Assekuranzen und Sozialversicherungsträger gleichermaßen greifen bei internationalen Schadenfällen gerne auf externe Profis zurück, um berechtigte Ansprüche durchzusetzen und unberechtigte Forderungen abzuweisen.
Eine polnische Beamtin, die auf der österreichischen Skipiste von einem US-Amerikaner übersehen und beim folgenden Zusammenprall schwer verletzt wird – was sich auf den ersten Blick wie ein konstruierter Fall aus dem Juraexamen anhört, ist häufiger Realität als viele glauben. Da es in der Folge solcher Ereignisse unter anderem um Schmerzensgelder, Verdienstausfall, nicht gezahlte Rentenbeiträge und Regressforderungen geht, gestaltet sich die Regulierung oft komplex. Rettungskräfte, Versicherungen, Sozialversicherungsträger und Behörden müssen kommunizieren und ihre Ansprüche klären. Kein Wunder, dass es spezialisierte Dienstleister gibt, die sich um solche Fälle kümmern. Eine der ältesten Spezialfirmen, die zu den Top 3 Europas gehört, ist die 1960 im österreichischen Linz gegründete AVUS. Die Spezialisten der AVUS Group sind in mehr als 25 Ländern mit eigenen Gesellschaften vertreten und weltweit aktiv. Längst kümmern sich die Regulierungsexperten nicht mehr nur um Kfz-, sondern auch Sach- und Personenschäden.
Im Interview mit AUTOHAUS stellten die Präsidiumsmitglieder des AVUS Group Managements, Dr. Georg Dirschmid, Mag. Josef Schörghuber und Udo Rosebrock die aktuelle Strategie ihres Unternehmens vor:
Ende vergangenen Jahres ist eine Ära bei der AVUS zu Ende gegangen. Der langjährige Unternehmenschef Dr. Dieter Pscheidl verabschiedete sich in den Ruhestand. Was hat sich seitdem getan?
Dr. G. Dirschmid: Es hat sich Einiges geändert. Die bisher bestehende Familienkultur wurde den aktuellen Marktgegebenheiten angepasst, die Organe in den Gesellschaften der Gruppe wurden institutionalisiert. Die Zuständigkeiten auf Ebene des Verwaltungsrates und der Geschäftsführungen sind zudem klarer definiert. Eingeleitet haben wir diese Regelungen im November 2015. Aufgrund des seitdem vergangenen, vergleichsweise kurzen Zeitraums ist noch keine abschließende Beurteilung möglich – aber ich sehe das Unternehmen und die ganze Gruppe auf einem sehr guten Kurs, das Auftragsvolumen steigt.
J. Schörghuber: Es ist auch nicht so, dass mit allen Traditionen gebrochen wurde. Dr. Dieter Pscheidl fungiert nach wie vor als Geschäftsführer diverser AVUS-Gesellschaften und ist im Advisory Board des Group Managements tätig. Mag. Dieter Pscheidl sitzt – gemeinsam mit Mag. Beate Kadletz, Erwin Pichler und Mag.Bernhard Pucher – im Verwaltungsrat der AFES AG und ist auf strategischer Ebene nach wie vor voll dabei.
Spartenübergreifende Expertise
Wurde auch die strategische Ausrichtung angepasst?
Dr. G. Dirschmid: Wir konzentrieren uns nach wie vor auf internationale Regulierung von Schäden für Geschäftskunden wie Assekuranzen oder Rückversicherungen. Allerdings haben wir unseren Focus verbreitert und versuchen, diese Unternehmen noch besser zu unterstützen. Dabei versuchen wir, möglichst alle Sparten abzudecken und uns unabhängiger vom Kfz-Geschäft aufzustellen. In vielen Fällen ereignet sich eine Kombination aus Sach- und Personenschäden, die langwierige Prozesse nach sich ziehen. Auf diesem Gebiet gehören wir zu den Top-Dienstleistern in Europa.
Bekommen Sie in der Praxis vor allem die komplexen Fälle übertragen, in denen die Versicherungsgesellschaften selbst nicht mehr weiterkommen?
U. Rosebrock: Dies kommt in der Tat vor und dafür sind wir dankbar. Wir erkennen die neuen Möglichkeiten und stellen uns darauf ein. Es wäre aber auch falsch, die AVUS Group als letzten Ausweg wahrzunehmen und nur im Notfall einzuschalten. Ganz im Gegenteil haben viele Versicherungen erkannt, dass auch einfachere Fälle billiger zu regulieren sind, wenn wir von Beginn an eingeschaltet werden.
Dr. G. Dirschmid: Was klar zunimmt, sind Regresse für Sozialversicherungsträger, etwa Rentenkassen oder Krankenversicherungen. Einerseits haben die Verantwortlichen den Bedarf erkannt, ihre Ansprüche von Experten vertreten zu lassen. Immerhin verwalten sie Steuergelder und sind angehalten, diese optimal einzusetzen. Auf der anderen Seite gehen wir aktiv in den Markt, halten entsprechende Vorträge und sensibilisieren die zuständigen Behörden. Lange Zeit galt es als unrentabel, Forderungen im Ausland
zu verfolgen. Dies haben wir aktiv geändert und dabei von entsprechenden Gesetzesänderungen profitiert,die Regressmöglichkeiten geschaffen haben. In diesem Bereich sind wir inzwischen so stark aufgestellt, dass wir kaum Expertise von außen hinzuziehen müssen.
