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TÜV Verband besorgt: Führerscheinprüfungen und Durchfallerquoten auf Rekordniveau

02.04.2024 05:23 Uhr | Lesezeit: 9 min
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Beim BF17-Führerschein sind die Durchfallquoten niedriger. Dieses "deutsche Erfolgsmodell" habe das Unfallrisiko von Fahranfängern deutlich gesenkt und ist aktuell für eine EU-weite Einführung vorgeschlagen.
© Foto: Versicherungskammer Bayern

Fast zwei Millionen theoretische Führerscheinprüfungen bedeuten ebenso einen neuen Höchststand wie die Zahl der Durchfaller bei den Theorieprüfungen. TÜV-Verband plädiert deshalb für eine Weiterentwicklung der Fahrausbildung und eine Stärkung der Verkehrserziehung.

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Die Zahl der Fahrprüfungen in Deutschland ist auf einen neuen Höchstwert gestiegen. Im Jahr 2023 haben die Technischen Prüfstellen bundesweit rund 1,97 Millionen theoretische Prüfungen durchgeführt – etwa 150.000 mehr als im Vorjahr (plus 8 Prozent). Auch die Zahl der praktischen Prüfungen ist 2023 leicht gestiegen. Insgesamt wurden rund 1,77 Millionen praktische Prüfungen abgenommen, ein Plus von 1 Prozent zum Vorjahr. Das zeigen aktuelle Daten des TÜV-Verbands auf Grundlage von Erhebungen der TÜV | DEKRA arge tp 21.

4 von 10 Fahrschülern versagen in der Theorie

"Der Run auf den Führerschein ist ungebrochen", sagt Richard Goebelt, Fachbereichsleiter Fahrzeug und Mobilität beim TÜV-Verband. Das Prüfungssystem halte dem Ansturm weiterhin stand und beweise seine Leistungsfähigkeit.

Laut dem aktuellen Datenreport haben 42 Prozent der Fahrschüler:innen die theoretische Prüfung im Jahr 2023 nicht bestanden – ein neuer Negativrekord. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Durchfallquote um 3 Prozentpunkte gestiegen, im langfristigen Vergleich zum Jahr 2014 sogar um 10 Punkte.

Fast jeder Dritte fällt durch die Fahrprüfung

In der praktischen Fahreignungsprüfung lag die Durchfallquote im Jahr 2023 bei 30 Prozent – ein Plus von 4 Prozent im Vergleich zu 2014. "Für die Fahrschüler sind nicht bestandene Prüfungen eine enorme Belastung – finanziell und mental", sagt Goebelt. Hinzu komme, dass fie hohen Nichtbestehensquoten das Prüfsystem belasten. "Jede nicht bestandene Fahrprüfung muss wiederholt werden und bindet Prüfkapazitäten.“

Mehrfaches Scheitern eher Regel als Ausnahme

Von den insgesamt 1,97 Millionen Theorieprüfungen im Jahr 2023 waren rund 720.000 Wiederholungsprüfungen – ein Anteil von 37 Prozent. Bei den praktischen Prüfungen lag der Anteil der Wiederholungen bei 25 Prozent oder rund 436.000 Prüfungen. "Mehrfaches Scheitern ist eher die Regel als die Ausnahme", sagt Goebelt.

Die Nichtbestehensquote bei den theoretischen Wiederholungsprüfungen liegt bei 54 Prozent (zum Vergleich 2014: 45 Prozent) und bei den praktischen bei 40 Prozent (2014: 32 Prozent).

Forderung nach moderne(re)n Lernmethoden

"Wollen wir diese Entwicklung stoppen, müssen wir die Qualität der Fahrausbildung durch moderne Lernmethoden und eine gezielte Prüfungsvorbereitung verbessern", so Goebelt. "Darüber hinaus müssen wir früher ansetzen und die Mobilitätserziehung in den Schulen ausbauen."

