Den viel zitierten „China Speed“ gibt es nicht nur beim Bau von Flughäfen und sonstiger Infrastruktur – sondern auch beim Erwachsenwerden von Unternehmen. Gerade einmal zehn Jahre nach Gründung und im sechsten Jahr mit laufender Produktion hat das chinesische E-Auto-Start-up Leapmotor nun die millionste Fahrzeugauslieferung im Blick. Schon ab 2026 sollen jedes Jahr mindestens noch einmal so viele Autos auf die Straßen der Welt rollen. Ein Gutteil davon in Europa.
Stellantis als Schlüsselpartner
Der Vertrieb in Europa läuft über das Händler- und Servicenetz von Stellantis. Rund 700 Standorte sind bereits eingebunden, 120 davon in Deutschland. Exklusive Showrooms sind nicht geplant: In Deutschland verkauft Opel, in Frankreich Citroën und in Italien Fiat die Modelle. Service und Ersatzteile sollen flächendeckend verfügbar sein. Repariert wird an gleicher Stelle – sichtbar und mit seriösem, verlässlich wirkendem Auftritt. „Das Wichtigste ist Vertrauen“, sagt Xin. Und verweist dabei nicht zuletzt auf die stabile Lieferkette und die gesicherte Ersatzteile-Versorgung.
"Das Tempo bei Leapmotor ist und bleibt schnell"
Der europäische Kontinent ist der wichtigste Erfolgsgarant für die expansive Strategie der Marke, wie Tianshu Xin erläutert. Der Manager ist Chef von Leapmotor International, einem 2023 gegründeten Joint Venture des chinesischen Unternehmens mit dem euro-amerikanischen Stellantis-Konzern das das Europageschäft verantwortet. Gleichzeitig organisiert er in China den Vertrieb der anderen Stellantis-Marken vor Ort. Ein Mann also, der beide Märkte ausgezeichnet kennt. Und der nicht zuletzt auf chinesische Geschwindigkeit setzt: „Das Tempo bei Leapmotor ist und bleibt schnell“, sagt Tianshu Xin, und liefert damit den roten Faden für die Expansionspläne in Europa.
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Der frühe Schritt nach Europa folgt einer einfachen Logik: Skalierung. Schnelles Wachstum sollte Kosten senken, ein starkes Europa-Geschäft dem Unternehmen mehr Luft für den harten Konkurrenzkampf auf dem Heimatmarkt verschaffen und nicht zuletzt die Claims auf dem immer noch großen EU-Markt frühzeitig abstecken. Ein Plan, den Leapmotor nicht exklusiv hatte. Auch andere Start-ups aus dem Reich der Mitte sind früh in Nord- oder Osteuropa angelandet – häufig allerdings erfolglos. Viele der Pioniere sind mittlerweile komplett verschwunden. Von den 250 bis 300 E-Auto-Start-ups, mit denen Leapmotor zusammen begonnen habe, sind heute nur noch etwa zehn aktiv, rechnet Xin vor.
Leapmotor B05

Range-Extender gegen die Reichweitenangst
Technisch setzen die Fahrzeuge auf Over-the-Air-Updates (OTA), eigene Batterie- und E-Architekturen sowie, in Sonderfällen, Range-Extender-Konzepte für größere Reichweiten. Sie sollen besonders für Kunden interessant sein, die Reichweitenangst haben.
Für die nächsten Jahre hat Leapmotor weitere Modelle angekündigt: Nach dem noch dieses Jahr startenden B10 und dem für 2026 angekündigten B05 plant Xin 2027 zwei neue Modelle im Kleinwagensegment. Nach der bisherigen Modell-Logik dürfte es sich um einen klassischen Fünftürer im Corsa-Segment sowie einen technisch abgeleiteten, kleinen Crossover handeln. Sicher mit Elektroantrieb, möglicherweise auch mit Range Extender. Dann ist die Modellpalette erst einmal komplett – reicht vom günstigen Kleinst-Stromer für die Stadt lückenlos bis zum großen SUV für die aktive Familie.
Gebaut werden die Fahrzeuge bislang in China. Eine ursprünglich in Fiats polnischem Werk geplante Montage ist nie ins Rollen. Aktuell prüft das Management laut Xin Lokalisierungs-Optionen in verschiedenen Regionen. Bei den Überlegungen spielen Kosten, Lieferzeiten und regulatorische Vorgaben eine Rolle. Konkrete Standortentscheidungen stehen noch aus.
Leapmotor bringt typische Stärken chinesischer EV-Startups mit: hohe Entwicklungsgeschwindigkeit, vertikale Integration und ein großes Modellprogramm. Durch die Allianz mit Stellantis hat die Marke in Europa vielleicht den entscheidenden Hebel für After-Sales und Vertrieb gefunden. Ob sich das in langfristigem Markenvertrauen und profitablem Wachstum niederschlägt, hängt auch davon ab, ob Leapmotor tatsächlich die Erwartungen in Qualität, Service und lokale Anpassung erfüllt.
Leapmotor T03 (Test)
