Gewerblich genutzte Fahrzeuge sind in vielen Branchen eine wichtige Grundlage für unternehmerischen Erfolg. Wenn sie ausfallen, sollte schnellstmöglich eine Reparatur veranlasst und ein Ersatzfahrzeug organisiert werden. Neben der Instandsetzung gibt es allerdings noch viele indirekte Kosten wie beispielsweise einen Umsatzausfall durch Standzeit.
Fuhrparks von Gewerbekunden sollten bei einem möglichen Schadenfall umfangreich abgesichert sein, damit das Unternehmen seine Mobilität und Einsatzbereitschaft weiterhin ohne Einschränkungen gewährleisten kann. Diese Absicherung erfolgt unter optimalen Bedingungen günstig und unkompliziert. Ein leistungsstarker Partner, der Unternehmen mit Flotten unterschiedlicher Größen absichern und auch auf Bedürfnisse sowie Gegebenheiten unterschiedlicher Branchen eingehen kann, ist hierzulande die ERGO Flottenversicherung. Auf welche Parameter es in der Praxis für die Unternehmer wirklich ankommt, erklären im nachfolgenden AH-Interview mit der ERGO Versicherung AG dessen Vorstandsvorsitzender Mathias Scheuber sowie der Bereichsleiter für das Kraftfahrt-Individualgeschäft, Günter Schätzle.
Der Flottenmarkt wächst
AH: Herr Scheuber, wie beurteilen Sie den Umfang und die generelle Bedeutung des Flottengeschäfts in Deutschland?
M. Scheuber: Von den insgesamt 28,4 Mrd. Euro Beitragsvolumen entfielen im vergangenen Jahr rund 3,8 Mrd. Euro auf die Flottenversicherung. Aufgrund verschiedener Markttrends und neuer Themen rund um die "Neue Mobilität" rechnen wir – trotz Corona – mittel- und langfristig mit einem weiteren Wachstum des Flottenmarktes. Ein wichtiger Trend ist beispielsweise bereits jetzt das veränderte Konsumverhalten durch Bestellungen bei Amazon, Ebay oder auf anderen Plattformen. Außerdem vergrößern viele Unternehmen entgegen der Erwartung, die man durch die Corona-Pandemie gewinnen könnte, ihre Fuhrparks.
AH: Sie sind neben Ihrem Amt als Vorstandsvorsitzender in der ERGO Versicherung AG zusätzlich für Schadenregulierung zuständig und in der ERGO Deutschland AG verantwortlicher Vorstand für das Schaden- und Unfallgeschäft, Herr Scheuber. Da liegt es nahe, mit Ihnen auch über die Combined-Ratio, also die Schaden-Kosten-Quote zu sprechen. Die lag bekanntermaßen in den vergangenen Jahren bei den Kfz-Flotten deutscher Versicherer regelmäßig bei über 100 Prozent. Das heißt, die Versicherungswirtschaft hat mehr für Leistungen ausgegeben, als sie gleichzeitig an Prämien erwirtschaften konnte. Wie ist dazu Ihre persönliche Einschätzung? Klappt das bei ERGO besser?
M. Scheuber: Ja. Bei ERGO haben sich die Zahlen gegenüber den Vorjahren nochmals verbessert. Wenn man sich als Versicherer in einem solch schwierigen Umfeld wie dem Flottengeschäft bewegt, ist es ausgesprochen wichtig, seine Hausaufgaben in punkto Underwriting, Prozesse, IT-Datenexpertise, Portfolio- und Kundenmanagement zu machen. Wir sind in den letzten Monaten in all diesen Bereichen gut vorangekommen und von daher insgesamt sehr gut aufgestellt.
In der Peer-Group des Marktes
AH: Welche Rolle spielt die ERGO Versicherung im Flottenversicherungsgeschäft des gesamten Marktes?
M. Scheuber: Eine sehr wichtige Rolle. Mit unseren Flottenversicherungslösungen, Kooperationen sowie den Partnerschaften zu Anbietern von Mobilitätskonzepten sehen wir uns in der Peer-Group des Marktes. Dies wird auch an unserem Marktanteil von 6,4 Prozent deutlich.
AH: Herr Schätzle, wie beurteilen Sie die Erwartung und Entwicklung hinsichtlich der Nachfrage von Flottenbetreibern nach Versicherungslösungen?
G. Schätzle: Die Nachfrage nach Flottenversicherungen ist zweifelsfrei unverändert hoch. In vielen Branchen sind Kraftfahrzeuge eine wichtige Grundlage für den unternehmerischen Erfolg. Der Versicherungsschutz sollte auf die jeweilige Flottengröße des Unternehmens und den Einsatz der Fahrzeuge optimal und auch individuell passend abgestimmt sein. Kurz gesagt gilt es, den Fuhrpark richtig zu versichern.