In den vergangenen Jahren wurde die praktische Fahrprüfung bereits modernisiert. Ein wesentliches Element war die Einführung des digitalen Prüfprotokolls. Goebelt: "Insbesondere bei nicht bestandenen Prüfungen können Fahrschüler von der Leistungsbeurteilung profitieren, wenn diese Protokolle konsequent mit den Fahrausbildern ausgewertet werden."

Pkw-Prüfungsleistungen unterschiedlich

Der größte Anteil der Fahreignungsprüfungen entfällt auf die Klasse B (ohne BE und BF17). Mehr als die Hälfte aller theoretischen Prüfungen erfolgten in dieser Pkw-Klasse (53 Prozent). Mit 1,04 Millionen theoretischen Prüfungen verzeichneten die Technischen Prüfstellen in der Klasse B einen neuen Spitzenwert.

Die Zahl der praktischen Prüfungen lag mit rund 835.000 auf Vorjahresniveau. Bei den Theorieprüfungen war bei den Durchfallquoten ein neuer Negativrekord zu verzeichnen. Fast jede zweite theoretische Prüfung in der Klasse B wurde nicht bestanden (49 Prozent) – ein Plus von 3 Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr. Bei den praktischen Prüfungen lag die Durchfallquote in der Klasse B bei 42 Prozent - im Vorjahr sogar bei 43 Prozent.

BF17-Prüflinge schneiden besser ab

Das begleitete Fahren ab 17 ist weiterhin beliebt: In der Klasse BF17 sind im Jahr 2023 rund 519.000 Theorieprüfungen und rund 443.000 praktische Prüfungen abgenommen worden. Die jüngeren Pkw-Fahrschüler:innen sind seltener durch die Führerscheinprüfung gefallen: Bei der Theorieprüfung lag die Durchfallquote im Jahr 2023 bei 38 Prozent, 11 Prozentpunkte niedriger als in der Klasse B. Auch in der praktischen Prüfung waren die Leistungen der jüngeren Führerscheinanwärter:innen besser: Die Nichtbestehensquote bei den praktischen Prüfungen in der Klasse BF17 betrug 26 Prozent. Die Quote ist seit Jahren weitgehend konstant.

"Gute Leistungen" beim Lkw-Führerschein

Für das Jahr 2023 meldeten die technischen Prüfstellen rund 122.000 theoretische und rund 121.000 praktische Prüfungen in den Klassen C1/C1E/C/CE. Damit bleiben die Prüfungszahlen in den Lkw-Klassen auf dem hohen Niveau des Vorjahres. Über die vergangenen zehn Jahre ist in diesen Klassen ein konstantes Wachstum zu beobachten – die Prüfungszahlen haben seit 2014 um etwa 40 Prozent zugenommen. Die Berufsfahrer:innen zeigen bei den Fahreignungsprüfungen dem Vernehmen nach "zuverlässig gute Leistungen". In den C-Klassen lag die Durchfallquote bei 16 Prozent in der theoretischen und bei 14 Prozent in der praktischen Prüfung. 

Prüfungen zur Personenbeförderung steigen kräftig

In den Bus-Klassen D1/D1E/D/DE, die für die Beförderung von mehr als acht Personen erforderlich sind, gab es einen kräftigen Anstieg der Prüfungszahlen. Die Zahl der theoretischen Prüfungen in allen D-Klassen ist im Jahr 2023 um 31 Prozent auf rund 13.000 gestiegen. Die Zahl der praktischen Prüfungen ist um 30 Prozent auf rund 15.500 gewachsen. In den Klassen D wurden 19 Prozent der theoretischen und 21 Prozent der praktischen Prüfungen nicht bestanden.Die steigenden Prüfungszahlen in der Personenbeförderung sieht Goebelt als "erfreulich, weil sich in diesem Sektor ein zunehmender Fahrermangel abzeichnet". Gerade mit Blick auf die wachsende Bedeutung des öffentlichen Personennahverkehrs sei es notwendig, dass ausreichend Fahrer:innen zur Verfügung stehen.

"Fahrausbildungs-Qualität verbessern!"

