Der Zolldeal zwischen den USA und der Europäischen Union hat in Deutschland und Europa teils scharfe Kritik ausgelöst. Das Abkommen sieht einen Zollsatz in Höhe von 15 Prozent für die meisten EU-Importe in die USA vor. Viele sehen darin einen unausgewogenen Kompromiss. Deutliche Worte kommen aus der französischen Regierung und Teilen der deutschen Industrie. Die Bundesregierung verteidigt hingegen die Einigung und hofft auf Nachverhandlungen zu Stahl- und Aluminiumzöllen.
Aktuell und seit April gelten in den USA Autozölle in Höhe von 27,5 Prozent, die auch die deutschen Hersteller belasten. Die Zölle bezahlt in der Regel der Importeur, der die gestiegenen Kosten an die Endkunden weitergeben kann oder an anderer Stelle einsparen muss. VW beispielsweise hatte zuletzt angegeben, im zweiten Quartal 1,2 Milliarden Euro für die Einfuhrzölle in den USA gezahlt zu haben.
Von den 27,5 Prozent gehe es nun runter auf 15 Prozent, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. 15 Prozent seien nicht zu unterschätzen, aber auch das Beste, was möglich gewesen sei. Bevor Trump seine Extrazölle eingeführt hatte, lag der Zollsatz für die Autoindustrie bei 2,5 Prozent.
"Wirtschaftsweise" warnt vor enormer Belastung
Aus Sicht der Wirtschaftsweisen Ulrike Malmendier sind Zölle von 15 Prozent eine "ungeheure Belastung für die Wirtschaft, nicht nur hier, sondern auch in den USA". Im Gegensatz zu einem Zollsatz von rund einem Prozent in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten "ist das schon ein Drama", sagte Malmendier im ARD-"Morgenmagazin".
Was das für die Gesamtwirtschaft bedeute, sei schwer abzuschätzen. Viele Länder hätten wegen der Zölle einen schlechteren Zugang zum US-Markt und müssten ihre Güter anderswo anbieten, etwa in der EU. Das könnte sich hierzulande sogar positiv auf die Inflation auswirken.
Was der Deal vorsieht
Trump und EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen hatten sich auf einen Basiszollsatz in Höhe von 15 Prozent auf die meisten EU-Importe in die USA geeinigt. Das gilt laut von der Leyen auch für Autos, Halbleiter und Pharmaprodukte. Die Einigung schaffe zudem einen Rahmen für die zukünftige Senkung der Zölle auf weitere Produkte.
"Das einzig Positive an dieser Einigung ist, dass eine weitere Eskalationsspirale zunächst abgewendet werden konnte", hieß es vom BDI. Entscheidend sei jetzt, dass das Übereinkommen verbindlich werde. Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks bräuchten Planungssicherheit für Lieferketten und Investitionen.
Industrie zurückhaltend - Experte warnt vor Jobabbau
Der Bundesverband der Deutschen Industrie äußerte sich verhalten. "Das Übereinkommen ist ein unzureichender Kompromiss und sendet ein fatales Signal an die eng verflochtene Wirtschaft auf beiden Seiten des Atlantiks", teilte der Verband mit. Die EU nehme schmerzhafte Zölle in Kauf.
Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau sieht im Zollsatz von 15 Prozent für Maschinenimporte in die USA eine bedauerliche Entwicklung, die insbesondere amerikanische Hersteller belasten werde. Praktisch jeder amerikanische Fertigungssektor sei auf europäische Maschinenimporte angewiesen, sagte Verbandspräsident Bertram Kawlath. "Und dies wird auch so bleiben, selbst wenn Maschinenbaufirmen aus Europa weiterhin in den USA investieren."
Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer betonte, das Handelsabkommen sei für die deutsche Autoindustrie zwar gut, aber weniger gut für die Arbeitsplätze. "Die Beschäftigten in der Auto- und Zulieferindustrie sind die Verlierer", sagte Dudenhöffer. Mittelfristig könnten sich zehn Prozent der Arbeitsplätze in der Autoindustrie von Deutschland in die USA verlagern. Für Hersteller wie BMW und Mercedes mit Produktionen in den USA bedeute der Deal hingegen, dass Autos weiterhin ohne Zusatzkosten nach Europa exportiert werden könnten.
