In Zeiten, in denen sämtliche Geschäftsprozesse bis zum letzten Schritt durchgeplant sind, hat es die Kreativität nicht immer leicht. Umso spannender ist es zu sehen, wenn ein Projekt eine neue Richtung einschlägt und unverhofft zu einer Prozessumstellung innerhalb einer ganzen Autohaus Gruppe führt.
Basis für die Zukunft
Solche spontanen Entwicklungen benötigen die entsprechenden Voraussetzungen im Unternehmen. Denn wenn man das Thema Digitalisierung nicht konsequent vorantreibt, fehlt es auch an Innovationskraft in den Fachabteilungen. Für Nord-Ostsee Automobile wäre dies keine Option. „Wir haben bereits vor zehn Jahren damit angefangen, die Basisstrukturen für die heutigen digitalen Prozesse zu schaffen. Damals starteten wir mit neuen Rechenzentren, Vernetzung und Hardware. Erst im zweiten Schritt konnten wir überhaupt erst an Themen wie künstliche Intelligenz und Data Hubs denken“, erinnert sich Jörn Sander, CFO bei Nord-Ostsee Automobile.
Neben der Technik kommt es aber auch auf den Menschen an. „Es gehört Mut und Vertrauen dazu, diese Investitionen zu tätigen. Gerade bei großen Umstellungen benötigt man Führungskräfte und Personal, die solche Projekte umsetzen“, so Sander weiter. Denn digitale Entwicklungen brächten erst wirtschaftlich etwas, wenn sie zu einhundert Prozent im gesamten Unternehmen umgesetzt würden
Standzeitenmanagement
Für jeden Händler ist es ein gutes Standzeitenmanagement von großer Bedeutung für den wirtschaftlichen Erfolg. Das war der Impuls für den Mercedes-Händler, die Fahrzeuge standortunabhängig mit GPS-Trackern zu überwachen. Ziel war es, die Standzeiten im gesamten Unternehmen transparent auswerten zu können.
Gemeinsam mit autosecure wurde die Locate-App aufgesetzt. „Wir arbeiteten bereits eng mit Nord-Ostsee Automobile zusammen“, erinnert sich Stefan Chüo, Geschäftsführer von autosecure. „Da es sowohl um Tracking als auch um das Thema Sicherheit ging, war die Entwicklung für uns ein in mehrfacher Hinsicht spannendes Projekt.“ Neben den Fahrzeugen sollten auch die Schlüssel lokalisiert werden können, um die Effizienz in den Werkstattprozessen zu steigern. Beide Funktionen wurden schließlich in Locate vereint.
Das Tracking
Um die Fahrzeuge tracken zu können, wird bei der Fahrzeughereinnahme ein spezieller Stecker für die ODB-Schnittstelle genutzt. Dieser erkennt unabhängig vom Fabrikat Daten wie Fahrgestellnummer, Kilometerstand, Tankinhalt oder Batteriefüllstand. Diese Daten werden in die Locate-Datenbank eingespielt. Auf diese Weise werden bei Nord-Ostsee Automobile auf der Plattform rund 3.000 Fahrzeuge verfolgbar gemacht. Die Mitarbeiter sehen den aktuellen Standort, den Zustand und wann das Fahrzeug zum letzten Mal bewegt worden ist.
Bereits kurz zuvor hatte der Händler die Software Workshop Control eingeführt. Das System digitalisiert viele Werkstattprozesse und so kam man auf die Idee, ob sich die App nicht auch mit dem neuen Werkstatt-Tool verbinden ließe. „Ab hier entwickelte sich Locate zu einem echten Gemeinschaftsprojekt, da die gesamte Integration der Prozesse via Workshop Control in erster Linie durch das Fachwissen der Kollegen von Nord-Ostsee Automobile gelang“, betont Stefan Chüo.