AH: Reicht heute die reine Policierung noch aus? Oder muss nicht "etwas mehr" geboten werden?
G. Schätzle: Ja, mit Ihrer Frage haben Sie durchaus recht. Flottenkunden erwarten heute einen maximalen Service. Für viele unserer Kunden gehören dazu der persönliche Kontakt zum Underwriter, eine enge Kundenbetreuung und ein Top-Schadenmanagement. Dazu zählt unter anderem die Steuerung in ein bevorzugtes Werkstattnetz. Im Reparaturfall beinhaltet der Werkstattservice einen kostenlosen Hol- und Bringservice sowie ein Ersatzfahrzeug. Wettbewerbsfähige Prämien sind selbstverständlich ebenso erforderlich. Wer heute nicht das komplette Service-Paket bietet, verfehlt die Erwartungen der Kunden an einen professionellen Flottenversicherer.
Partnerschaftlicher Umgang
AH: Wie sieht dann das Gesamtpaket bei Ihnen aus? Mit welchen Leistungen unterstützen Sie konkret Ihre Firmenkunden? Und auf welche Punkte kommt es Ihnen bei der individuellen Betrachtung besonders an?
G. Schätzle: Wir bieten unseren Kunden einen spezialisierten Ansprechpartner in allen Versicherungsfragen des Fuhrparks, d. h. bei der Anbahnung, dem Underwriting, der Analyse und der Kundenbetreuung. Zudem analysieren wir den gesamten Fuhrpark auf das Schadengeschehen hin, um die Ursachen gezielt zu erkennen und anhand von Maßnahmen und Deckungsbausteinen den Schadenaufwand und die Schadenhäufigkeiten zu reduzieren. Wir pflegen einen partnerschaftlichen und transparenten Umgang zwischen Fuhrparkbetreiber, Vertriebspartner und Versicherer. Dies ist letztlich auch die Basis für eine langjährige und erfolgreiche Geschäftsbeziehung. Denn im persönlichen Dialog lassen sich Auffälligkeiten in der Vergangenheit und künftige Deckungsbedarfe zielführend analysieren und präzise Prognosen für den zukünftigen Schadenverlauf treffen.
Unterschiedliche Tarifierungs-Modelle
AH: Wie differenzieren Sie eigentlich die Prämienfestsetzung bei sicherlich doch recht unterschiedlich großen Fuhrparks Ihrer Gewerbekunden?
G. Schätzle: Das kann ich Ihnen gerne erläutern: Für das Tarifgeschäft im Kleinflottenmodell sowie bei kleineren Fuhrparks ist die SFR-Struktur, also die auch bei Privatkunden bekannte Einstufung nach dem Modell des Schadenfreiheitsrabatts mit den sogenannten weichen Tarifmerkmalen sowie der jeweilige Einsatz der Fahrzeuge prämienrelevant. Aus dem Fahrzeugeinsatz – der ja sehr unterschiedlich sein kann, je nachdem, ob Sie eine Flotte für Außendienst-Mitarbeiter oder beispielsweise eine Baufahrzeugflotte unter Vertrag nehmen – ergeben sich dann verständlicherweise auch besondere, individuell voneinander abweichende Anforderungen an den Versicherungsschutz. Für größere Fuhrparks hingegen bieten wir das "Stückprämienmodell" an. Als Bewertungsgrundlage dafür muss immer der Schadenverlauf des Vorversicherers vorgelegt werden. Wichtig im Rahmen des Risikomanagements ist die Analyse der Fuhrparkzusammensetzung, die Schadenhistorie sowie die Auswertung zu Schadenquoten hinsichtlich Einzel- und Großschäden. Dabei stehen relevante Unfallparameter, im Besonderen die Schadenhäufigkeiten und spezielle Schwerpunkte, im Fokus.
AH: Welche Bedeutung kommt bei ERGO dem RiskManagement zu, nachdem Sie mit Herrn Scheuber ja einen branchenweit anerkannten Schadenexperten als Vorstandsvorsitzenden an der Spitze des Unternehmens haben?
G. Schätzle: RiskManagement wird bei uns im Flottenbereich in der Tat groß geschrieben, wobei – und das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich betonen – dieses Engagement vor allem unseren Kunden zugute kommen soll, um durch weniger Schäden hauptsächlich die eigenen Beitragszahlungen niedrig und überschaubar zu halten. Denn die gewerbliche Kfz-Versicherung für Flottenkunden kann zwar viele Kosten abdecken, aber nicht alle: Insbesondere Folgen von Unfällen oder Schäden wie Umsatzverluste, Wertminderung oder Lohnfortzahlungen muss der Unternehmer selbst zahlen. Wir unterstützen im Vorfeld und nutzen deshalb unsere Expertise, um Unfallrisiken frühzeitig zu erkennen und zu minimieren, sodass es gar nicht erst zu gravierenden Einbußen kommt. Wir haben hierfür ein spezielles Flottenanalysetool entwickelt, um gezielt Risiken zu identifizieren, zu bewerten und Maßnahmen aus den Ergebnissen abzuleiten. Hierbei setzen wir nicht nur auf ein digitales Tool, sondern auch auf die persönliche Beratung. Durch unsere regionale Aufstellung stehen unsere Flottenexperten den Kunden mit Rat und Tat zur Seite und begleiten sie vor Ort.
