Aufinity Group: Vom Start-up zum Player

AH: Herr Diener, die Aufinity Group hat sich als Fintech auf den Automotive-Bereich spezialisiert. Warum diese Branche? L. Diener: Weil hier besonders viele Zahlungsarten und Prozesse aufeinandertreffen. Das reicht von großen Summen bei Barkauf und Finanzierung bis hin zu kleineren Beträgen einer Werkstattrechnung. Dazu gibt es hier sämtliche Zahlungsarten wie Online, Offline, am Point of Sale, per Smartphone, Ratenzahlung. Im Autohandel sind in dem Bereich außerdem noch sehr wenige Prozesse automatisiert. Deshalb wollten wir das Forderungs- und Zahlungsmanagement nicht nur vereinfachen, sondern komplett neu denken. AH: Sie haben kürzlich eine Finanzierungsrunde über 23 Millionen Euro abgeschlossen. Was bedeutet das für Ihr Unternehmen? L. Diener: Das ist ein großer Vertrauensbeweis sowohl durch unsere bisherigen Investoren als auch den neuen Investor BlackFin Capital Partners. Die Finanzierungsrunde ist aber nicht nur ein wichtiger finanzieller Schritt, sondern auch eine Bestätigung unserer Strategie. Nachdem wir in Deutschland quasi zum Industriestandard gehören, möchten wir nun weiter in andere Märkte expandieren. AH: Das heißt, Europa ist jetzt das nächste große Ziel? L. Diener: Absolut. Unser Ansatz war von Tag eins an, einen europäischen Standard für Zahlungsmanagement im Autohaus zu schaffen. In Spanien und Italien sind wir mit dem System bereits seit einiger Zeit live und haben lokale Teams aufgebaut. AH: Weshalb genau diese Länder? L. Diener: Spanien und Italien boten sich aus zwei Gründen an: Zum einen hatten wir dort bereits potenzielle Kunden, die mit uns zusammenarbeiten wollten. Zum anderen gibt es dort ähnliche Herausforderungen wie in Deutschland, zum Beispiel in der Prozesslandschaft und der Zahlungsmethodik. AH: Welche Unterschiede sehen Sie zwischen den Märkten? L. Diener: Im Prinzip sind die Prozesse sehr vergleichbar. Unterschiede gibt es vor allem auf kultureller Ebene. In Spanien etwa funktioniert Kundenkommunikation anders als in Deutschland. Deshalb setzen wir auf regionale Teams für Marketing und Vertrieb. Die globalen Funktionen der Plattform, die IT, Customer Service und Operations werden aber weiterhin von Deutschland aus gesteuert. AH: Kommen wir zurück zur Plattform selbst. Was unterscheidet bezahl.de von einem klassischen Payment-Anbieter? L. Diener: Wir sind keine reine Bezahlplattform. Unser Anspruch ist es, den Order-to-Cash-Prozess im Autohaus zu beschleunigen. Das geht von der Zahlungsabwicklung on- oder offline bis hin zur Verbuchung. Dafür bauen wir Schnittstellen zu bestehenden Systemen wie dem DMS, dem CRM und der Buchhaltung. So können wir offene Forderungen erkennen und den Mitarbeitern einen schnellen Überblick verschaffen. Ein klassischer Payment-Anbieter liefert im Zweifel nur den Bezahllink. Wir hingegen liefern Prozessintelligenz. AH: Stichwort Mahnwesen: Wie genau reduzieren Sie dort Außenstände? L. Diener: Viele Prozesse im Autohandel geschehen hier noch per Hand. Da werden Mahnlisten ausgedruckt und per E-Mail verschickt oder intern verteilt. Das ist fehleranfällig und vor allem aufwendig. Unsere Plattform kennt den Status jeder Forderung und steuert den Mahnlauf entsprechend. Es kann festgelegt werden, wann, wie und auf welchem Kanal, zum Beispiel per E-Mail oder per Brief erinnert wird. Die Händler können individuelle Zyklen definieren und sogar die Tonalität der Zahlungserinnerung einstellen. Wenn etwas geklärt werden muss, kann der Mahnprozess pausiert werden, mit einem automatischen Wiedereinstieg nach X Tagen. AH: Welche Auswirkungen hat das konkret? L. Diener: Im Service, wo