Anschluss an Workshop Control
Die Idee, beide Systeme via API zu verbinden, hatte einen bestimmten Grund. Zwar deckt Workshop Control alle Prozesse für Fahrzeuge ab, die von den Servicemitarbeitern aufgenommen wurden. „Allerdings steuert auch der Vertrieb Fahrzeuge in die Werkstatt ein, vor allem bei der Hereinnahme oder für Übergabeinspektionen“, weiß Patrik Pietryga, Leiter Geschäftsbereiche After-Sales bei Nord Ostsee Automobile. „Dies geschah in der Vergangenheit häufig über andere Tools oder Papier-Formulare. Der Sales-Mitarbeiter konnte daher den Status des Fahrzeugs in der Werkstatt nicht verfolgen und hatte keine Gewissheit, ob der Abholtermin gehalten werden kann.“ Zwar hatte die Werkstatt dem Vertrieb immer Räume in der Planung freigehalten. Die fehlende Transparenz führte jedoch dazu, dass entweder zu viele Fahrzeuge von der Sales-Abteilung eingesteuert wurden, oder die Sales-Fahrzeuge bei hoher Werkstattauslastung warten mussten.
Dieser Prozess sollte verbessert werden, indem die Sales-Kollegen die Möglichkeit bekamen, Workshop Control mitzubenutzen, und zwar über Locate. Über die App gibt der Verkäufer alles, was am Fahrzeug gemacht werden soll, an die Service-Kollegen weiter. Gleichzeitig bucht er einen Terminslot in der Werkstatt. Dort wird immer ein bestimmtes Zeitkontingent für eben jene Fahrzeuge freigehalten. „Evosec, der Anbieter von Workshop Control, hatte bereits eine ähnliche Idee und stellte eine passende Schnittstelle (API) zur Verfügung“, erzählt Patrik Pietryga. „So hatten wir einen Kanal, über den die Vertriebsmitarbeiter verbindlich Termine mit Live-Abfrage buchen konnten.“ Das System zeigt auch die verfügbaren Monteure sowie die Arten und die Anzahl der Termine in der Werkstatt. So können interne Aufträge gegenüber den von den Endkunden online gebuchten entsprechend priorisiert werden.
Volle Transparenz
Ein großer Vorteil ist die Planbarkeit, speziell bei den Hereinnahmen. „Der Verkäufer kann bereits vor Fahrzeuganlieferung den Servicetermin in der Werkstatt buchen“, erzählt Jörn Sander. Dabei sollte alles so einfach wie möglich gehalten sein. Nicht nur für Verkäufer: Die Werkstatt hinterlegt in Workshop Control lediglich die Fertigstellung und teilt somit dem Verkäufer automatisiert mit, dass ein Fahrzeug fertig ist. Ansonsten sind keine weiteren Prozessschritte nötig.
Diese Prozessoptimierung hat auch für ein besseres Miteinander zwischen Werkstatt und Vertrieb geführt. „Früher mussten bei Vollauslastung Aufträge oft geschoben werden“, berichtet Gerd Schneider, COO bei Nord-Ostsee Automobile. „Locate verhindert dies, weil alle Aufträge fest eingeplant werden. Und wir können diese Aufträge automatisch mit einem RPA – einem Software-Roboter, der automatisiert Prozesse umsetzen kann – schreiben lassen, da Locate uns die notwendigen Daten liefert. Das erspart noch einmal zusätzlich Zeit.“
Das Gemeinschaftsprojekt zwischen Nord-Ostsee Automobile und autosecure ist ein schönes Beispiel, wie fruchtbar die Zusammenarbeit zwischen Autohaus und Dienstleister sein kann. So kam am Ende ein neues Produkt heraus, dass beiden Parteien nutzt. Dies zeigt, wie wichtig Partnerschaften gerade im Bereich Digitalisierung sind. Denn ein Tool, das vom Handel mitentwickelt worden ist, nützt ihm am Ende auch am meisten.