Arbeitszeugnis: Wahrheit und Klarheit

Weitere Informationen und Services von AUTOHAUS zum Thema: Playlist: "Steuer- und Rechtsthemen" Das Arbeitszeugnis wird oft als Visitenkarte für die Bewerbung auf einen Arbeitsplatz bei einem neuen Arbeitgeber bezeichnet. Zwar hat der Inhalt eines Arbeitszeugnisses nicht mehr den Stellenwert wie noch vor 15 oder 20 Jahren. Dennoch sinkt die Chance für eine erfolgreiche Bewerbung deutlich, wenn ein unzulängliches Arbeitszeugnis präsentiert wird - oder die Bewerbung ohne Arbeitszeugnis erfolgt. Ein gutes oder sehr gutes Arbeitszeugnis ist für Arbeitnehmer deshalb von erheblichem Interesse. Bei der Ausstellung des Arbeitszeugnisses gilt es für den Arbeitgeber, diverse Grundsätze zu beachten. An erster Stelle zu nennen sind hierbei die Zeugniswahrheit und Zeugnisklarheit. Gesetzliche Grundlage § 630 BGB regelt allgemein die Verpflichtung zur Ausstellung eines Zeugnisses im Rahmen eines Dienstverhältnisses, dies mit dem Verweis auf § 109 GewO, sofern das Dienstverhältnis ein Arbeitsverhältnis ist. Danach gilt, dass der Arbeitnehmer bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis hat. Das Zeugnis muss mindestens Angaben zur Art und Dauer der Tätigkeit enthalten (einfaches Arbeitszeugnis). Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben im Zeugnis darüber hinaus auf die Leistung und das Verhalten im Arbeitsverhältnis erstrecken (qualifiziertes Arbeitszeugnis). Auch das Berufsbildungsgesetz regelt in § 16 BBG die Verpflichtung des Ausbilders, bei Beendigung des Ausbildungsverhältnisses ein schriftliches Zeugnis über Art, Dauer und Ziel der Berufsausbildung wie auch auf Verlangen des Auszubildenden über das Verhalten und die Leistung auszustellen. Auch das Berufsbildungsgesetz unterscheidet damit zwischen einem einfachen und einen qualifizierten Ausbildungszeugnis. Die Ausstellung eines Zwischenzeugnisses sieht das Gesetz zwar nicht vor, nach der Rechtsprechung besteht ein Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses jedoch bei Vorliegen eines "triftigen Grundes". Als triftige Gründe sind anerkannt: die Bewerbung auf einen neuen Arbeitsplatz, die erforderliche Vorlage bei Behörden, Gerichten und Banken, strukturelle Änderungen im Betriebsgefüge oder auch ein längeres Sabbatical. Zeugniswahrheit Die Vorschrift des § 109 GewO gibt dem Arbeitgeber nicht vor, wie er ein qualifiziertes Arbeitszeugnis abzufassen hat. Insbesondere begründet das Gesetz keinen Anspruch auf ein "gutes" oder "sehr gutes" Zeugnis, sondern lediglich auf ein "leistungsgerechtes" Zeugnis. Der Arbeitgeber hat insoweit die Zeugnishoheit, in deren Rahmen er in seiner Formulierung frei ist, solange das Zeugnis nichts Falsches enthält. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in vielfachen Entscheidungen festgehalten, dass ein nach § 109 GewO auszustellendes Arbeitszeugnis in erster Linie wahr sein muss. Der Gesetzesentwurf zu dieser Bestimmung spricht von einem "schutzwürdigen Interesse der einstellenden Arbeitgeber an einer möglichst wahrheitsgemäßen Unterrichtung über die fachlichen und persönlichen Qualifikationen" (Bundestags-Drucksache 14/8796 S. 25). Vielfach wird die diesbezügliche Wahrheitspflicht des Arbeitgebers als der bestimmende, oberste Grundsatz des Zeugnisrechts bezeichnet. Ein Arbeitnehmer hat demgemäß selbst bei allem Wohlwollen keinen Anspruch auf die Ausstellung eines guten oder sehr guten Zeugnisses, wenn für den Arbeitgeber die Wahrheit in einer lediglich mittelmäßigen Leistung des Arbeitnehmers liegt. Das BAG bezeichnet die Benotung von Arbeitszeugnissen, die den Leistungen eines Arbeitnehmers nicht entsprechen, als unwahr und damit ausdrücklich als gesetzeswidrig. Grundsatz des Wohlwollens Arbeitnehmer argumentieren bei Streitigkeiten über die Leistungs- und Verhaltensbeurteilung im Arbeitszeugnis regelmäßig mit der Floskel, dass ein Arbeitszeugnis "berufsfördernd wohlwollend" zu sein hat. Dies ist grundsätzlich richtig, aber: Auch der Wohlwollensgrundsatz, wonach das Fortkommen des Arbeitnehmers durch den Zeugnisinhalt nicht unnötig erschwert werden darf, ist durch die Wahrheitspflicht begrenzt. In den letzten 15 bis 20 Jahren ist durchaus von einer Tendenz zur Ausstellung von Gefälligkeitszeugnissen auszugehen, weil der Arbeitgeber einen Zeugnisstreit vor dem Arbeitsgericht vermeiden will. Ein solcher Rechtsstreit wird als lästig empfunden und kostet lediglich Zeit, Nerven und Geld. Infolgedessen wird von den Arbeitgebern dem Wohlwollensgrundsatz deutlich mehr Raum gegeben, als diesem Grundsatz rechtlich zusteht. Es darf noch einmal festgehalten werden, dass das BAG eine unzutreffende, unwahre Benotung im Arbeitszeugnis ausdrücklich als gesetzeswidrig bezeichnet. Verlässt sich ein neuer Arbeitgeber auf ein