Teile & Zubehör: Inventur ohne Bestandsdifferenzen

Nach § 240 Abs. 1 und 2 HGB ist jeder Kaufmann verpflichtet, zu Beginn seines Handelsgewerbes und für den Schluss eines jeden Geschäftsjahres ein Inventar aufzustellen. Diese handelsrechtliche Verpflichtung wird durch § 140 AO (Abgabenordnung) in das Steuerrecht übernommen und durch § 141 AO auf einen größeren Personenkreis ausgedehnt. Ein Inventar ist ein umfassendes Bestandsverzeichnis, in dem alle Vermögensgegenstände und Schulden eines Kaufmanns nach Art, Menge und Wert einzeln aufgezeichnet sind. Um ein solches Verzeichnis aufstellen zu können, ist es notwendig, zuvor die Bestände aufzunehmen, d. h. eine Inventur durchzuführen. Inventur ist Chefsache! Um es gleich vorwegzunehmen: Die Durchführung der Inventur ist Chefsache und nicht die alleinige Verantwortung des Teiledienstleiters oder Teileverantwortlichen! Ihn haben Kolleginnen und Kollegen des Autohauses aktiv zu unterstützen! Eine Inventur, die der T&Z Leiter während des Tagesgeschäftes und dann auch noch alleine durchführt, ist erstens nach deutschem Handelsrecht nicht statthaft und wird zweitens ganz sicher nicht die Warenbestände korrekt widerspiegeln. Die Erfahrung zeigt, dass dies eine von vielen Ursachen für Differenzen ist, die in unserer Praxis teilweise exorbitante Höhen annehmen (10 % und mehr vom Bestandswert). Was ist dabei alles zu beachten? Auch dazu gibt das Handelsrecht sowie einschlägige Literatur (Reiner Quick, "Inventur") eindeutige Anweisungen, wie die körperliche Bestandsaufnahme abzulaufen hat und wie die Inventur schließlich zu dokumentieren ist. Immerhin ist der Wert des Teilelagers ein erheblicher Bilanzposten, so dass allein schon bei der Bestandsaufnahme größtmögliche Sorgfalt sicherzustellen ist. Aus unserer Praxis wissen wir, dass in sehr vielen Autohäusern diesen Grundregeln der Durchführung der Inventur kaum Beachtung geschenkt wird. Erstaunlicherweise interessieren sich nach unseren Erfahrungen auch viele Steuerberater nicht dafür, ob die Bestandsaufnahme korrekt und nach handelsrechtlichen Gesichtspunkten erfolgt ist. "Irgendwie werden die Bestände schon passen ..." war der O-Ton eines Inhabers. Regeln, um Differenzen zu vermeiden Liegt andererseits nach erfolgter Zählung des Bestands ein fünfstelliger Fehlbetrag vor, wird der Fall auch für die Geschäftsleitung interessant. Wie konnte das passieren? Die Gründe dafür sind vielschichtig, daher nachstehend einige wichtige Regeln, die bei der Bestandsaufnahme unbedingt zu beachten sind, um Differenzen zu vermeiden und dem Handelsrecht zu genügen: 1. Beginnen Sie rechtzeitig zum Ende des Geschäftsjahres mit der Planung der Inventur. Stellen Sie sicher, dass der Teilevertrieb an diesem Tag ruht! Das Teilelager ist während der Bestandsaufnahme geschlossen, es dürfen keine Warenbewegungen stattfinden. 2. Gliedern Sie die Aufnahmegebiete in eindeutig voneinander abgegrenzte und gekennzeichnete Aufnahmebereiche nach örtlichen Kriterien wie unterschiedliche Räume, Stockwerke, Außenläger usw. Sie vermeiden damit u. a. die nicht statthafte Sprunginventur (das Wechseln der Aufnahmeorte eines Zählteams). Beachten Sie bei der Abgrenzung auch unterschiedliche Erlösarten (Originalteile, Zubehör, Reifen, Öle usw.). 3. Sorgen Sie für Ordnung und Sauberkeit im Teilelager! Die einzelnen Aufnahmebereiche müssen gut erkennbar gekennzeichnet sein. Beachten Sie Retouren-Ware, nicht vereinnahmte Ware oder noch zu liefernde Ware, die ggf. abgegrenzt werden müssen. 4. Erstellen Sie einen Zeitplan, der darüber Auskunft gibt, wann die Bestandsaufnahme - also das Zählen - beginnt und wann sie voraussichtlich beendet sein wird. 5. Erstellen Sie einen Personalplan: Wer ist der verantwortliche Inventurleiter? Wie setzen sich die Zählteams personell zusammen? Sie benötigen ferner einen Aufnahmeleiter für jeden Aufnahmebereich, der u. a. für die Abgrenzungen der unterschiedlichen Teilearten sorgt. Ferner ist (vorher!) festzulegen, wer Aus- und Eingang der Aufnahmeformulare ("Zähllisten") überwacht, wer Kontrollzählungen durchführt und schließlich wer die Zähllisten in die EDV eingibt. Beachten Sie bitte auch den Grundsatz der Funktionstrennung. 6. Stellen Sie sicher, dass den Zählteams alle erforderlichen Hilfsmittel wie Klemmbretter, Stifte, Kreide oder Klebepunkte usw. zur Verfügung stehen. 