Ausgabe 01-02/2008: 'Notwendiges Übel'

Kfz-Gewerbe 2008 / ZDK-Präsident Robert Rademacher im Interview – was er erwartet, was er rät, was ihn ärgert"Notwendiges Übel"von Prof. Hannes BrachatAUTOHAUS-Herausgeber Prof. Hannes Brachat sprach in Düsseldorf mit dem ZDK-Präsidenten Robert Rademacher über das automobile Wirtschaftsjahr 2007, die Perspektiven für 2008, die GVO 2010, die Renditesituation der Branche sowie das Hersteller-Händlerverhältnis.AH: Herr Rademacher, wie charakterisiert der ZDK-Präsident das Automobiljahr 2007, als größte Rabattschlacht auf dem Markt oder als Gesetzlichkeit der sozialen Marktwirtschaft?R. Rademacher: Das hat klassisch mit Marktwirtschaft zu tun. Übersteigt das Angebot die Nachfrage, dann sinkt der Preis. Diese Gesetzmäßigkeit ist so alt wie Methusalem und ist 2007 exemplarisch demonstriert worden.GewinnsituationAH: Wie sollte die Handelsorganisation Zukunft gestalten, wenn dafür die notwendigen Gewinne fehlen?R. Rademacher: Das ist definitiv ein großes Problem. Auch weil im Kfz-Gewerbe – in Sonderheit im Kfz-Handel – schon seit Jahren zu wenig Geld verdient worden ist. Damit ist auch eine überdurchschnittlich schwache Eigenkapitalausstattung gegeben. Besonders gefährlich ist, dass auch für die Zukunft keine fundamental anderen Perspektiven bzw. keine anderen Rahmenbedingungen zu erwarten sind. Solange die Hersteller – und hier meine ich, mit einer Ausnahme, auch die deutschen Premiumanbieter – nicht in der Lage sind, ihr Angebot in quantitativ vernünftigen Grenzen zu halten, solange nur in Sonntagsreden das eine Auto weniger gebaut wird, in der Praxis aber tausende zu viel, wird es hier keine Wende geben.HandelszweckAH: Stimmen denn die Spielregeln im Handel noch? Kann man überhaupt noch von einem fairen Handel sprechen, wenn der Handel im Fahrzeuggeschäft kein Geld mehr verdient? Mancher Vertriebschef vertritt die Auffassung, dass im Neufahrzeuggeschäft kein Geld mehr zu verdienen sein wird. Der Zweck des Handels ist doch nicht Sozialhandel für Hersteller zu treiben?R. Rademacher: Diese Thematik ist sicherlich einer der wichtigsten Punkte für Grundsatzgespräche der jeweiligen Händlerverbände mit ihren Herstellern. Es ist nicht zu verantworten, wie die "Spielregeln" vielfach gehandhabt werden, indem die Quantität die Qualität der Geschäfte völlig überlagert. Zu richtigen Spielregeln gehören neben einer marktgerechten Belieferung auch erfüllbare Bonusregelungen. Boni, die ein Händler nur erreichen kann, wenn er die Ware verschleudert, sind als Spielregel inakzeptabel. Das schadet u.a. auch dem Image der Marke. Derartige Spielregeln müssen verändert werden.HerstellerrenditenAH: Sie sind mit Ihrem Unternehmen einer der größten Audi-Händler, wenn nicht gar der größte. Wie geht man damit um, dass der Hersteller Audi in diesem Jahr einen Ertragszuwachs von 58 Prozent einfährt und umgekehrt gut 60 Prozent der Audi-Händler im Fahrzeuggeschäft rote Zahlen schreiben?R. Rademacher: Sowohl als ZDK-Präsident wie als Audi-Händler freue ich mich über den Erfolg von Audi. Es würde dem Handel ja nicht automatisch besser gehen, wenn es dem Hersteller schlechter ginge. Aber spätestens, wenn es einem Hersteller blendend geht, dann hat dieser auch eine erhöhte Verpflichtung, sich um vernünftige Rahmenbedingungen im Handel zu kümmern. Im Augenblick passiert das nicht in hinreichendem Maße. Das erklärt die enorme Diskrepanz, glänzende Renditen auf der Herstellerseite, schlechte Renditen auf