unwahres Arbeitszeugnis, kann dies zu einem Schadensersatzanspruch führen. Zeugnisklarheit Das Gesetz normiert in § 109 Abs. 2 GewO, dass ein Arbeitszeugnis klar und verständlich formuliert sein muss. Es darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. Ein Zeugnis muss demgemäß denjenigen Anforderungen entsprechen, wie sie im Geschäftsleben an ein Arbeitszeugnis üblicherweise gestellt werden und deren Einhaltung vom Leser als selbstverständlich erwartet wird. Fehlt es daran, kann der Eindruck erweckt werden, der zeugnisausstellende Arbeitgeber distanziere sich vom buchstäblichen Wortlaut seiner Erklärungen und der Arbeitnehmer werde in Wahrheit ungünstiger beurteilt, als dies im Zeugnis bescheinigt wird. Grundsätzlich muss ein Arbeitszeugnis in dieser Folge auf Geschäftspapier aufgebracht sein, darf keine Kaffeeflecken, Kleberreste o. Ä. enthalten, die Rechtschreibung muss korrekt eingehalten sein, die persönlichen Daten müssen zutreffend sein, das Ausstellungsdatum muss mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses übereinstimmen. Auch und insbesondere darf sich das Zeugnis nicht selbst widersprechen. Wird dem Arbeitnehmer in der Leistungsbeurteilung ein "stets zu unserer vollsten Zufriedenheit" attestiert und in der Verhaltensbeurteilung ein "stets vorbildlich", spiegelt aber die Ausformulierung im Arbeitszeugnis diese Benotung nicht wider, so ist das Arbeitszeugnis entwertet. Verstößt der Arbeitgeber gegen den Grundsatz der Zeugnisklarheit, kann auch dies einen Schadensersatzanspruch auslösen. Zur Richtigstellung einer weitverbreiteten Fehlinformation: Das BAG sieht in der Übersendung eines zweifach gefalteten und in einem üblichen Umschlag versendeten Arbeitszeugnisses keinen Verstoß gegen die äußere Form; das Zeugnis muss lediglich kopierfähig sein. Arbeitszeugnis und Schadensersatz Die Nichterteilung eines Arbeitszeugnisses oder die Erteilung eines unrichtigen Zeugnisses kann dann zu einem Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber führen, wenn das fehlende oder unrichtige Arbeitszeugnis Ursache dafür ist, dass dem Arbeitnehmer die Bewerbung auf einen neuen Arbeitsplatz misslingt. Im Hinblick auf einen erforderlichen Beweis ergeben sich für einen Arbeitnehmer in einem solchen Schadensersatzprozess allerdings recht hohe Hürden. Schadensersatzansprüche drohen dem Zeugnis ausstellenden Arbeitgeber auch dann, wenn er Straftaten des Arbeitnehmers im Arbeitszeugnis nicht attestiert. Wurde beispielsweise der Arbeitnehmer aufgrund einer Unterschlagung oder eines sonstigen Straftatbestandes fristlos entlassen und findet sich diese Tatsache nicht im Arbeitszeugnis wieder, so ist das Zeugnis unwahr und gesetzeswidrig. Verlässt sich nämlich ein neuer Arbeitgeber auf das (unvollständige und unwahre) Arbeitszeugnis und wird dieser neue Arbeitgeber durch eine erneute Unterschlagung des Arbeitnehmers geschädigt, so kann er sich gegenüber dem Alt-Arbeitgeber schadlos halten. Bei allem Verständnis dafür, dass ein Zeugnisstreit nichts anderes als lästig ist, sollten Arbeitgeber immer im Blick behalten, dass Arbeitszeugnisse "wahr" und "klar" sein müssen und bei einem Verstoß hiergegen Schadensersatzansprüche drohen können. Rechtsanwalt Rainer Bopp kanzlei@raehaug-partner.de www.haug-partner.de KOMMENTAR In einem Zeugnisstreit vor dem Arbeitsgericht geht es letztlich immer darum, dass der Arbeitnehmer ein besseres Zeugnis haben möchte, als dieses vom Arbeitgeber ausgestellt wurde. Insbesondere dreht es sich um die Benotung der Arbeitsleistung und des Verhaltens - analog Schulnoten. Tatsächlich hat sich in der Praxis eingebürgert, dass inzwischen mehr als drei Viertel aller Arbeitszeugnisse die Note "gut" und "sehr gut" aufweisen. Wird einem Arbeitnehmer lediglich eine durchschnittliche bzw. befriedigende Leistung bescheinigt, weicht dies also vom Gros aller Zeugnisse ab. Ergibt sich allein hieraus also ein Anspruch des Arbeitnehmers, dass er zumindest mit der heute üblichen (Mindest-)Note gut bewertet wird? Einem solchen Ansinnen hat das Bundesarbeitsgericht eine klare Absage erteilt. Nach dem Verständnis des BAG ist das normale Maß einer Arbeitsleistung eine durchschnittliche/befriedigende Leistung. Mehr kann der Arbeitgeber nicht erwarten und mehr schuldet der Arbeitnehmer auch nicht. Ein übliches Zeugnis stellt sich damit für das BAG mit der Note "befriedigend" dar. Will der Arbeitnehmer im Arbeitszeugnis vom Durchschnitt in Richtung gut oder sehr gut abweichen, trägt er deshalb die Darlegungs- und Beweislast, er muss Urkunden vorlegen, Zeugen benennen etc. Attestiert der Arbeitgeber eine schlechtere Arbeitsleistung als durchschnittlich, so trifft im Gegenzug ihn die Darlegungs- und Beweislast.

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