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Alternative Antriebe: Wasserstoffautos kaum gefragt

18.06.2019 09:28 Uhr
Alternative Antriebe: Wasserstoffautos kaum gefragt
Gerade einmal 386 Wasserstofffahrzeuge sind in Deutschland laut Kraftfahrt-Bundesamt zugelassen.
© Foto: picture alliance/Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa

Auto fahren, ohne sich als Klimasünder zu fühlen? Geht mit einem Elektroauto, also einem Fahrzeug mit großer schwerer Batterie. Moment mal - es gibt noch eine andere Möglichkeit: Wasserstoffautos. Fachleute kommen ins Schwärmen, doch die Realität sieht ernüchternd aus.

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Von Johannes Neudecker/dpa

Es klingt nach einer Art Schlaraffenland in Sachen Mobilität. Man sei sauber und ohne Ausstoß von CO2-Emissionen oder Schadstoffen unterwegs, "bei gewohnt hoher Reichweite und einer Betankungszeit von wenigen Minuten" - so bewirbt der Gashersteller Air Liquide die Wasserstoffautos. An diesem Dienstag eröffnen die Franzosen mal wieder eine Tankstelle, an der Brennstoffzellen-Fahrzeuge Wasserstoff (H2) als Sprit bekommen. Doch Umweltexperten sind nicht begeistert, zudem gibt es ein großes Problem: Das Tankstationen-Netz in Deutschland hat große Löcher.

Dennoch: Unstrittig ist, dass die Brennstoffzelle Potenzial hat - und dies in gewissen Bereichen bereits abruft, in U-Booten wird sie beispielsweise schon seit Jahrzehnten eingesetzt. Ihre Umweltbilanz ist, wie in der Werbung von Air Liquide beschrieben, positiv - Wasserstoff wird in der Reaktion mit Sauerstoff zu Wasserdampf und Strom gewandelt. Ob H2-Autos auf lange Sicht aber für den Pkw-Massenmarkt taugen, das wird stark bezweifelt.

Im Vergleich zu konventionellen Elektroautos führen die Brennstoffzellen-Pkw eher einen Dornröschenschlaf. Gerade einmal 386 Wasserstofffahrzeuge sind in Deutschland laut Kraftfahrt-Bundesamt zugelassen. Bei einem Gesamt-Fahrzeugbestand von 64,8 Millionen hierzulande ist das ein Anteil von 0,0006 Prozent. Beim Ökokonkurrenten E-Auto sind es immerhin 0,2 Prozent.

Asiaten zeigen Präsenz

In dem Nischenmarkt sind vor allem Asiaten präsent. Toyota hat weltweit nach eigenen Angaben knapp 10.000 H2-Fahrzeuge verkauft, in Deutschland knapp 200. Und deutsche Autobauer? Daimler stieg schon in den 90er Jahren ein und produzierte ab 2009 für einige Jahren rund 200 B-Klassen-Autos als H2-Version, 2018 brachten die Stuttgarter einen Geländewagen als Mischung aus Batterie-Stromer und Brennstoffzelle auf den Markt, auch dies in kleiner Stückzahl. Bei BMW und Audi ist die Brennstoffzelle ebenfalls Thema, sie wird aber nur erprobt - kaufen kann man derzeit kein solches Auto von ihnen. 

Warum ist der Wasserstoff-Anteil am deutschen Verkehrsmix fast unsichtbar? Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen zeigt auf die Geldbörse: Der Preis für so ein Auto sei "inakzeptabel". Grob gesagt kostet ein Wasserstoff-Pkw in Deutschland 70.000 bis 80.000 Euro, auch Leasingverträge sind nicht billig. Immerhin gibt es staatliche Förderung. Dennoch - das sei viel zu teuer, meint der Professor: "Das reine Wasserstoffauto ist für den Privatkunden derzeit außer Reichweite." Grund für die hohen Preise: Die Entwicklung ist teuer und die verkauften Stückzahlen sind gering - erst bei hohen Stückzahlen würden die Kosten pro Fahrzeug sinken und der Preis käme etwas herunter.