Seiten des Handels. Das ist nicht nur die Dummheit der Partner, sondern die Gestaltung der Rahmenbedingungen. Dazu gehört auch eine gewisse Wertschätzung des Handels. Man hat gelegentlich den Eindruck, als würde der Handel nur als notwendiges Übel gesehen.TageszulassungenAH: Laut Befragungen ziehen Kunden heute die Tages- wie Kurzzulassungen dem Neuwagenkauf vor. Wer als Händler kundenfreundlich agieren möchte, dürfte eigentlich gar keine Neuwagen mehr verkaufen.R. Rademacher: Das Verhalten der Kunden ist nachvollziehbar. Wenn sich Kunden bei mir eine Empfehlung holen, dann ist mein Rat auch, sich erst einmal auf dem großen Markt von Tages- und Kurzzulassungen wie Werksdienstwagen umzusehen, um da fündig zu werden. In manchen Fällen wird es am Ende trotzdem ein Neuwagen, wobei dieser zwangsläufig dann aber im Preis durch die genannte andere Absatzschiene gedrückt ist. Aus meiner Sicht ist das eine unverständliche Schizophrenie, dass Neuwagen ohne Umweg sofort zu quasi Gebrauchtwagen gemacht werden, die dann in Folge wieder das Neuwagengeschäft belasten.StandardsAH: Die Hersteller definieren die gegebenen Standards als Minimumstandards. Ist diese Sichtweise angesichts der Renditesituation noch angemessen?R. Rademacher: Die Standards sind von Marke zu Marke unterschiedlich. Ich vertrete den Standpunkt, dass es Standards geben muss. Was angesagt ist, sind allerdings Standards mit Augenmaß.AH: Wo liegen für Sie Grenzen der Standards? Ich denke an die Fußbödenmalaise, in Ihrer Organisation als Teppichhandel etc. bekannt?R. Rademacher: Ich sehe mich wirklich nicht in der Lage, die Mehrmenge zu beziffern, die durch einen anders verlegten Fußboden zu verkaufen ist. Wir vollziehen das in unseren Betrieben aber trotzdem, weil angesichts der Volumina und des sonst zu befürchtenden Bonusmankos spezifische Nachteile entstünden. Rechnen tut sich das aber kaum. Bitte, der bisherige Fußboden wurde ja vor fünf Jahren mit aller Vehemenz vom gleichen Hersteller für absolut erklärt.KundenzufriedenheitAH: Müssten aus Ihrer Sicht die Kundenzufriedenheitsfaktoren nicht einmal grundsätzlich hinterfragt werden, zumal diese margenrelevant sind? Will der Kunde wirklich den Hangar haben oder das Auto um 500 Euro günstiger? Wir machen doch vielfach gar nicht, was den Kunden zufrieden stellt?R. Rademacher: Wenn man die Frage so stellt, wäre schon zu vermuten, wie die Antwort lauten würde. Man kann die Frage aber auch anders formulieren. Wir beschäftigen uns im ZDK in der Tat mit der Frage, was der Kunde wirklich will. Darüber gibt es bereits breite Unterlagen. Wir wollen damit dem Kunden, dem großen Unbekannten, etwas näher rücken. Ein wichtiges Thema!GarantieabwicklungAH: Auch in Garantie- und Kulanzleistungen ist derzeit seitens der Hersteller ein völlig überzogenes restriktives Verhalten festzustellen, das der Kundenzufriedenheit wirklich abträglich ist. Das Antragswesen wird bewusst komplex gehalten.R. Rademacher: Dieses Phänomen geht schon seit Jahren rauf und unter. Man stellt fest, dass zu stringent gehandelt wird, dann werden die Vorgaben gelockert. Prompt schlägt das Pendel auf die andere Seite aus, dann ist das Geschrei wieder groß. Das ist ein laufendes Experimentieren an der Grenze, eine Gratwanderung. Wer sich kulant verhält, kann für eine Marke sehr viel tun.MargensystemeAH: Sind wir nicht am Scheidewege, dass abermals die Margensysteme geändert werden müssten? Ein gigantisches Manko stellen die Vorführwagen dabei dar. Oder