Die unabhängigen Prüfstellen sichern nach dem Dafürhalten von Richard Goebelt ein flächendeckendes Angebot an Fahrerlaubnisprüfungen sowohl in Städten als auch in ländlichen Regionen. Angesichts der steigenden Durchfallquoten insbesondere bei den theoretischen Fahrprüfungen müsse jetzt aber der Fokus darauf gelegt werden, die Fahrausbildung zu stärken. Neben der Senkung der Nichtbestehensquoten gehe es darum, die Fahrkompetenz der Fahranfänger:innen zu steigern und damit die Verkehrssicherheit insgesamt zu verbessern. "Elemente sind E-Learning-Angebote in der theoretischen Fahrausbildung, klare Vorgaben zum Ausbildungsverlauf, eine Lernstandsbeurteilung vor der Prüfung oder auch neue Lernmethoden wie Fahrsimulatoren", so Goebelt.

Ein entsprechendes "Ausbildungs- und Evaluationskonzept zur Optimierung der Fahrausbildung" der Bundesanstalt für Straßenwesen (BaSt) liege bereits seit einigen Jahren vor. "Eine Fahrerlaubnisprüfung darf kein Schuss ins Blaue sein“, betont Goebelt. "Verbindliche Lernstandsbeurteilungen in der Fahrschule gewährleisten, dass mehr Fahrschüler bei der Prüfung erscheinen, die auch realistische Chancen auf ein Bestehen haben." So würden Prüfkapazitäten frei und die Prüfstellen entlastet. 

Höhere Verkehrsdichte, mehr Mischverkehr

Aus Sicht des TÜV-Verbands muss die Verkehrserziehung insgesamt einen höheren Stellenwert bekommen. Schließlich werde der Verkehr immer komplexer und gleichzeitig treffen auch immer mehr Autos auf immer mehr Fahrräder, E-Scooter, Lastenräder, Motorräder und den explodierenden Lieferverkehr. Goebelt fordert deshalb: "Wir brauchen eine bessere Mobilitätsausbildung während der gesamten Schulzeit – von der Grundschule bis zur Oberschule." Auch die Eltern seien gefragt, Kinder bei der aktiven Teilnahme am Straßenverkehr zu unterstützen. 

Empfehlungen zur EU-Führerscheinrichtlinie

Der TÜV-Verband unterstützt die EU-Kommission bei den Plänen für die 4. Europäische Führerscheinrichtlinie. Insbesondere eine europaweite Einführung des begleiteten Fahrens mit 17 sieht er positiv. Der Führerschein mit 17 sei ein deutsches Erfolgsprojekt und habe dazu beigetragen, das Unfallrisiko von Fahranfängern deutlich zu senken.

Dass jetzt auch in Pilotprojekten begleitetes Autofahren mit 16 Jahren möglich wird, sei positiv zu bewerten. Um eine sichere Teilnahme am Verkehrsgeschehen zu gewährleisten, sollten auch ältere Menschen intensiv in Bezug auf ihre Leistungsfähigkeit hinsichtlich Fahrkompetenz und Fahreignung aufgeklärt werden.

Der TÜV-Verband empfiehlt zudem regelmäßige Feedbackfahrten für Führerscheinbesitzer:innen ab 75 Jahren. So könne eine sichere Mobilität ein Leben lang erhalten werden. Auch die rasche Einführung eines EU-weit gültigen digitalen Führerscheins sei überfällig. Durch Einführung des digitalen Führerscheins könne außerdem der Verwaltungsaufwand in Behörden und Prüfstellen reduziert werden. Jetzt kommt es laut Goebelt darauf an, dass die digitale Lösung im Hinblick auf Datenschutz und Datensicherheit "robust und belastbar" ist.

Methodik-Hinweis

Den Datenreport zu den Fahrerlaubnisprüfungen 2023 erhebt die TÜV | DEKRA arge tp 21 GbR. Die vom Kraftfahrtbundesamt (KBA) veröffentlichten Daten zum Fahrerlaubniswesen können im aktuellen Jahr wegen Nachmeldungen leicht abweichen.  

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