Wenig Begeisterung ruft das Thema in Wolfsburg hervor. Die Brennstoffzelle werde bis Mitte der 20er Jahre nicht "zu vertretbaren Preisen oder im industriellen Maßstab mit der nötigen Energieeffizienz verfügbar sein", sagte VW-Boss Herbert Diess im Mai auf der Hauptversammlung - Volkswagen setzt auf das rein mit Batteriestrom betriebene E-Auto. 

Experten sehen Wasserstoff-Autos skeptisch

Auch Umweltexperten sehen Wasserstoff-Autos skeptisch. Florian Hacker vom Öko-Institut verweist auf den niedrigen Wirkungsgrad - man brauche Strom, um aus Wasser Wasserstoff herzustellen, der in Gastanks gelagert und nach dem Tanken im Auto in Strom gewandelt wird - bei diesen Schritten verliere man Energie. "Nur 25 Prozent der ursprünglichen Energie führt in einem Brennstoffzellen-Fahrzeug zu Fortbewegung, der Rest geht verloren - bei batteriebetriebenen Elektroautos liegt der Wert etwa bei 70 Prozent." Entsprechend höher sei der Strombedarf bei Brennstoffzellen-Autos, sagt er. "Man sollte die Brennstoffzelle weiter im Blick behalten, aber im Massenmarkt ist der Einsatz batteriebetriebener E-Autos sinnvoller." 

Ein Henne-Ei-Problem sieht der Autoexperte Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft: "Solange es nicht genug Nachfrage gibt, lohnt sich der Aufbau dieser Infrastruktur nicht richtig - und umgekehrt kaufen die Leute kein Brennstoffzellen-Fahrzeug, wenn die Infrastruktur nicht breit verfügbar ist."

Dennoch, betont Peter Fuß von der Beratung Ernst & Young, könnte die Brennstoffzelle Zukunft haben im Verkehr. "Um emissionsfrei unterwegs zu sein, ist die Brennstoffzelle eine wichtige Schlüsseltechnologie." Denn sie habe große Vorteile: Anders als klassische Elektroautos haben Brennstoffzellenautos eine Reichweite von bis zu 500 Kilometern. Zudem gehe die Betankung viel schneller als das Laden einer Batterie - es dauere nur wenige Minuten. 

Voraussetzung fürs schnelle Tanken ist aber, dass man überhaupt eine H2-Station findet. "Ungefähr 1.000 H2-Tankstellen bundesweit sind nötig, damit Brennstoffzellenautos richtig interessant werden für den Verbraucher", sagt Fuß. Bislang sind es 70 bundesweit, 15 davon in Nordrhein-Westfalen. Nach der Eröffnung der Düsseldorfer Station werden es 71 und bis Jahresende sollen es 100 sein.

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KOMMENTARE


H2O-Mann

18.06.2019 - 15:13 Uhr

Hmmmm.... Und dann gibt es noch die Marke Hyundai, welche hier keine Erwähnung findet, aber mit dem NEXO ein Fahrzeug im SUV-Style anbietet und durchaus großen Zuspruch bei den Käufern findet. Leider mit 12 Monaten Lieferzeit versehen, ist er bei kaum einem Händler zur Ansicht bereit.


Hansi

18.06.2019 - 17:56 Uhr

Selten so einen Unsinn gelesen. Natürlich ist das Interesse des Käufers abgängig wenn nichts angeboten wird. Die Infrastruktur sollte staatlich gefördert werden anstatt einer Batteriezellenproduktion. Wer hat eigentlich den Ökoexperten bezahlt? Wasserstoff ist vielleicht zur Zeit nicht so effektiv aber nachhaltiger als ein E Auto. Mit dem E Auto versuchen Politik und Industrie das nächste Tote Pferd zu reiten. Schlaft schön weiter bei den Autoherstellern. Eure Lakaien in Berlin subvensionieren eure Prämien und die Dividenden schon.