viele kleine Rechnungen entstehen, macht das einen großen Unterschied. Dort gibt es weniger große Außenstände, aber eine Vielzahl kleiner Beträge, die sich schnell summieren. Diese möglichst zeitnah zu klären, spart bares Geld und reduziert den Verwaltungsaufwand enorm. AH: Und im Vertrieb? L. Diener: Im Vertrieb wiederum berichten unsere Kunden, dass die Anzahlung, der Barkauf oder die Sonderzahlung durch die Kunden nun deutlich schneller erfolgt. Bei einem Working-Capital-Zins von rund sechs Prozent sorgt das für einen spürbaren Liquiditätsvorteil. Durch frühere Zahlungseingänge und effizientere Abläufe sparen Autohäuser pro Standort jährlich bis zu fünfstellige Summen. AH: Wie aufwendig ist die Integration? L. Diener: Wir sind systemunabhängig. Wenn Schnittstellen vorhanden sind, ist das natürlich ideal. Wenn nicht, haben wir eigene Wege, um an die benötigten Daten zu kommen. Wir haben spezielle Formate für Buchhaltungssysteme, eigene Dashboards und Alerts per E-Mail. Da richten wir uns ganz nach dem Händler. Viele Kunden können innerhalb weniger Wochen mit bezahl.de starten, ohne dass daraus ein großes IT-Projekt wird. AH: Auch die Werkstatt scheint inzwischen ein Schwerpunkt zu sein! L. Diener: Auf jeden Fall. Dort entstehen wesentlich mehr Rechnungen als im Fahrzeugverkauf. Dafür haben wir auch ein neues Produkt eingeführt. So mancher Werkstattkunde möchte oder kann eine hohe Rechnung nicht auf einmal bezahlen. Damit er sich nicht "outen" muss, haben wir ein Buy-Now-Pay-Later-Angebot eingerichtet. So kann der Kunde eine hohe Rechnung in drei bis 24 Raten zahlen, ohne dass der Servicemitarbeiter einen eigenen Vertrag aufsetzen muss. Der Händler erhält den gesamten Betrag von uns sofort. Und alle gewinnen. AH: Welche weiteren Funktionen bieten Sie mit bezahl.de? L. Diener: Neben dem Mahnwesen decken wir nun auch das Schadenmanagement ab. Besonders die Zuordnung einer offenen oder bereits bezahlten Selbstbeteiligung ist im Autohaus aufgrund der fehlenden digitalen Prozesse oft nicht leicht. Wir erkennen, was sowohl der Kunde als auch die Versicherung zahlen muss, erstellen einen Zahlungsplan und geben Rückmeldungen an das jeweilige Schadenportal des Händlers. Auch bei der Geldwäscheprävention helfen wir: Wir prüfen Zahlungen auf gesetzliche Plausibilität, etwa wenn jemand aus dem Ausland für einen deutschen Kunden bezahlt. Das kann die Händler vor Strafen schützen. Und die können in schweren Fällen bis zu einer Million Euro betragen. AH: Was ist Ihre langfristige Vision? L. Diener: Unser Ziel ist es, sämtliche Zahlungsvorgänge im Autohaus über unsere Plattform zu managen. Egal, ob es dabei um Barkäufe, Finanzierungen, Leasingraten oder Großkundenrechnungen geht. Es geht nicht darum, das Geld selbst von den Banken einzuziehen, sondern den Status jeder Zahlung in Zukunft übersichtlich darzustellen. AH: Spielt künstliche Intelligenz da in der Zukunft auch eine Rolle? L. Diener: Auf jeden Fall. KI wird sowohl zur Effizienzsteigerung in unseren internen Prozessen fortlaufend bewertet, als auch für Chancen in Richtung unserer Plattform wie zum Beispiel automatisierte Erstellung von Forderungen durch Auslesen von Dokumenten und intelligente Reports für Händler. Grundsätzlich greift KI aber noch nicht in den Kern unseres Produktes ein, da sie bei Zahlungsflüssen und sensiblen Daten noch zu ungenau ist. Wir sind in einem Geschäftsbereich unterwegs, in dem verschiedene Zahlungsströme gemanagt werden und in den viele regulierte Partner integriert sind. Für unterstützende Prozesse wird KI aber definitiv eine große Rolle auch bei uns spielen. AH: Vielen Dank für das Gespräch!