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Scheuers "Führerschein-Falle": Kehrtwende bei Strafen für Raser

15.05.2020 09:25 Uhr
Scheuers "Führerschein-Falle": Kehrtwende bei Strafen für Raser
Nach Kritik an der neuen StVO will Verkehrsminister Scheuer nun teils zurückrudern.
© Foto: picture alliance / Sven Simon

Mit mehr als 20 Sachen zu viel durch den Ort - das reicht inzwischen, um für einen Monat den Führerschein los zu sein. Die jüngste Verschärfung bringt Autofahrer auf die Palme. Der Verkehrsminister will sie mit einer Rolle rückwärts beschwichtigen.

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Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer will gerade erst verschärfte Regeln zu Fahrverboten für Raser angesichts von Protesten wieder kippen. Der CSU-Politiker nannte eine seit Ende April geltende Bestimmung am Freitag "unverhältnismäßig". Konkret geht es darum, dass nun schon ein Monat Fahrverbot droht, wenn man innerorts 21 Kilometer pro Stunde zu schnell fährt oder außerorts 26 km/h. Scheuer will den Ländern nun vorschlagen, das Fahrverbot zu streichen - dafür soll das Bußgeld von 80 Euro auf 100 Euro steigen.

Der Bundesrat müsste einer erneuten Änderung zustimmen. Für seinen Vorstoß erntete Scheuer Zustimmung, aber auch die nächsten Proteste. Dass die Bundesregierung neue Vorschriften keine drei Wochen nach dem Inkrafttreten selbst wieder infrage stellt, ist gelinde gesagt ungewöhnlich. Dazu kam es, weil Scheuer in einer Zwickmühle steckte: Der Bundesrat brachte eine Reihe von Regel-Verschärfungen in eine Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) hinein, mit der Scheuer eigentlich vor allem auf attraktivere Bedingungen für Radler zielte.

Darunter war auch das neue Fahrverbot für Raser. Der Minister setzte die geänderte Verordnung aber trotzdem zum 28. April in Kraft - die Alternative wäre gewesen, sie erst mal komplett zurückzuziehen.

Der Vorstoß für eine Änderung der Änderung löste bei einigen Experten Kritik aus. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) mahnte: "Überhöhte Geschwindigkeit ist mit das größte Todes- und Verletzungsrisiko auf den Straßen hierzulande." Bei Tempo 70 statt 50 innerorts verdopple sich zum Beispiel der Bremsweg. Der Leiter der Unfallforschung der Versicherer, Siegfried Brockmann, warf Scheuer vor, er wolle vor der Lobby der "Hardcore-Automobilisten" kuschen. "Wer sich an die StVO hält, hat auch nichts zu befürchten." Das Signal, es handele sich um ein Kavaliersdelikt, sei fatal. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) warnte: "Es muss endlich Schluss damit sein, dass der Staat die Verfehlungen von Autofahrenden milde lächelnd durchwinkt."

Scheuer selbst verwies darauf, dass die neuen Regeln für Aufregung bei Autofahrern sorgten. Wegen einer Überarbeitung seien auch Länder auf ihn zugekommen, außerdem gebe es viel Kritik von Experten an den verschärften Regeln für Autofahrer. Im Ministerium wurde auch auf eine Petition mit dem Titel "Führerschein-Falle der StVO-Novelle rückgängig machen" verwiesen, die mehr als 140.000 Unterstützer hat.

Die Änderungen könnten im Zuge einer weiteren Novelle der Straßenverkehrsordnung umgesetzt werden, die in der zweiten Jahreshälfte geplant sei, sagte Scheuer. Dabei geht es eigentlich um die Reform der Autobahnverwaltung. Unterstützung für den Minister kam vom Autoclub ADAC: "Insbesondere die Geschwindigkeitsverstöße werden unverhältnismäßig hart bestraft", sagte Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand.

Der FDP-Politiker Oliver Luksic sagte, die "Führerscheinfalle für Millionen Autofahrer" müsse abgeschafft werden. Der Bundestag beschäftigte sich am Freitag mit Anträgen von AfD und FDP zum Bußgeldkatalog. Der AfD-Abgeordnete Wolfgang Wiehle sagte, in vielen Städten würden neue Tempo-Zonen ausgewiesen. Bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von etwas mehr als 20 Stundenkilometern sei der Führerschein schnell weg - für Handwerker oder Taxifahrer bedeute dies, dass sie ihren Job verlören.

