nachhaltiger zu werden – ohne Kompromisse in der Qualität.

Skoda-Chef Klaus Zellmer im Skoda-Muzeum
Ein Blick in die moderne "conference hall"
© Foto: Skoda

Agenturvertrieb ade!

AH:  Du warst ein großer Anhänger des Agenturvertriebs. Selbst für die eAutos hat der Konzern die Agentur zurückgenommen. Worin hat man die Komplexität der Umstellung unterschätzt?

K. Zellmer: Das Agenturmodell hat Potenzial, die Kundenbeziehung direkter und digitaler zu gestalten. Die Komplexität lag jedoch in der Systemintegration und der Harmonisierung zwischen Marken, Ländern und Händlern. Wir haben gelernt, dass Transformation Zeit braucht - und dass Vertrauen zwischen Hersteller und Handel die Basis bleibt. Der klassische Händler bleibt auch im digitalen Zeitalter ein entscheidender Markenbotschafter.

Das bezahlbare Elektroauto

AH:  Wo bleibt das bezahlbare eAuto aus dem Konzern?

K. Zellmer: Ein erschwingliches Elektroauto ist kein Wunschtraum, sondern eine Notwendigkeit. Der Konzern arbeitet an einem elektrischen Kleinwagen für um die 20.000 €. Damit stellen wir uns im Konzern so auf, für jeden Kundenanspruch das passende Angebot zu machen. Bei Škoda haben wir entschieden, bis auf Weiteres mit unseren Einstiegsmodellen Fabia, Scala, Kamiq und mHybrid-Antrieb im Markt zu agieren und im kommenden Jahr mit dem elektrischen Sub-Kompakt-SUV Epiq und einem siebensitzigen Familien-SUV unser Elektroportfolio nach unten und oben abzurunden. 

Die Batterie-Frage

AH: Weshalb schafft es der Konzern bis heute nicht, eine eigene bezahlbare e-Auto-Batterie zu produzieren? Wie möchte man so Weltmarktführer in Sachen eAuto sein, wenn man das Herzstück - 40 Prozent der Kosten - fremdbeziehen muss?

K. Zellmer: Die Batterie ist das Herzstück des Elektroautos – und ja, sie macht rund 40 Prozent der Kosten aus. Der Konzern investiert in eigene Gigafactories. Ziel ist es, die Wertschöpfungskette zu verkürzen und Know-how im Konzern zu halten. Bis dahin bleibt die Kooperation mit etablierten Zellherstellern ein pragmatischer Weg. Größte betriebswirtschaftliche Herausforderung bei der Zellfertigung ist und bleiben grundsätzlich die Energiekosten.

IfA-Vizedirektor Prof. Benedikt Maier
Der Fragesteller Prof. Benedikt Maier mit Kollege Prof. Stefan Reindl (beide Institut für Automobilwirtschaft)
© Foto: Skoda

Handel bleibt Herz der Marke

AH:  Wie sehen auf deiner langen Wirkstrecke die Erfahrungen mit dem Automobilhandel und dessen Notwendigkeit aus? Wie deine Erfahrungen mit Händlerverbänden in den einzelnen Ländern?

K. Zellmer: Der Handel ist das Rückgrat unserer Marke. Ich habe in allen Märkten in denen ich gelebt habe, erlebt, dass Händlernetzwerke entscheidend für Kundenzufriedenheit und Markenbindung sind. In USA, Europa, Indien oder ASEAN – überall gilt: Nur wer den Kunden versteht, kann erfolgreich verkaufen. Händlerverbände sind dabei wertvolle Sparringspartner, keine Gegenspieler. 

Balance, Bewegung und Bier

AH: Noch eine persönliche Frage: Wie löst ein Top-Manager wie du bei all diesen Anforderungen und zeitlichem Eingebundensein seine persönliche, seine familiäre Welt?

K. Zellmer: Work-Life-Balance ist ja ein gern strapaziertes Thema. Für mich ist 'Work' keine lästige Unterbrechung des eigentlichen Lebens. Balance entsteht für mich nicht nur durch Freizeit, sondern insbesondere durch Identifikation mit meiner Arbeit, um dann bewusst Zeit für Familie, Sport und Reflexion zu schaffen. Bewegung – ob Yoga, Radfahren oder Laufen – hilft mir, den Kopf frei zu bekommen. Und ja, manchmal gehört auch ein gutes Bier dazu.

Mallersdorfer Klosterbier

AH:  Du bist 1967 im bayerischen Mallersdorf geboren. Mallersdorf kennt man vorab über das Kloster der Mallersdorfer Schwestern. Dort steuert Schwester Doris Engelhart seit 48 Jahren als Deutschlands einzige klerikale Bierbraumeisterin die Klosterbrauerei. Liegt Deine geistige Fitness an Deiner jugendlichen Ernährung mit hellem Mallersdorfer Klosterbier? Welche tschechische Biermarke empfiehlst du uns, die wir hier trinken sollten? Bier fragt nicht, Bier versteht?

K. Zellmer: Ich wurde in der Tat im Kloster Mallersdorf geboren, wo Schwester Doris das wohl geistlichste Bier Deutschlands braut. Das war das nächstgelegene Krankenhaus für meine Eltern in der Heimat meines Vaters. Vielleicht liegt darin ein Stück meiner beseelten Bodenständigkeit. In Tschechien genieße ich gern ein Pilsner Urquell – oder eben Biere mit Charakter und Geschichte. Und ja, „Bier fragt nicht, Bier versteht“ – das passt durchaus zu beiden Kulturen.

Skoda-Chef Klaus Zellmer mit HfWU-Studierenden
Auch dafür nahm sich der Škoda-Chef Zeit: Klaus Zellmer erläuterte den Studenten die "VISION 0" mit Perspektive. Und das mit Erinnerungsfoto.
© Foto: Skoda

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