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Neuer Konzernchef: Müller sieht langen Weg für VW

29.09.2015 09:12 Uhr
Matthias Müller verspricht eine "schonungslose und konsequente Aufklärung".

VW-Kunden bekommen bald Post - ihre Diesel-Fahrzeuge sollen nachgebessert werden. Der Autobauer kämpft im Abgas-Skandal an mehreren Fronten, um verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen, auch in Brüssel.

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Volkswagen steht vor einer schwierigen und langen Aufarbeitung des Abgas-Skandals. Der neue Konzernchef Matthias Müller versprach eine "schonungslose und konsequente Aufklärung". Dabei werde es nur Stück für Stück voran gehen, und es werde Rückschläge geben, sagte Müller laut Mitteilung von Volkswagen am Montagabend vor Führungskräften des Konzerns. VW stehe vor der "größten Bewährungsprobe" der Unternehmensgeschichte. "Es geht darum, verlorenes Vertrauen zurück zu gewinnen."

Täuschung und Manipulation seien durch nichts zu rechtfertigen, sagte der neue Konzernchef, der zuvor den Sportwagenbauer Porsche geführt hatte. Er sprach von einem "unfassbaren Fehlverhalten bei Volkswagen". Der Aufsichtsrat habe eine unabhängige externe Untersuchung durch die US-amerikanische Großkanzlei Jones Day beauftragt. Müller sagte zudem, VW müsse aus den Fehlern lernen. Dazu zähle eine neue Unternehmenskultur. Der Aufsichtsrat hatte bereits einen Konzernumbau auf den Weg gebracht, bei dem die einzelnen Marken mehr Verantwortung bekommen sollen. 

Der Autokonzern hatte mit einer Software Abgaswerte von Diesel-Fahrzeugen in den USA manipuliert. Das gesamte Ausmaß des Skandals ist weiter unklar. Weltweit sind elf Millionen Autos betroffen, davon 2,8 Millionen in Deutschland. Müller sagte, die Software sei nur in einem Teil der elf Millionen Fahrzeuge aktiviert. "Wir rechnen deshalb damit, dass die Zahl der tatsächlich betroffenen Fahrzeuge letztlich geringer sein wird." VW werde in den nächsten Tagen die betroffenen Kunden informieren, dass das Abgasverhalten ihres Fahrzeugs in Kürze nachgebessert werden müsse.

Am siebten Handelstag nach Bekanntwerden des Manipulationsskandals scheinen sich die Anleger langsam etwas zu beruhigen. Die Kursausschläge fielen zuletzt deutlich geringer aus als an den Vortagen. Von Erholung kann aber noch keine Rede sein: Gegen Mittag lag die im deutschen Leitindex Dax vertretene Vorzugsaktie 1,30 Prozent im Minus bei 98,01 Euro. Weitere negative Analystenstimmen und der Rauswurf aus den prestigeträchtigen Dow-Jones-Nachhaltigkeitsindizes hatten die Vorzugsaktie am Morgen noch auf 94,36 Euro gedrückt - das war das tiefste Niveau seit vier Jahren. Vor dem Hochkochen der Affäre war das VW-Papier 162,40 Euro wert, was einen Einbruch von 40 Prozent zum aktuellen Niveau bedeutet. Bis jetzt sind 28 Milliarden Euro an Börsenwert bei VW verpufft - soviel ist die Deutsche Post insgesamt an der Börse wert. Der VW-Konzern selbst brachte zuletzt noch gut 49 Milliarden Euro auf die Waage.

Analyst Stefan Burgstaller von der US-Investmentbank Goldman Sachs sieht die VW-Aktie ganz im Zeichen enormer Unsicherheit - nicht nur hinsichtlich der Rückrufkosten und möglichen Strafzahlungen, sondern auch einer skeptischeren Sicht auf Diesel-Pkw in der Zukunft. Nach Einschätzung des Goldman-Experten kalkuliert der Aktienmarkt eine Sonderbelastung bei der VW-Aktie von 11,3 Milliarden Euro ein.