"Fähnchen im Wind als Verkehrsminister"

Dagegen sagte der Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar: "Wir haben ein Fähnchen im Wind als Verkehrsminister." Die SPD-Politikerin Bela Bach sagte, es sei niemand gezwungen, zu schnell zu fahren. So argumentierten auch viele Nutzer in sozialen Netzwerken, wo es eine heftige Debatte gab. Die Linke-Abgeordnete Sabine Leidig warf Scheuer einen "Kniefall" vor der Autolobby vor. Es gehe darum, Todesopfer bei Unfällen auf den Straßen zu verhindern. Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer befand: "Scheuer hat ein Herz für Raser." Dies sei befremdlich. "Die neuen Regeln sind absolut verhältnismäßig, auch weil es weniger Unfälle dadurch geben dürfte."

Die Änderungen in der Straßenverkehrsordnung sollten vor allem der Sicherheit von Radfahrern und Fußgängern dienen. Unter anderem dürfen Autos nun nicht mehr auf Fahrrad-Schutzstreifen anhalten - bisher war nur das Parken dort verboten, Halten aber erlaubt. Fürs Überholen von Radfahrern ist seit Ende April ein Mindestabstand von 1,50 Metern innerorts und zwei Metern außerorts vorgeschrieben. Lkw über 3,5 Tonnen müssen innerorts beim Rechtsabbiegen in Schrittgeschwindigkeit fahren, wenn mit Rad- oder Fußverkehr gerechnet werden muss. (dpa)

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KOMMENTARE


Beobachter

15.05.2020 - 19:03 Uhr

Zu Herrn Scheuer fällt mir gar nichts mehr ein! Dieser Mensch sorgt doch ganz allein für sein Image. Dass sich die Raser über Konsequenzen ihres zu schnell Fahrens aufregen und jetzt der Verkehrsminister kuscht ... - eine Peinlichkeit für Deutschland. Wo ist denn das Problem? Einfach nicht zu schnell fahren, dann ist doch alles ok! Aber so lange sich im Land der Lichter und Lenker jeder Autofahrer seine Regeln selbst machen darf ...


Erwin Tischler

15.05.2020 - 19:10 Uhr

Ja, liebe Grünen und Linken, da wir ja noch gar nicht wissen, wie wir die Corona-Krise wirtschaftlich überstehen, nehmt doch einfach allen Arbeitnehmern wegen geringfügiger Geschwindigkeitsüberschreitungen für einen Monat den Führerschein ab! Das schont die Umwelt, die CO2-Werte und die Stickoxide, sofern er einen Diesel fährt, gehen runter! Der Mann wird entlassen, zahlt dann auch keine Lohnsteuer mehr, der Konsum wird auf die Möglichkeiten von Alo-Geld beschränkt - und dann habt ihr doch alles, was Ihr wollt: Regeln, an die sich jeder halten muss, eine sauberere Umwelt! Jetzt müsst Ihr uns nur noch sagen, wovon wir in Zukunft leben wollen ...


Detlef Rüdel

16.05.2020 - 08:33 Uhr

Sorry, warum? Ich muss mich nur daran halten, was ist daran so schwer? Daher halte ich es für falsch, hier noch einmal nachzubessern. Schauen wir einmal in die Schweiz usw. Dort ist es eine Straftat, welche dazu führt, dass das Fahrzeug beschlagnahmt und der Umstand strafrechtlich geahndet wird. Vielleicht sollte man einfach mal darüber nachdenken, sich im öffentlichen Verkehr konform zu verhalten. Wer das macht, hat dann auch nichts zu befürchten. Somit weiterhin allzeit allen eine gute Fahrt.


Dieter Olk

16.05.2020 - 08:46 Uhr

Ja, ja, unser sehr geschätzter Herr Scheuer! Ob er "ein Fähnchen im Wind" ist oder einfach nur deppert, dass weiß ich nicht so genau. Das er hinterher auch mal schlauer ist und etwas korrigiert, was eine verkorkste Nummer war, ist dennoch richtig. Das so ein Mann sich aber trotz erwiesener Fehlentscheidungen "oben halten kann" verwundert sehr. Es ist aber der Macht der CSU zuzuschreiben. Die Bayernpartei kennt keine Skruppel; Herr Scheuer auch nicht. Also immer schön weitermachen, es wird ihm bestimmt wieder was Tolles einfallen, um auf sich aufmerksam zu machen.


emk

16.05.2020 - 11:14 Uhr

Was will man auch von einem Minister erwarten, der Steuergelder verschwendet und nicht strafrechtlich verfolgt wird. Unsereins in der privaten Wirtschaft wäre schon längst entlassen und im Knast.


