Ausgabe 06/2009: Sonderkonjunktur

SonderkonjunkturZDK E Die Umweltprämie sorgt für einen konjunkturellen Boom und bremst die jahrelange Talfahrt. Gleichwohl befindet sich das Kfz-Gewerbe in einer Strukturkrise. Die Branche schrieb 2008 im Durchschnitt rote Zahlen. Von Frank SelzleDie Umweltprämie für Altautos hat dem deutschen Kraftfahrzeug-Gewerbe nach jahrelanger Talfahrt einen Boom verschafft. Die Bundesregierung habe einen „mittelstands- und umweltpolitischen Volltreffer für den Standort Deutschland“ gelandet, sagte der Präsident des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes, Robert Rademacher, am 10. März auf der Jahrespressekonferenz in München. Bisher gebe es rund 420.000 mit der Prämie hinterlegte Kaufverträge; für dieses Jahr könne man daher die bisherige Prognose von 2,8 Millionen Neuzulassungen auf gut drei Millionen anheben. Der ZDK schätzt, dass durch die Abwrackprämie etwa 400.000 Neuwagen zu einem Durchschnittspreis von 12.000 Euro und 200.000 Jahreswagen zu einem Durchschnittspreis von 16.500 Euro verkauft werden. Da sich viele Kunden dank der Prämie statt für einen Gebrauchten im Privatmarkt für einen Jahres- oder Neuwagen mit Umweltprämie entschieden, handele es sich um zusätzliche Mehrwertsteuereinnahmen für den Staat, so Rademacher. Wie hoch diese seien, könne aber derzeit noch nicht gesagt werden. Rademacher wiederholte seine Forderung an die Politik, die Deckelung des Fördertopfes aufzuheben und lediglich die zeitliche Befristung bis Jahresende bestehen zu lassen. „Warum sollte ein derart erfolgreiches Produkt wie die Umweltprämie [...] vorzeitig vom Markt genommen werden? Zudem doch der in der Politik recht seltene Fall entstanden ist, dass sich dieses Konjunkturprogramm nahezu selbst rechnet.“ Es werde nach Auslaufen der Prämie zwar eindeutig eine Delle geben, ein tiefes Loch befürchtet man aber nicht. „Wir werden ein normales Leben nach der Umweltprämie haben“, so der Verbandspräsident.Gesamtumsatz bleibt stabilDer Gesamtumsatz 2008 (NW, GW, Service) blieb mit einem leichten Minus von 0,15 Prozent bei 129,5 Milliarden Euro relativ stabil. Dies, so Rademacher, sei darauf zurückzuführen, dass der Gebrauchtwagenhandel einen kräftigen Zuwachs von rund 16 Prozent (1,3 Milliarden Euro) erlebt habe. Der Umsatzrückgang im Neuwagengeschäft sei vergleichsweise gering – trotz eines Zulassungsminus und eines um 1,2 Prozent geringeren Durchschnittspreises. Schlimmer traf es das Nutzfahrzeuggeschäft, das erheblich zurückgegangen sei, am Jahresende gar einen „regelrechten Absturz“ erlebt habe. Der Pkw-Neuwagenpreis kletterte laut Verband in Westdeutschland auf durchschnittlich 26.750 Euro (+1 Prozent), in den neuen Bundesländern rutschte er um 3,1 Prozent auf 21.310 Euro. aIm Gegensatz zum Verkauf erlebte das Servicegeschäft eine überraschende Entwicklung, so Rademacher. Zwar habe sich der Verdrängungswettbewerb verschärft, doch die Zahl der Service-Aufträge 2008 habe unerwartet um rund eine Million auf 72,5 Millionen zugelegt. Tiefstwerte im HandelsgeschäftDie Gesamtsituation im Kfz-Handel allerdings bleibt geprägt von einer tiefen Strukturkrise. Laut Rademacher hat die Bilanz für 2008 „neue Tiefstwerte erreicht“. So zählt der Verband nur noch 39.100 Unternehmen im deutschen Kraftfahrzeuggewerbe, 650 weniger als noch 2007. Erstmals, betonte Rademacher, habe die Branche bei der durchschnittlichen Rendite rot geschrieben: „Der Korridor von minus 0,2 bis minus 0,5 Prozent vor Steuern zeigt, wie dramatisch die Lage geworden ist.