Motorradfahrer profitieren eindeutig "nicht von allgemeinen Fortschritten in der Verkehrssicherheit", sagt UDV-Leiter Siegfried Brockmann. Im vergangenen Jahr wurden 619 Biker getötet, was einem Anteil von 21 Prozent an allen Verkehrstoten entspricht. Inzwischen ist damit ihr Risiko, getötet zu werden, bezogen auf die gefahrenen Kilometer, etwa 21 Mal höher als im Auto.
Wie eine neue Studie der UDV nachweist, liegt dies auch daran, dass heute gebräuchliche Schutzkleidung mit eingebauten Protektoren relativ wirkungslos ist, wenn es zu einem typischen Aufprall-Crash mit einer Geschwindigkeit höher als 25 km/h kommt.
Nur Airbagjacken mit großem Luftvolumen wirklich wirksam
Die auf einer detaillierten Auswertung der Unfallverletzungen und umfangreichen Simulationen beruhende Studie zeigte außerdem, dass inzwischen im Markt verfügbare Airbagjacken diesen Bereich auf etwa 50 km/h erweitern könnten. "Bei größerem Airbagvolumen könnten sie sogar bis zu Aufprallgeschwindigkeiten von 70 km/h wirksam sein", so Brockmann.
Er fordert deshalb unmissverständlich auch weitere Produktentwicklungen in dieser Richtung. Vor allem gehe es um die Kommunikation mit den Fahrerinnen und Fahrern: "Wir müssen klar sagen, dass keine praktikable Schutzkleidung in der Lage ist, bei einem Aufprall mit üblicher Landstraßengeschwindigkeit eine tödliche Verletzung zu verhindern", so Brockmann. Die Bilder von Motorradrennen, bei denen die Fahrer nach schweren Stürzen aufstehen und weiterfahren, seien deshalb fatal. In der Landstraßenrealität gebe es solche Auslaufzonen nur sehr selten.
Alleinunfälle schwerwiegender als Crashs bei Gruppenfahrten
Für Motorradunfälle gelte daher umso mehr: Das größte Verbesserungspotential sitzt auf dem Motorrad. Durch Auswertung ihrer Unfalldatenbank hat die UDV in diesem Zusammenhang ermittelt, ob das Fahren in Gruppen ein besonderes Risiko darstellt. Obwohl solche Fahrten häufig sind, wurde dies noch nie näher untersucht. Wichtigstes Ergebnis dabei: Die Unfallkonstellationen bei Allein- und Gruppenfahrten unterscheiden sich wesentlich.
Während bei Alleinfahrten die Kollisionen mit Autos oder Lkw an Kreuzungen und Einmündungen häufig sind, dominiere bei Gruppenfahrten die Kollision mit anderen Motorrädern, vorwiegend mit eigenen Gruppenmitgliedern, aber auch mit entgegenkommenden Maschinen. Hauptgrund seien die oft viel zu geringen Sicherheitsabstände zwischen den Motorrädern. Insgesamt aber sind laut Brockmann Gruppenfahrten mit einem Anteil von 15 Prozent an allen erfassten schweren Motorradunfällen kein besonderes Sicherheitsrisiko.
"Kaum technisches Optimierungspotential"
Verbesserungspotential in der Motorradtechnik sieht Brockmann, abgesehen von möglichen Entwicklungen in der Kommunikation von Fahrzeugen untereinander, kaum. Auch bei der Sicherheitskleidung sei nach den Ergebnissen der Studie der Spielraum begrenzt. Schutzplanken mit Unterfahrschutz sollten forciert installiert werden, können aber auch in vielen Fällen schwere Verletzungen nicht verhindern.
Regelmäßige Sicherheitstrainings gefordert
Brockmann verwies darauf, dass rund zwei Drittel aller getöteten Motorradfahrer auf Landstraßen ihren Unfall selbst verursacht hätten. Nötig seien deshalb verpflichtende Fahrsicherheitstrainings in regelmäßigen Abständen, die sowohl auf abgesperrtem Gelände, als auch im realen Straßenverkehr stattfinden müssten. (wkp)