M.T.

18.05.2020 - 06:56 Uhr

Zu schnell ist immer relativ. Völlig einzusehen ist es, wenn Fahrer, die bewusst zu schnell unterwegs sind, dieses auch zu spüren bekommen. Aber wer denkt gerade an die Situationen, wo eine Tempo-50-Zone auf einmal in eine Tempo-30-Zone übergeht und man die Beschilderung - aus welchem Grund auch immer - nicht wahrnehmen konnte? Dann, meine Lieben, ist das Gejammer groß und die Gerichte werden mit Verfahren geflutet. Jeder, der bereits einmal in diese Fallen getappt ist, wird wissen, wovon ich spreche. In diesem Sinne. - Fahren Sie umsichtig, angepasst und rücksichtsvoll. - Und damit meine ich auch die Radfahrer ...


Timo Schultz

18.05.2020 - 09:33 Uhr

Ausnahmsweise dreht sich der Wendehals mal in die richtige Richtung ....


Henry

18.05.2020 - 10:21 Uhr

Wenn ich mich auf die anderen Kommentare beziehen darf, es ist wie bei den Steuern: Zuerst nimmt man Ihnen 70-75% Ihres Einkommens durch direkte und indirekte Steuern und Abgaben ab, dann irgendwie wieder 20% dessen zurück (Kindergeld oder Pendlerpauschale o.ä.). Wenn man nach den “Corona-Maßnahmen“ mit Kontaktverboten, Ausgangssperren und Arbeitsverboten jetzt wieder einen Kaffee trinken gehen darf (unter vielen Auflagen natürlich), steigt die Zustimmung der „Zuchtmeister“, soweit man der veröffentlichten Meinung Glauben schenken möchte, scheinbar auch enorm an. Und da wollte der Herr Scheuer eben auch anknüpfen, wenn er zuerst komplett überzogene Strafen (O‘ Ton Scheuer: „ ...auch wegen der sozialen Gerechtigkeit“ - was für ein Schwachsinn, aber der zieht halt überall...) die Gängelungen wieder etwas zurücknimmt.


Martin Bach

18.05.2020 - 15:14 Uhr

Wer schon mal über die vierspurige Bundesstraße durch Freiburg gefahren ist, wird Verständnis dafür haben, dass dort jemand eine Geschwindigkeitsbeschränkung (z.B. 30 km/h) übersieht. Die gelten dort zu unterschiedlichen Zeiten und Wochentagen und gefühlt steht alle zwei Meter irgendein Schild, vor allem, wenn man auf die Radfahrer achtet, die gegen die Fahrtrichtung fahren oder rote Ampeln ignorieren.


Renato

18.05.2020 - 20:52 Uhr

Im Prinzip sind die neuen Regelungen nur eine Anpassung an unsere ausländischen Nachbarn und nichts Aufregendes. Einziger Kritikpunkt ist die Regelung bei „Tempo 30 Zonen Innerhalb geschlossener Ortschaften“. Hier kann es tatsächlich mal passieren, dass ein Schild übersehen wird. Deshalb wäre hier ein Fahrverbot eine besondere Härte. Aber wer außerorts 26 km/h + fährt ist einfach zu schnell gewesen. Warum soll da jetzt zwingend nachgebessert werden? Angst vor Wählerverlust?


Autofahrer

19.05.2020 - 07:56 Uhr

@MT - Heute übersehen Sie mal ein Schild, morgen einen Radfahrer (die Sie ja - wie man merkt - anscheinend nicht leiden können), übermorgen einen Fußgänger und dann, dass die Straße nicht mehr geradeaus weitergeht?!?!?! Im Straßenverkehr hat man aufmerksam zu sein. Das hat mal bei allen geklappt, nämlich damals bei der Fahrschule und FS Prüfung. Danach heißt es nach mir die Sinnflut. Ich fahre auch gern mal 10-25 kmh zu schnell und muss mich jetzt auch zusammenreißen. Aber solche Argumente sind lächerlich. Hier wollen nur Raser und Verkehrsrowdys wieder die Möglichkeit haben, das Ganze fast gefahrlos zu tun. In anderen Ländern gibt es seit Jahren härtere Strafen und da wirkt es. In Deutschland wollen die Leute weiter den Freifahrtschein haben, gegen (schon lange) geltende Regeln zu verstoßen, ohne großartige Strafen zu befürchten. Traurig.


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