Ein Kommentar von Prof. Anita Friedel-Beitz
Qualifizierten Nachwuchs wünscht sich jedes Autohaus. Am liebsten in der Version, dass die gebratenen Tauben in den Mund fliegen. Und oh Wunder: Einige Tauben-Bratereien hat das Kfz-Gewerbe ja – wie die Bundesfachschule für das Kfz-Gewerbe (BFC), die am Mittwoch ihren 53. Jahrgang erfolgreich verabschiedete. Zu den Aufgaben des elfmonatigen Studiums gehört eine sogenannte Projektarbeit. Unternehmen der Kfz-Branche vergeben diese im Januar eines jeden Jahres. Aus den verschiedensten Themenfeldern können jeweils drei Studenten ein Thema auswählen und anschließend bearbeiten. Und es ist natürlich logisch, dass das beauftragende Unternehmen die Projektarbeit seiner Studenten auch zu betreuen hat.
Seit vielen Jahren mache ich mir diese Mühe. Denn wer N wie geeigneten Nachwuchs sagt, der muss auch B wie Betreuung sagen. Doch was man da dieses Jahr den Studenten zugemutet hat, das war schon hanebüchen. Da vergibt ein Autohaus eine Studienarbeit und lässt die jungen Leute quer durch die Republik zu einer Besprechung reisen. Vor Ort ist dann niemand da, keiner weiß von etwas. Was für ein mieser Stil! Andere Autohäuser hatten ihre Kinder selbst auf der BFC, sie wissen also um die Qualität der Weiterbildung, werden im Rahmen der Studienarbeiten angesprochen und sind dann tagelang nicht erreichbar, haben keine Zeit, können keine Auskunft geben, weil das Thema so heiß ist. O-Ton: "Wenn ich dazu etwas sage, bekomme ich Probleme mit meinem Hersteller."
Wo ist denn da die Courage, die gar keine ist, denn dem Auskunftgebenden ist immer Vertraulichkeit und Anonymität zugesagt. Wie sollen die jungen Menschen etwas lernen, wenn keiner Einblicke ins Tagesgeschäft geben möchte? Wollen Sie Schönredner, Blauäugige oder angehende Führungskräfte? Wer über Nachwuchsmangel klagt, sollte sich zunächst immer an die eigene Nase fassen!
Michael Paul