7. Vor der eigentlichen Bestandsaufnahme muss das Aufnahmepersonal mit den Formularen und den Werkzeugen/Hilfsmitteln vertraut gemacht werden. Die Zeiten für Ausgabe und Eingang der Zähllisten beim Aufnahme- bzw. Inventurleiter sind schriftlich festzuhalten. Beachten Sie bitte, dass die Eintragungen auf den Zähllisten urschriftlich sind und daher nicht mit Bleistift vorgenommen werden dürfen. Radieren, Rasieren oder Überschreiben von Eintragungen ist nicht zulässig, ebenso dürfen Eintragungen nicht unleserlich gemacht werden. Falsche Eintragungen sind so zu streichen, dass der ursprüngliche Eintrag leserlich bleibt. 8. Achten Sie unbedingt darauf, dass auch wirklich jedes Fach gezählt wird! Leider stellen wir immer wieder fest, dass Lagerfächer (mit Bestand) nicht aufgenommen werden, weil der Schreiber die Teilenummer nicht auf der Zählliste findet. Umgekehrt wird oft der Bestand eines Teils auf der Zählliste nicht aufgenommen, weil das Fach nicht zu finden ist. 9. Die gezählten Inventurlisten werden an den Inventurleiter zurückgegeben und dieser prüft, ob auch alle Listen zurückgekehrt sind. Ein gesondertes Team wird nun mit der Eingabe der gezählten Bestände in das DMS beginnen. Achten Sie darauf, dass eingegebene Zähllisten mit einem Stempel "EDV erfasst" versehen werden. Zu deren Abschluss ist damit die eigentliche Bestandsaufnahme zunächst einmal beendet. 10. Zum Ende des Geschäftsjahres sind nun alle gezählten Bestände mit den Zuund Abgängen zwischen Aufnahmetag und Ende des Geschäftsjahres zu saldieren. Hier kommt es vor allem auf korrekte Periodenabgrenzungen an! Ist für die Ware, die am 28. Dezember vereinnahmt wurde, die Rechnung des Lieferanten schon da? Sind bereits abgebuchte Warenrückgaben vor Ablauf des Geschäftsjahres gutgeschrieben? (um nur ein Beispiel zu nennen) Wir wissen aus xfach gemachter Erfahrung, dass hier eine Ursache für viele Inventurdifferenzen liegt. Wie hoch dürfen die Differenzen sein? Die Finanzbehörden haben hier branchenspezifische Werte. Während der SB-Einzelhandel bis zu 5 % an negativen Bestandsdifferenzen ausbuchen "darf", sieht das in anderen Branchen anders aus. Sollte allerdings der Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer die Unterschrift unter die Bilanz verweigern, ist definitiv der Grenzwert überschritten. Für den Teilehandel im Autohaus sollte der Wert auf keinen Fall 1 % überschreiten - und selbst dieser Wert sollte erklärt werden! Wir setzen als Grenzwert 0,5 % vom Inventurwert an. In jedem Fall sollten Sie jeder Inventurdifferenz nachgehen, dafür ist der Ertrag zu hart erwirtschaftet. Wo kommen die Differenzen her? Das "Zauberwort" heißt nach unserer Überzeugung "Bestandssicherheit". Nach unseren zahlreichen Analysen ergeben sich für uns zwei Hauptursachen: - Speziell der Warenausgang in Richtung eigene Werkstatt hat Lücken: Oft wird "vergessen", Verbräuche auch auf dem Kundenauftrag zu buchen - mit allen fatalen Folgen für das Teilegeschäft. - Kaum zu glauben, aber wahr: Auch Serviceberater sollen schon Teilebuchungen vom Kundenauftrag gelöscht haben, ohne dass die Teile ans Lager retourniert wurden! Natürlich gibt es eine Fülle weiterer Ursachen für unerwünschte Bestandsdifferenzen, die in der Summe jede für sich analysiert werden müssen, um zukünftige Differenzen zu vermeiden. Reden Sie daher aktiv mit Ihren handelnden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ganz häufig kennen Kolleginnen und Kollegen nicht die finanziellen Dimensionen, mit denen der T&Z Leiter agieren muss. Auch hier gilt - wie schon in Folge 2 beschrieben: Vernetzen Sie Ihre Fachbereiche im Aftersales über Ihr DMS und sorgen Sie dafür, dass nur ausgewählte Personen Buchungen auf dem Kundenauftrag korrigieren dürfen. Ferner gilt der Grundsatz: Keine Warenbewegung ohne Buchung im DMS! Ausnahmslos. Serie Teile & Zubehör Sind Ihre Bestände im Teilelager zu hoch? Sind Ihre obsoleten Teilebestände zu hoch? Ist Ihre Umschlagshäufigkeit < 4? Wenn Sie eine dieser Fragen mit Ja beantworten müssen, dann sollten Sie sie lesen, unsereSerie "Teile & Zubehör Warenbestände richtig managen!"Teil 1: Optimieren Sie Ihr Teilelager für höhere Erträge (AH 19/2015) Teil 2: Wie Sie obsolete Warenbestände abbauen und zukünftig vermeidenTeil 3: Führen Sie die Inventur ordnungsgemäß durch und vermeiden Sie BestandsdifferenzenTeil 4: Bewerten Sie Ihre Warenbestände korrekt Christian Vilmar ist seit 27 Jahren im Autohaus Business tätig, 10 Jahre davon in einer der damals größten Autohausgruppen, in der er zuletzt für 38 Standorte das Teilegeschäft verantwortete. Seit Ende der 90er Jahre ist er als Berater, Trainer und als Coach aktiv und heute Geschäftsführer der TGM automotive group (www.tgm.de). Christian Vilmar hat zahlreiche Bestandsanalysen in Autohäusern durchgeführt und kennt dieses Problemfeld deshalb aus dem Effeff.

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