die Restwerte.R. Rademacher: Bevor an den Margensystemen in irgendeiner Form herumgedoktert wird, wäre wichtiger, die Vertriebsorganisationen marktgerecht zu beliefern. Dann lösen sich viele der von Ihnen angeschnittenen Probleme von selbst. Umgekehrt gibt es kein Margensystem, das eine nicht markenkonforme Belieferung egalisieren könnte. Restwertproblematiken sind tagesaktuell auszutarieren. Das Restwertrisiko darf allerdings nicht ausschließlich beim Handel bleiben. Die Höhe des Restwertes ist ja ein Wechsel, der auf die Zukunft gezogen wird.GroßabnehmergeschäfteAH: Auch in Sachen Großabnehmergeschäfte sind diverse Hersteller in enormen Mengen am Handel vorbei mit dabei.R. Rademacher: Es ist ein großes Ärgernis, wenn bestimmte Großabnehmer vom Hersteller direkt beliefert werden und das zu Konditionen, die günstiger sind als die, die Händler selbst dann nicht eingeräumt bekämen, wenn sie vergleichbare Größenordnungen vermarkten würden. Auch darüber sprechen die einzelnen Händlerverbände mit ihren Herstellern/Importeuren. Man kann allerdings diesen Vorwurf nicht jedem Hersteller machen. Da sind durchaus auch händlerfreundliche Lösungen dabei.AH: Der ZDK sieht die Konzentration im Automobilhandel als evolutorische Notwendigkeit. Wo bleiben gezielte Gegenkonzepte des ZDK? Zum Beispiel die klare Forderung von A- zu B-Händlerlösungen?R. Rademacher: Ich sehe die Konzentration im Automobilhandel nicht als eine evolutorische Notwendigkeit, aber als eine evolutorische Zwangsläufigkeit. Das ist ein Prozess, den niemand, durch welche Regeln auch immer, aufhalten kann. Es gibt in dieser Frage keinen Königsweg. Dazu ist die Situation von Fabrikat zu Fabrikat zu unterschiedlich. Wir unterstützen hier seitens des ZDK die einzelnen Händlerverbände bei ihrem Fabrikat. Ich verhehle nicht, dass ich viel Sympathie für Vertriebskonzepte habe, die zwischen Ballungsgebieten und ländlichen Räumen unterscheiden. Da kann man sehr viel von der katholischen Kirche lernen. Kathedralen in Großstädten, Kirchen in Mittelstädten und Kapellen auf dem Lande. So erreicht man die Gläubigen am besten. Da haben Sie das A- und B-Händler-System inklusive der Servicewerkstatt.2008AH: Wie sieht der ZDK-Präsident das automobile Wirtschaftsjahr 2008?R. Rademacher: Der ZDK-Präsident ist von Natur aus Optimist. Ich glaube, dass der Gesamtmarkt leicht wachsen wird. Und das wird durch eine große Zahl von attraktiven neuen Modellen gestützt. Was auf der IAA stand, wird 2008 verfügbar sein. Es wird auch etwas mehr Kaufkraft zur Verfügung stehen. Der Gesamtmarkt wird zwischen 3,1 und 3,2 Millionen Einheiten liegen.AH: Was rät der ZDK-Präsident der Händlerschaft für 2008?R. Rademacher: Vernünftige Geschäfte, die mehr als die Grenzkosten abwerfen, tätigen! Unvernünftige Geschäfte lassen! Die Kosten unter strenger Kontrolle halten und, wo immer möglich, senken! Kunden so behandeln, wie man selber als Kunde behandelt werden möchte!GVO 2010AH: Wird 2008 Klarheit in Sachen GVO 2010 bringen?R. Rademacher: Absolute Klarheit noch nicht. Aber im Frühsommer wird eine Erklärung der EU-Kommission vorliegen, mit der eine klare Trendaussage gemacht werden wird. Die EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes hat mehrfach erklärt, dass sie die GVO 2010 noch in ihrer Amtszeit klären will. Damit könnten wir ab 2009 mit einer klaren Darstellung rechnen.AH: Herr Rademacher, vielen Dank für das Gespräch!

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