Bundesregierung verteidigt Zolldeal
Die Bundesregierung hofft nach dem Zoll-Kompromiss auf weitere Entlastungen. Die Einfuhr von Stahl und Aluminium aus der EU in die USA etwa sei nach wie vor mit Zöllen in Höhe von 50 Prozent belegt, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Sebastian Hille. "Dass weitere Erleichterungen wünschenswert gewesen wären, ist ja keine Frage. Aber das eine ist wünschenswert und das andere ist machbar. Und Politik bewegt sich im Bereich des Machbaren", sagte Hille.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte die Einigung begrüßt, mit der es gelungen sei, "einen Handelskonflikt abzuwenden". "In den nun anstehenden Verhandlungen über die Details der Einigung hat die Europäische Kommission meine volle Unterstützung", sagte Merz.
Merz fügte hinzu, Europa habe seine Kerninteressen wahren können, auch wenn er sich durchaus weitere Erleichterungen im transatlantischen Handel gewünscht hätte. "Von stabilen und planbaren Handelsbeziehungen mit Marktzugang für beide Seiten profitieren alle - diesseits wie jenseits des Atlantiks, Unternehmen wie Verbraucher."
Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) bezeichnete den Zolldeal als Herausforderung. "Das Abkommen ist sicherlich mit 15 Prozent im Basiszoll eins, was uns herausfordern wird, aber der gute Teil daran: Es gibt Sicherheit", sagte Reiche. "Es ist richtig und wichtig, dass einige Sektoren herausgenommen sind. Für die anderen wird es Anpassungsbedarf bedeuten."
Opposition sieht EU als Verlierer
Aus der Opposition kommt Kritik. Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge sieht in dem Kompromiss ein fatales Signal. "Es ist ein Problem, dass die EU bereit war, einen Deal zu akzeptieren, der so einseitig und zu Lasten der EU ausgestaltet ist", sagte sie. "Damit wird keine Stabilität für die internationale Handelspolitik erreicht. Im Gegenteil."
Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel kritisierte, die EU habe sich brutal über den Tisch ziehen lassen. Die vereinbarten Zollsätze seien keine Einigung, sondern ein Schlag ins Gesicht der europäischen Konsumenten und Produzenten, schrieb Weidel auf X.
Trump hatte den weltweiten Zollkonflikt mit seinen Extrazöllen begonnen, die von Land zu Land variieren. Die Abgaben sind trotz abgeschlossener Deals höher als noch vor dem Beginn der zweiten Amtszeit von Trump. Auf die Einfuhr von Autos beispielsweise kamen Zusatzzölle in Höhe von 25 Prozent auf insgesamt 27,5 Prozent hinzu.
Deutliche Kritik kam auch aus Frankreich. Premierminister François Bayrou kommentierte die Einigung als einen traurigen Tag, an dem sich ein Bündnis freier Völker, das sich zusammengeschlossen habe, um seine Werte und Interessen zu verteidigen, zur Unterwerfung entschlossen habe. Staatschef Emmanuel Macron äußerte sich zu dem Zolldeal zunächst nicht öffentlich.
Deal mit China steht noch aus
Trump, der in Schottland mit dem britischen Premierminister Keir Starmer über das Handelsabkommen zwischen den USA und Großbritannien sprechen wollte, hatte die Einigung als «riesigen Deal mit vielen Ländern» bezeichnet. Der US-Präsident will mit den Zolleinnahmen auch sein teures Wahlversprechen großer Steuersenkungen zumindest teilweise gegenfinanzieren.
Im Zollkonflikt zwischen den USA und China gehen die Gespräche weiter. US-Finanzminister Scott Bessent und hochrangige chinesische Vertreter wollten sich hierzu in Stockholm treffen. Dabei soll unter anderem über eine Verlängerung der bis 12. August geltenden Zoll-Pause verhandelt werden.
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