Zu was ein Elektroauto in Sachen Leistung, Laden und Dauerbelastung imstande ist, lässt sich mehr als deutlich an der jüngsten Rekordfahrt ablesen, die Mercedes-AMG mit ihrem Technologieträger GT XX unternommen haben. Auf dem Hochgeschwindigkeitskur im süditalienischen Nardo stellte das viertürige Konzeptfahrzeug in einem Hitze- und Härtetest alles bisher Dagewesene so deutlich in den Schatten, dass man glauben könnte, die anderen Hersteller, die hier zuvor unterwegs waren, hätten ihre Hausaufgaben nicht gemacht.
Mercedes-AMG Concept GT XX

25 Rekorde fuhr der GT XX insgesamt ein, legte innerhalb von 24 Stunden nicht nur 5.479 Kilometer zurück, sondern setzte dem Ganzen gleich auch noch absolute Marathon-Krone auf, indem man die Limousine knapp acht Tage durchrennen ließ. Am Ende standen 40.075 Kilometer auf dem Tacho, dem Erdumfang am Äquator.
Der AMG GT XX ist eine komplette Neuentwicklung und das erste Fahrzeug der Affalterbacher Performance-Tochter, das auf der sogenannten AMG-EA steht, einer Hochleistungs-Elektro-Architektur, wie es sie derzeit in dieser Ausprägung und Leistung nirgends zu finden ist.
Mercedes-AMG Concept GT XX bietet über 1.300 PS
Die technischen Eckdaten sind beeindruckend. Drei (zwei hinten, einer vorne als Booster) sehr kompakte und leichte Axial-Fluss-Motoren (AFM) schicken 1.000 kW (1,0 MW oder 1.360 PS) an die Räder. Die Drehmoment-Dichte soll doppelt so hoch sein wie bei herkömmlichen Elektromotoren. Einen absoluten Wert verrät AMG noch nicht, sagt aber, dass eine Spitzengeschwindigkeit von 360 km/h erreicht wird. Der Sprint von null auf Tempo 100 dürfte in deutlich unter drei Sekunden erledigt sein.
Die nötige Energie liefert eine eigens von AMG entwickelte Hochleistungsbatterie. Eingesetzt werden spezielle, zirka zehn Zentimeter hohe und relativ schlanke NCMA- Rundzellen (Zylinderform). Zur Klimatisierung werden sie von einem elektrisch nichtleitenden Transformatoren-Öl umspült. Es dient der direkten Kühlung, aber auch als Heizung, je nach äußeren Bedingungen. Das Ziel: Die Zelle stets im optimalen Temperaturfenster zu halten, um an der Ladesäule möglichst viel Strom in kurzer Zeit ziehen zu können.
Mercedes-AMG Concept GT XX: Ultraschnelle Ladung
Letztere Disziplin dürfte erneut so ziemlich alles hinter sich lassen, denn der GT XX kann mit rund 850 kW Leistung geladen werden (bislang sind 350 bis 400 kW die Spitzenwerte). Und dies nicht nur kurzzeitig, sondern über einen nutzerfreundlichen Zeitraum, so dass der Akku (Kapazität deutlich über 100 kWh) in rund zehn Minuten zu 80 Prozent wieder gefüllt sein dürfte. AMG gibt „frische“ 400 Kilometer in nur fünf Minuten an. Motto: Laden soll wie Tanken werden. Die aktuelle Ladeleistung wird per LED groß am Heck angezeigt.
So viel Power allerdings bietet derzeit keine öffentliche Ladestation. Mercedes will jedoch, zeitlich parallel zum Serienstart der viertürigen Coupé-Limousine, ab 2026 nach und nach solche Super-Charger an seinen Ladeparks installieren.
Mercedes-AMG Concept GT XX gleicht Serienmodell
Im Design gleicht der GT XX bereits weitgehend dem Serienmodell (intern Baureihe C 590, Produktion in Sindelfingen). Lediglich die Front erfährt noch kleine Änderungen. Damit dürfte es bei der guten Aerodynamik der Studie bleiben, die auf den sensationell niedrigen Cw-Wert von 0,198 kommt. Zum Vergleich: Die Mercedes EQS-Limousine hat mit 0,20 die bisherige Bestmarke im Segment.
Bezeichnend für die intensive Feinarbeit im Windkanal ist zudem, dass der GT XX (wie wohl auch das Serienfahrzeug) bei Geradeausfahrt selbst bei über 300 km/h ohne ausgefahrenen Heckspoiler auskommt. Kompensiert wird das mit einem aerodynamisch speziell gestalteten Unterboden.
In Planung ist außerdem ein sogenannter Plasma Aktuator, eine Art virtueller Zusatzspoiler. Eine elektrisch leitende Folie (sie kann sogar überlackiert werden) wird gezielt dort am Heck angebracht, wo üblicherweise Verwirbelungen entstehen. Liegt eine elektrische Spannung an, strömt die Luft sauber entlang der Kontur.
"Neue Dimension des elektrischen Fahrens"
Eine smarte Innovation hält AMG auch im Innenraum bereit: maßgefertigte Sitze. Kling zunächst nicht revolutionär. Der Unterschied liegt in der Fertigung. Hierzu vermisst ein Computer-Programm (Body Scan) den Fahrer. Die Daten gehen an einen 3D-Drucker, der vier passgenaue Polster (Pads) herstellt, die dann in die Sitzschale eingesetzt werden.
Michael Schiebe, Chef von Mercedes-AMG, verspricht für das Serienfahrzeug "eine neue Dimension des elektrischen Fahrens". Bestätigt haben ihm dies bereits amerikanische Händler, die mit Prototypen unterwegs sein durften. Manche sagten, sie hätten nicht gespürt, in einem typischen E-Auto zu sitzen, so gut hätte AMG den künstlichen Achtzylinder-Sound und die virtuellen Gangwechsel hinbekommen.