“ Während es den Herstellern in den letzten Jahren gelungen sei, ihre eigenen Gewinne eindrucksvoll zu erhöhen, hätten sie nichts wirklich Durchgreifendes unternommen, um auch die Rendite ihrer Partner zu verbessern, sagte Rademacher. „Die wirtschaftliche Situation im Autohandel hat ein historisches Tief erreicht. Und das bei einem normalen Gesamtmarkt-Niveau! Also nicht vor dem Hintergrund eines Krisenszenarios.“ Nach rund 1.100 Insolvenzen im vergangenen Jahr müsse sich die Branche auch 2009 mindestens auf dieses Niveau einstellen, sagte Rademacher. Zugleich gehe der Strukturwandel weiter. Vor allem kleinere Unternehmen stünden unter Druck, weil sie in der Finanz- und Wirtschaftskrise nur schwer an Kredite für Investitionen kommen.Neues GeschäftsmodellDie Diskussionen über neue Geschäftsmodelle sind unterdessen in den einzelnen Marken-Familien bereits in Gang gekommen. Es gebe einen gemeinsamen Willen aller Fabrikatsverbände in dieser grundsätzlichen Frage, erklärte Rademacher. Konkrete Ergebnisse gebe es noch keine. „Die Gespräche laufen zäh“, räumte der Verbandspräsident ein. Als Eckpunkte für die Gestaltung eines neuen Geschäftsmodells nannte Rademacher: kalkulierbare Margen- und Bonussysteme, ein Herunterfahren der mit dem Automobilhandel konkurrierenden Direktverkäufe der Hersteller, eine frühzeitige Anpassung der Produktionsmengen an die zu erwartende Nachfrage sowie eine Optimierung der Vertriebs- und Servicenetzstruktur. Zu Leasinggeschäften sagte Rademacher, das Risiko bei Leasingrückläufern solle der Hersteller tragen. Allerdings sei es nicht einfach, das durchzusetzen. Die überzogenen Restwerte führten zu existenziellen Gefahren für Autohändler: „Das haut den stärksten Gaul um.“ Allerdings müsse das Thema markenindividuell betrachtet werden. Rademacher verwies darauf, dass sich etwa Opel bereits an den Restwertrisiken beteilige. Dass Opel-Händler Geld in den kriselnden Hersteller investieren wollen, bezeichnete der ZDK-Präsident als sehr gute Idee und ein Zeichen von Solidarität. Auch eine Staatshilfe für Opel wäre „kein Sündenfall“, sondern volkswirtschaftlich wünschenswert: „Opel ist lebensfähig.“ Neben den Mitarbeitern bei Hersteller und Zulieferern seien auch rund 4.000 europäische Handelsunternehmen mit ihren Mitarbeitern betroffen. Eine interimistische Beteiligung von Bundesländern mit Opel-Standorten könnte helfen, Opel als rein deutsche Gesellschaft zu erhalten. Die Länder könnten sich nach drei bis fünf Jahren – möglicherweise mit Gewinn – aus dem Unternehmen zurückziehen. zLesen SIe hier...... wie die Branchenbilanz 2008 ausfällt, wie der ZDK diese bewertet und wie die Umweltprämie für eine frühlingshafte Sonderkonjunktur im Autohandel sorgt.KurzfassungDie staatliche Umweltprämie hat eine Sonderkonjunktur ausgelöst, die alle Erwartungen übertroffen hat. Die bisher rund 420.000 hinterlegten Förderanträge sorgen für gute Stimmung in der Branche. Allerdings wird die Freude durch den Blick auf die Bilanz 2008 getrübt. So blieb im vergangenen Jahr zwar der Gesamtumsatz stabil, die Branche rutschte aber mit einer durchschnittlichen Rendite von minus 0,2 bis minus 0,5 Prozent vor Steuern in die roten Zahlen. Die Anzahl der Betriebe sank um 650 auf nunmehr 39.100. Ein immer größer werdendes Risiko stellen die weit überhöhten Restwerte der zurückkommenden Leasingfahrzeuge dar.

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