MAD Max

18.06.2019 - 18:04 Uhr

Eine Reichweite von 500 km wird von keinem E-Auto erreicht? Mir fällt eine ganze Handvoll ein, die sogar MEHR als 500 km schaffen. Bis zu 650. Und das nicht nur in der Theorie. Das Laden eines E-Autos dauert im Übrigen genau 10 Sekunden: Fünf fürs Anstecken, fünf fürs Abstecken. Den Rest der Zeit lädt es, wenn ich es nicht brauche. Während seit rund 20 Jahren an der Brennstoffzelle geforscht wird und die Haltbarkeit immer noch äußert fragwürdig ist (große Revision bei 70-80T km), Ihr Platzbedarf riesig und ihre Konstruktion teuer ist, gibt es inzwischen viele vollkommen alltagstaugliche Stromer. Und rund 17.000 Ladepunkte. Dagegen stehen 70 H2-Tankstellen, die zwischen 750.000 und 1 Mio Euro kosten, pro Stück. Rund 20x soviel wie eine Schnellladesäule. Aktuell bekommt man übrigens von keiner einzigen Wasserstoff: Alle gesperrt wegen der Explosion einer H2 Tankstelle in Norwegen, Grund unbekannt. Auch H2 Fahrzeuge werden aktuell nicht mehr ausgeliefert. Ich finden, das Experiment können wir getrost einstellen. Es bleibt ganz einfach nicht mehr genügend Zeit für die parallele Erprobung von noch mehr alternativen Technologien.


Marc Mertens

18.06.2019 - 18:18 Uhr

Interessant; wieder ein Abgesang auf eine Technologie und das bewusste Fokussieren auf derzeit noch nicht perfekte Prozesse oder Wirkungsgrade, BEVOR es hier überhaupt zum Einsatz kommt.Toyota und Hyundai haben derzeit mit Japan, Korea, China und anderen EU-Ländern gute Märkte und weitsichtige Politiker im Boot. Wie diskutieren dabei lieber, warten auf Flughäfen oder wollen Millionen von zusätzlichen Stromabnehmer in unser Netz integrieren.Die Lösungen heißen LOHC, Power -to-Gas oder Sektorenkupplung von Wasserstoff als sekundärer Energieträger. Im Zweifelsfall stellt man sich ein SmartFuel-System von Toyota ans Haus und erzeugt sein H2 mittels Solar einfach selbst.Und Brennstoffzellensysteme gibt es mittlerweile für LKW, Busse, Binnenschiffe und Genäudeversorgung. Das alles läuft aber gegen unsere Gewohnheiten und die altehrwürdige Energielobby für Öl, Gas, Kohle und Atomkraft.


Thomas Schmidt

19.06.2019 - 07:20 Uhr

...und Honda ist auch schon seit Jahren an mit einem funktionierenden Brennstoffzellen-Auto unterwegs. Auch wenn der Wirkungsgrad tatsächlich nicht vergleichbar ist, ist die gesamte Öko-Bilanz der Brennstoffzelle für mich deutlich positiver gegenüber dem E-Auto. Leider wird dieses Thema bei dem aktuellen Hype um die E-Mobilität kaum erwähnt.


Pilz

19.06.2019 - 07:50 Uhr

Wasserstoffautos kaum gefragt? Kaum zu glauben.... Es könnte der Eindruck entstehen, dass der Bericht von der Öllobby geschrieben wird.... Der Hyundai Nexo hat eine Lieferzeit von 12 Monaten. Die Produktionskapazität soll auf 700.000 Einheiten angehoben werden.... Aber es herrscht keine Nachfrage? Selbst habe ich einen Nexo zur Probefahrt gehabt. Das Antriebskonzept überzeugt. Keine langen Ladezeiten, auftanken innerhalb von wenigen Minuten... Nur der hohe Preis schreckt noch ab.