Krisentreffen des Aufsichtsrats-Präsidiums

VW-Markenchef Herbert Diess wird am Dienstagabend in Brüssel erwartet. Dort will er Gespräche mit EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska über den Abgas-Skandal führen. "Wir erwarten von Volkswagen, dass sie die Situation erklären", sagte ein Sprecher der EU-Behörde mit Blick auf das für 18.30 Uhr anberaumte Treffen. "Unsere Botschaft wird deutlich sein: Wir erwarten, dass Volkswagen umfassend mit den nationalen Behörden zusammenarbeitet, und wir erwarten die Einhaltung der EU-Regeln."

Am Mittwoch dann steht nach dpa-Informationen erneut ein Krisentreffen des Aufsichtsrats-Präsidiums an. Zu diesem innersten VW-Machtzirkel zählen Aufsichtsratschef Berthold Huber, Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), Betriebsratschef Bernd Osterloh und Aufsichtsrat Wolfgang Porsche. Dem Präsidium soll bei dem Treffen nach internen Ermittlungen ein erster Zwischenbericht vorgelegt werden, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Konzernkreisen erfuhr. Demnach fiel die Entscheidung zum Einbau der Manipulations-Software in Diesel-Fahrzeugen bereits in den Jahren 2005 und 2006, und zwar in der Motorenentwicklung in der VW-Zentrale in Wolfsburg. Damals wollte VW angesichts von Problemen auf dem US-Markt mit Dieselfahrzeugen punkten. Die Vorgabe sei gewesen, die Autos trotz der schärferen Abgaswerte kostendeckend anzubieten, hieß es in den Konzernkreisen. Die Einhaltung der Grenzwerte, zumindest auf dem Prüfstand, sei aber nur mit Hilfe der Manipulations-Software möglich gewesen.

Ebenfalls am Mittwoch soll Porsche einen neuen Chef bekommen. Die Berufung vom bisherigen Produktionsvorstand Oliver Blume zum neuen Vorstandsvorsitzenden stehe am Mittwoch auf der Agenda der Aufsichtsratssitzung in Stuttgart, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Dienstag aus Konzernkreisen. Am Mittwochnachmittag soll die unstrittige Personalie offiziell verkündet werden, Gegenkandidaten gibt es nicht. Blumes Vorgänger Matthias Müller war als Folge des Dieselskandals an die VW-Spitze gerückt. Der 47-jährige Blume ist seit gut zwei Jahrzehnten beim Volkswagen-Konzern, 2013 kam er zur VW-Tochter Porsche. 

Gabriel: VW-Skandal darf keine Arbeitsplätze kosten

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) warnte unterdessen davor, infolge des VW-Abgas-Skandals Arbeitsplätze in Deutschland und weltweit aufs Spiel zu setzen. Es gehe um einen dramatischen Vorgang, der aufgeklärt werden müsse. "Trotzdem wollen wir alles dafür tun, dass Volkswagen auch wieder in eine stabile Situation kommt - nicht wegen der Manager, aber wegen der 600.000 Beschäftigten", betonte der Vizekanzler und SPD-Chef am Dienstag am Rande einer Fraktionssitzung im Deutschen Bundestag. "Aufklärung, Strafverfahren, Zusammenarbeit mit den USA, kein Abwiegeln, kein Verdunkeln oder Verschleiern ist die eine Aufgabe, das muss Volkswagen machen. Die andere ist, dass Politik auch mithelfen muss, dass das Ganze nicht zu einem Desaster für die Beschäftigungsverhältnisse wird." Man müsse daher beides tun: "den Vorfall aufklären, aber gleichzeitig dafür sorgen, dass niemand, der dort arbeitet, Angst haben muss um seine Beschäftigung."

Auch die IG Metall wehrt sich gegen negative Folgen für die Belegschaft. Die Vorgänge bedeuteten einen "unendlichen Schaden" für das Produkt, das Unternehmen und den Standort Deutschland, sagte Gewerkschaftschef Detlef Wetzel am Montagabend in Frankfurt. Er vergleiche den Skandal aus nationaler Sicht mit der Finanzkrise 2008/2009. Es sei klar, dass die Arbeitnehmer nicht dafür verantwortlich seien. "Mitbestimmung ist dafür da, dass die Arbeitnehmer nun nicht die Folgen dieser Krise tragen müssen", sagte der Gewerkschafter. Es gelte erneut der Satz: "Wir zahlen nicht für eure Krise."