Globale Partnernetzwerke
Welche Ausmaße kann ein Unfall im Ausland für die hiesigen Behörden annehmen?
J. Schörghuber: Die von uns betreuten Schadenfälle sind in der Tat oft sehr komplex, vor allem wenn verschiedene Nationalitäten verwickelt sind: Der deutsche Tourist wird in Ungarn von einem spanischen Autofahrer verletzt, die US-Amerikanerin in Österreich von einem Polen in einen Skiunfall verwickelt. Man muss diese Szenarien nicht am Reißbrett entwerfen, sie kommen im realen Leben vor!
Dr. G. Dirschmid: Schmerzensgeldforderungen, Krankenrücktransporte oder Behandlungskosten sind dabei oft nur der Anfang. Denken Sie an Themen wie Berufsunfähigkeit bei gut verdienenden Zahnärzten oder Anwälten. Hier sind nicht nur Verdienstausfälle zu klären, sondern auch ausbleibende Einzahlungen in die Rentenkassen. Wenn ein junger Manager schwer verunfallt, sind wir oft bei jahrzehntelangen Zahlungen im siebenstelligen Bereich.
Welche Vorteile bieten Sie Ihren Kunden?
U. Rosebrock: Wir sind durch unsere langjährige Erfahrung befähigt, auch komplexe Fälle zur vollen Zufriedenheit unserer Auftraggeber komplett abzuwickeln. Die AVUS Group ist immer auf dem neuesten Stand in Sachen aktuelle Rechtsprechung. Zudem können wir neben einer Vielzahl eigener Dependancen in Europa auch auch in Übersee auf ein starkes Netzwerk von Partnern und Gutachtern zurückgreifen. Hier ergeben sich Synergien, da auch Amerikaner oder Australier hier in Europa verunfallen und ihre Versicherungen entsprechende Ansprüche oder Regressforderungen geltend machen wollen. Von der Telefonberatung über die Beschaffung von Polizeiprotokollen bis zur Entscheidung über den bestmöglichen Gerichtsstand und die Vertretung vor Ort übernehmen wir alle nötigen Aufgaben. Für kleinere Gesellschaften übernehmen wir auf Wunsch Netzwerkaufgaben in allen EWR-Ländern und der Schweiz, um Lizenzauflagen zu erfüllen. Wir untermauern dabei unsere Kooperationen mit wasserdichten Verträgen in Sachen Compliance und Datenschutz.
Dr. G. Dirschmid: Wir sind in der Lage, berechtigte Ansprüche durchzusetzen und unberechtigte Forderungen abzuwehren. Dies wissen unsere Kunden in der Tat zu schätzen. Sehen Sie sich um, heute Abend sind 120 Gäste hier in Goslar bei uns erschienen – die kommen nicht wegen des guten Essens. Qualität ist seit jeher eines unserer Merkmale. Sie wird heutzutage erwartet und zur Kenntnis genommen, genauso aber fällt auf, wenn sie fehlt. Dann wird auch in unserem Geschäft, das auf persönlichen Kontakten, langjähriger Erfahrung und vor allem gegenseitigem Vertrauen basiert, gewechselt.
Vorteile durch Europa
Wenn Sie an die Entwicklung der letzten Jahre denken, wie hat sich die internationale Schadenregulierung entwickelt? Welche Veränderungen wünschen Sie sich etwa von Gesetzgeberseite?
Dr. G. Dirschmid: In der Tat hat das Europarecht für Unfall- und Verkehrsopfer eine ganze Menge getan. Die Einführung einheitlicher Vorschriften und Richtlinien erleichtert uns die Arbeit, während früher jede Nation das sprichwörtliche eigene Süppchen gekocht hat. So ist es inzwischen möglich, je nach Fall den günstigsten Gerichtsstand auszuwählen, um die eigenen Ansprüche optimal umzusetzen. Auch muss die Anerkennung eines einmal gefällten Urteils im Vollstreckungsland nicht mehr durchgefochten werden, was in der Vergangenheit oft genauso lang dauerte wie der ursprüngliche Prozess.
J. Schörghuber : Wünschenswert wäre aus unserer Sicht die Einführung einer unparteiischen Schadenregulierung nach Vorbild des anglo-amerikanischen Third Party Loss Adjusting. Auch mehr Druck derAufsichtsbehörden auf zahlungssäumige Versicherer wäre aus unserer Sicht zum Vorteil der Geschädigten.
Vielen Dank für dieses informative Gespräch.
Fakten zur AVUS Group
- gegründet 1960 in Linz
- Dienstleistungen im Bereich Schadenabwicklung und weltweite Serviceleistungen
- bisher in mehr als 150 Ländern aktiv
- mehr als 300 Schadenexperten
- mehr als 800 Kunden aus (Rück-)Versicherungswirtschaft und Sozialträgern
- 25 Niederlassungen
- mehr als 100 Kooperationspartner weltweit (kt)