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Verkaufspläne für Niederlassungen: "Mercedes an stabilen unternehmerischen Gebilden interessiert"

23.01.2024 10:03 Uhr | Lesezeit: 4 min
Verkaufspläne für Niederlassungen: "Mercedes an stabilen unternehmerischen Gebilden interessiert"
Prof. Stefan Reindl ist seit 2018 wissenschaftlicher Direktor und CEO des Instituts für Automobilwirtschaft (IfA) an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen-Geislingen.
© Foto: IfA Institut für Automobilwirtschaft

Mit der Ankündigung, den Verkauf seiner konzerneigenen Autohäuser zu prüfen, sorgte der Autobauer Mercedes in der vergangenen Woche für einen Paukenschlag. Branchenexperte Prof. Stefan Reindl ordnet die Situation ein.

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Wie ist die Ankündigung von Mercedes-Benz, alle Niederlassungen hinsichtlich einer etwaigen Veräußerung auf den Prüfstand zu stellen, einzuordnen?

Prof. Stefan Reindl: Bereits während der vergangenen Jahre hat sich Mercedes-Benz – zeitlich versetzt und zuletzt 2015 in großem Umfang – von Niederlassungsbetrieben getrennt. Die Verantwortlichen im Mercedes-Vertrieb beteuern zwar, dass der Abverkauf rein strategische und nicht betriebswirtschaftliche Gründe hatte und nunmehr habe, allerdings ist dies zu bezweifeln. Viele ehemalige Niederlassungen sind wohl in den Händen der Händler profitabler als unter dem Dach des Konzerns. Dies gilt aber nicht für alle bereits veräußerten Betriebe. Besonders einige strategisch bedeutsame Standorte wie die Niederlassung am Salzufer in Berlin sowie die Münchener Niederlassung in der Arnulfstraße dürften potenzielle Investoren aufgrund der ungünstigen Kostenstrukturen hinsichtlich der anzustrebenden Profitabilität vor große Herausforderungen stellen.

Welche Gründe könnten hinter der Ankündigung stecken?

Prof. Stefan Reindl: Die Niederlassungsnetze von Mercedes-Benz und BMW sind historisch gewachsen – und die Etablierung machte Sinn. Denn Niederlassungsbetriebe lassen sich hinsichtlich der Marktbearbeitung direkt steuern und kontrollieren, der Konzern hat also die maximale Einflussnahme. Darüber hinaus ließen sich etwaige Systeminstabilitäten, die sich aus einer Abhängigkeit von Händlern ergeben konnten, vermeiden, ein direkter Kundenkontakt sowie die Kundendatengewinnung gewährleisten sowie die Markenpräsenz an teuren, aber strategisch bedeutsamen mit Flagship Stores sicherstellen. Angesichts der Einführung einer echten Agentur in Verbindung mit Online-Vertriebselementen und digitalen Ökosystemen sind solche strategischen Elemente zur Markt- und Absatzsteuerung mittels Niederlassungen nicht mehr so bedeutsam wie in der Vergangenheit, denn die Machtposition zur Steuerung und Kontrolle der Agenten als Absatzmittler hat der Mercedes-Vertrieb damit massiv ausgebaut. Aber, nicht nur aus diesen Beweggründen heraus sind die Überlegungen zur Veräußerung der Niederlassungen nachvollziehbar, denn die Personalkosten der rund 8.000 Mitarbeitenden sowie die weiteren Betriebskosten der Niederlassungen belasten die Kostenseite des Konzerns. Diese Ausgaben sind angesichts der neuen Ausgestaltung des Vertriebs vermeidbar. Darüber hinaus könnten sich durch die Aufhebung der Vorwärtsintegration personalintensiver Vertriebsstrukturen nachhaltig positive Effekte auf die Börsennotierung von Mercedes-Benz ergeben.

Wie könnte der Abverkauf der Niederlassungen vollzogen werden?

Es ist nicht davon auszugehen, dass alle rund 60 Niederlassungsstandorte an einen Investor veräußert werden. Dies würde einerseits zu einer großen Abhängigkeit führen. Andererseits wären die Herausforderungen bezüglich der aufzubringenden finanziellen Mittel, aber auch im Hinblick auf die unternehmerischen Anforderungen an die Steuerungs- und Führungskompetenzen enorm. Vielmehr wird Mercedes-Benz an stabilen unternehmerischen Gebilden interessiert sein, um den Bestand der strategisch wichtigen Standorte abzusichern. Insofern ist von einem stufenweisen Prozess der Veräußerung auszugehen, die auch eine sorgfältige Prüfung potenzieller Investoren beinhalten wird.

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KOMMENTARE


Erwin Tischler

23.01.2024 - 00:00 Uhr

Als ehemaliger Mitarbeiter einer Mercedes Niederlassung, Industriekaufmannslehrling, Nachwuchsverkäufer, PKW-Verkäufer in einer Niederlassung, Assistent der PKW- und LKW-Verkaufsleitung und Leiter Verkaufsaußendienst in 2 Niederlassungen und späterer PKW-Verkaufsleiter in einer Mercedes-Benz Vertretung kann ich nur empfehlen, wenigstens die 4 größten Niederlassungen Berlin, Hamburg, Frankfurt und Stuttgart zu behalten. Berlin, weil Bundeshauptstatt und Regierungssitz. Hamburg, weil Tor zur Welt und Export. Frankfurt, weil vielleicht bald wieder IAA. München, weil IAA und was Berlin für den Norden ist, ist München für den Süden! Ich halte es für sehr wichtig, dass der Konzern auch noch den direkten Kontakt zum Kunden hält und nicht nur auf Informationen der Absatzmittler angewiesen ist. Damit ist die Daimler-Benz AG und die späteren Nachfolgegesellschaften 138 Jahre gut gefahren - und das hatte seine guten Gründe!


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