Der Skandal hat aus Sicht der IG Metall auch nichts mit der besonders ausgeprägten Mitbestimmung bei Volkswagen zu tun. "Die Mitbestimmung bezieht sich nicht auf die Frage, welche Komponenten in einen Motor eingebaut werden", sagte Wetzel. Er räumte aber ein, dass sich auch die in Wolfsburg sehr mächtige IG Metall Fragen etwa zu ihrem Beitrag zur Unternehmenskultur bei Volkswagen stellen müsse. Es stehe ein großer Kulturwandel an. "Es ist kein Wert an sich, größer als Toyota zu sein", sagte Wetzel. Zudem müsse man sich fragen: "Wieso haben wir davon nichts gewusst?"

Arbeitnehmervertreter der VW-Tochter Audi sehen zu Unrecht den gesamten Konzern unter Beschuss. "Es handelt sich bei der Abgas-Affäre um einen grob fahrlässigen Fehler einiger weniger, der einem unternehmerischen Eigentor gleicht", hieß es in einem Brief des Gesamtbetriebsrates an die Mitarbeiter, der dpa vorlag. "Es ist aber nicht das Versagen eines ganzen Konzerns, wie es in der Öffentlichkeit gerade diskutiert wird." Zu keinem Zeitpunkt sei die Sicherheit der Kunden in Gefahr gewesen. Dennoch lehrten die Vorfälle, dass die Unternehmenskultur neu durchdacht werden müsse - "hin zu Offenheit, Transparenz und gegenseitigem Vertrauen - weg von starren Hierarchien", hieß es in dem Brief. Deshalb sei es gerade jetzt wichtig, das Führungsleitbild bei Audi weiter voranzutreiben.

"Winterkorn hat Großartiges geleistet"

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann dankte am Montagabend dem zurückgetretenen VW-Chef Martin Winterkorn für seine Arbeit an der Spitze von Europas größtem Autobauer. "Ich empfinde großen Respekt für die Lebensleistung von Martin Winterkorn. Er hat wirklich Großartiges geleistet", sagte Oppermann am Montagabend bei einem SPD-Wirtschaftsempfang in Berlin. Dort hatte Winterkorn als Hauptredner abgesagt.  Nach Ansicht von Oppermann ist die Affäre auch die Chance für einen Neuanfang. Die Autobauer müssten nun voll auf Elektromobilität setzen.

Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer, sagte, was bei VW passiert sei, zeige, "dass der Preis des Vertrauensbruchs sehr hoch ist". Das dürfte die deutsche Wirtschaft weltweit zu spüren bekommen. Die Industrie verkaufe Waren mit dem Versprechen, beste Qualität zu liefern, was höhere Preise rechtfertige. "Genau hier kann der Schaden sehr hoch sein", meinte Schweitzer. Es gebe jedoch keinen Grund, über das, was in Wolfsburg passiert sei, hämisch herzuzuziehen. Die Lehre aus dem Skandal sei: "Es lohnt sich am Ende nicht, einander hinters Licht zu führen."

Der VW-Dieselskandal bedroht nach Einschätzung des designierten IG-Metall-Chefs Jörg Hofmann Jobs bei Autozulieferern. "Wir haben vor allem ein Beschäftigungsproblem bei den Zulieferern, die heute Dieselteile liefern", sagte der bisherige Gewerkschaftsvize im Interview der "Stuttgarter Zeitung" (Dienstag). Er wies darauf hin, dass allein bei Bosch in Deutschland mehr als 15.000 Arbeitsplätze von dieser Antriebstechnologie unmittelbar abhängig seien. "Um die mache ich mir genauso viele Sorgen wie insgesamt um die Beschäftigten der Branche", sagte Hofmann. Sollte der Rotstift gezückt werden, träfe dies zuerst die Zulieferer. (dpa)

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KOMMENTARE


Teilefuzzi

29.09.2015 - 10:47 Uhr

Ja, der Mann hat bisher Autos aus dem Luxussegment verkauft. Mal sehen, ob der auch Lupos und Polos kennt, oder einen Standart Golf. Jetzt muß er sich mit Kunde "Normalo" beschäftigen, Tageszulassungen in Auftrag geben und Leasing Rückläufer vermarkten. Mal sehen ob er es kann.


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