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Arbeitskreis I: Vernunftorientierte Hinterfragung der Pauschalkeule "Fahrverbot"

23.08.2022 04:56 Uhr | Lesezeit: 4 min
"In geeigneten Fällen" soll ein Fahrverbot auch auf Bewährung möglich sein und Rechtsfolgen künftig "mehr an den Bedürfnissen der Verkehrssicherheit" ausgerichtet werden, empfiehlt der 60. Verkehrsgerichtstag von Goslar.

Das Thema "Angemessene Rechtsfolgen im Ordnungswidrigkeitenrecht" des AK I ließ bereits im Vorfeld erahnen, dass der im Herbst 2021 geänderte Bußgeldkatalog kritisch hinterfragt werden könnte. Letztlich kam es auch so.

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"Wenn eine Verhaltensveränderung auch erreicht werden kann, ohne dass ein Fahrverbot ausgesprochen werden muss, führt dies zu einer Entlastung der Betroffenen, Behörden und Gerichte bei gleichzeitiger Verbesserung der Verkehrssicherheit. Der Arbeitskreis wird Möglichkeiten und Ausgestaltungen einer solchen Option unter verschiedenen Aspekten diskutieren sowie die Änderung des Bußgeldkataloges vom Herbst 2021 kritisch würdigen": So war die Thematik für den AK I bereits vorab angekündigt worden – man durfte auf die Diskussionen und Ergebnisse gespannt sein.

Der AK I wurde geleitet von RA Gerhard Hillebrand, Vorsitzender der ARGE Verkehrsrecht im DAV und ADAC Verkehrspräsident, Kanzlei Steinbach & Partner GbR (Neumünster). Die unterschiedlichen Positionen für die Beratung des AK brachten ein: Dr. Alessandro Bellardita, Richter am Amtsgericht Karlsruhe, hauptamtlicher Dozent an der Hochschule für Rechtspflege Schwetzingen, Ulrich Chiellino, Dipl.-Psych., Leiter Verkehrspolitik des ADAC e.V. (München), RA Ralph Gübner, Kanzlei "Die Anwälte" (Kiel) und Timo Payer, Präsident des Bayerischen Polizeiverwaltungsamtes (Straubing).

Die Fragestellungen zum Status quo

Der AK I ging durchaus kritisch mit den heutigen Rechtsfolgen um und ging mit diesen Vorab-Überlegungen in die zweitägige Beratung:

Geldbußen und Fahrverbote sollen nach aktuellem Stand ein Fehlverhalten im Straßenverkehr angemessen sanktionieren und – zusammen mit dem Punktsystem – Einfluss auf das zukünftige Verhalten nehmen. In der Praxis werde dann meist um das Fahrverbot gestritten, was nicht nur die Betroffenen belaste, sondern auch Behörden und Gerichten viel Arbeit bereite. Allenfalls bei entsprechendem Verteidigungsvortrag werde heute noch geprüft, ob es eines Fahrverbots zur Verhaltensänderung überhaupt bedürfe.

Dies führte die AK-Teilnehmer zur Fragestellung, ob diese "Denkzettelfunktion" auch – oder sogar besser – durch verkehrspsychologische Interventionsprogramme erreicht werden könne, sodass (aufteilbare) Fahrverbote nur hilfsweise auf Bewährung oder nur gegen Mehrfachtäter verhängt werden müssten?

Hinterfragt wurde ferner: Was sind überhaupt die Ursachen für Verkehrsverstöße und wie kann bei auffällig Gewordenen das Regelverständnis verbessert werden? Wären verbindliche Zumessungskriterien besser als der bundeseinheitliche Bußgeldkatalog geeignet, um der regionalen Ungleichbehandlung bei der Verhängung von Fahrverboten zu begegnen und so die Einzelfallgerechtigkeit zu verbessern? Welche Folgen hat die jüngste Änderung des Bußgeldkataloges für die Verkehrssicherheit und die Rechtsanwender? Welche Konsequenzen sollten für die Verwarnungs- und Eintragungsgrenze gezogen werden?

Sinnhafte Empfehlungen an den Gesetzgeber

Am Ende der beiden Beratungstage fasste der Arbeitskreis I folgende Resolution, die dem Gesetzgeber aufgegeben wird, idealerweise zu übernehmen:

1. Eine verkehrspsychologische Maßnahme und andere (vergleichbare) Interventionen zur Verhaltensänderung als Alternative zu dem bestehenden Instrumentarium (Geldbuße und Fahrverbot) sollen gestärkt werden.

2. Der Gesetzgeber wird aufgefordert, einen Regelungskatalog für ein Absehen vom Fahrverbot zu erstellen. Neben Maßnahmen zur Verhaltensänderung sind dabei insbesondere berufliche, familiäre und finanzielle Aspekte zu würdigen. Dies führt zu einer bundeseinheitlichen Gleichbehandlung. Gleichzeitig wird durch die höhere Akzeptanz eine Entlastung der Justiz erreicht.

3. In geeigneten Fällen soll ein Fahrverbot auch auf Bewährung ermöglicht werden.

4. Der Arbeitskreis hält es für erforderlich, die vorhandenen Widersprüche im Bußgeldkatalog durch eine inhaltliche Überprüfung zu beseitigen und die Rechtsfolgen mehr an den Bedürfnissen der Verkehrssicherheit auszurichten.

5. Bisher regelkonformes Verhalten soll bei einem erstmaligen Verkehrsverstoß im Rahmen der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt werden.

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