Nordlicht

19.06.2019 - 11:22 Uhr

wie ach so umweltfreundlich ein Batterieauto doch ist, kann man aktuell in Argentinien besichtigen. Wegen der Lithiumproduktion ( über 60% des Weltvorkommens sind dort zu finden) werden dort gerade ganze Landstriche unbewohnbar gemacht (Versalzung) und das Thema "seltene Erden" dürfte auch inzwischen jedem bekannt sein. Scheinbar kommt aber bei einigen "Umweltexperten" und Batterieautolobbyisten der Strom einfach aus der Steckdose - er Rest ist egal!


Uwe Hollstein

19.06.2019 - 12:34 Uhr

"Auto fahren, ohne sich als Klimasünder zu fühlen? Geht mit einem Elektroauto, also einem Fahrzeug mit großer schwerer Batterie." Da habt Ihr am 03.06. um 22.45 Uhr aber nicht in der ARD die Sendung :"Kann das Elektroauto die Umwelt retten" gesehen. Mit der Umweltbelastung, die bei der Herstellung der Batterien für E-Autos entstehen könnte man, Zitat aus der Sendung: "Die Herstellung eines 100 kWh-Akkus, notwendig für eine Reichweite von 400 Kilometer, verursacht eine Klimabelastung von 15 bis 20 Tonnen Kohlendioxid. Ein Wert, für den ein 6-Liter Mittelklassewagen mit Benzin- oder Dieselmotor bis zu 100.00 Kilometer weit fahren kann." Soviel zum Thema "UMWELTSCHONENDE E-AUTOS !


Alter Zausel

20.06.2019 - 13:31 Uhr

Eine Frage an MAD Max : welche E-Autos haben denn eine Reichweite von über 500 Km bei normaler Nutzung, d.h. je nach Witterung natürlich mit eingeschalteter Klima, Sitzheizung, Scheibenwischer, Radio usw. u. bei normaler Fahrt von mind. 130 km/h auf der BAB ? Die Logik der Ladedauer von 10 Sek. erschließt sich mir nicht, erst wenn der Akku zu 100 % geladen ist kann man von einem abgeschlossenem Vorgang sprechen. Mit einem Benziner oder Diesel kann man also nach 10 Min. seine Reise fortsetzen - bei einem E-Auto kommt eine Übernachtung hinzu. Die für uns immens wichtige Autoindustrie zu Investitionen in Milliardenhöhe - in die keineswegs umweltfreundliche - E-Mobilität zu zwingen ist eine absolute Fehlleistung der Politik.


MB

05.07.2019 - 14:15 Uhr

Das nächste Kapitel das von den Deutschen verschlafen wird und zudem die Politik viel zu wenig Aufmerksamkeit darauf hat. Sobald es eine Unterstützung zum Aufbau eine vernünftigen Infrastruktur gibt, würde das Wasserstoffauto definitiv interessanter werden und den Verbrennern ganz schön einheizen


Frank Fehling

07.07.2019 - 19:38 Uhr

Diese Frage muss unbedingt gestellt werden: wie gut sind die Experten und Analytiker in Sachen Antriebstechnik der Autos und sonstigen Fortbewegungsmittel. Man muss erst einmal die Vor - und Nachteile, Kosten, Nutzen, Reichweite und wie viele Arbeitsplätze werden vernichtet,bevor man über die Zukunft eines klimafreundlichen Fortbewegungsmittel nach denkt. Auch die Grünen sind nicht in der Lage dem Volk ein klimafreundliches Leben zu ermöglichen, Sie müssen andere Industrienationen und sonstige Länder von ihrem Vorhaben überzeugen. Entweder Alle oder gar Keiner. Wenn jetzt die Deutsche Automobilbranche den Markt verschläft,dann werden die Asiaten uns weit voraus sein. Die Groko ist gefordert,wenn es um die Zukunft Deutschland geht. Neue Besen kehren gut,aber nicht mit der jetzigen Regierung.


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