AH: Gibt es neue Versicherungsangebote oder Trends?
M. Scheuber: Ja, der Markt ist unter der Überschrift "New Mobility" fortwährend in Bewegung. Wir sehen durchaus neue Anbieter, Marken und Konzepte. Auch wenn diese Lösungen noch keine wirkliche Marktdurchdringung aufweisen, so beobachten und bewerten wir die Entwicklungen im Full Service Leasing, Car-Sharing, Ridehailing und bei Telematik sehr genau.
AH: Was passiert auf Kundenseite?
G. Schätzle: Hier sehen wir inzwischen auch eine sogenannte "Netflix-Mentalität": Kunden möchten eine bestimmte Sache zu einem genau festgelegten Zeitpunkt, für einen festen Zeitraum und nichts anderes. Dieses teilweise doch neue Kundenverhalten ist jedoch keine Besonderheit der Mobilität, sondern zeigt sich auch in vielen anderen Bereichen des täglichen Lebens. Die entsprechend auf solche Bedürfnisse angepasste Flottenlösung ist das sogenannte Auto-Abo. Im Gegensatz zum Leasing haben Kunden beim Auto-Abo keine feste Laufzeit. Mit einer Frist von wenigen Monaten können sie das Fahrzeug wechseln oder das Abo beenden. Darüber hinaus sind alle Kosten des Fahrzeugbetriebs in der transparenten Monatsrate inkludiert – wären Sie jetzt ein solcher Kunde, müssten Sie nur noch tanken. Eine Anzahlung ist nicht notwendig.
Individuelle Konzepte
AH: Das heißt also, dass das Thema Auto-Abo bei Ihnen bereits mit abgedeckt wird?
G. Schätzle: Selbstverständlich, ja. Wir sind seit Jahren in einer engen und sehr erfolgreichen Partnerschaft mit einem der führenden Anbieter dieses Modells in Deutschland. Wir begleiten hier unseren Partner in allen Fragen rund um Versicherungslösungen.
AH: Gibt es weitere aktuelle Produkte, die für den Fuhrpark besonders interessant sind?
G. Schätzle: Flottenbetreiber wünschen sich ein individuelles Konzept, das für ihren Bedarf optimiert ist. Dabei geht es nicht nur um Deckungen, sondern auch um prozessuale Erleichterungen, um den Verwaltungsaufwand beim Kunden zu minimieren – und das insgesamt zu einem im Marktvergleich möglichst günstigen Preis. Eine entscheidende Rolle spielt das Fuhrparkmodell nach Flottengröße sowie Zusatzbausteine für eine noch individuellere Absicherung bei besonderen Kundenbedürfnissen: Beispielsweise Schutzbrief für Pkw und Lieferwagen oder bei gewerblichen Risiken die über die Vollkaskoversicherung nicht abgedeckte Deckungserweiterung für Brems-, Betriebs- und Bruchschäden. Nach unseren Erfahrungen nimmt mit zunehmender Größe des Fuhrparks die SFR-Tarifierung ab und der Anteil an Stückprämien-Risiken steigt, auch um die Verwaltung für den Kunden möglichst schlank zu gestalten.
E-Fahrzeuge noch kaum flottenrelevant
AH: Wie sehen Sie das Thema Elektrofahrzeuge und wie gehen Sie damit um, Herr Scheuber?
M. Scheuber: Der Anteil von Elektro-Fahrzeugen in Deutschland ist auch infolge des Dieselskandals angestiegen, liegt aber mit circa zwei Prozent Marktanteil immer noch auf einem geringen Niveau. Es ist davon auszugehen, dass die Zulassungszahlen von Elektrofahrzeugen steigen und im Zuge höherer Reichweiten und einer besseren Infrastruktur an Bedeutung gewinnen werden. Zurzeit spielen Elektroautos im Flottengeschäft noch eine untergeordnete Rolle. Die meisten unserer Kunden verfügen, wenn überhaupt, nur über einzelne Elektrofahrzeuge. Dennoch sind wir in unserer langjährigen Hersteller-Zusammenarbeit im Austausch über Konzepte und Einsatzbereiche der Fahrzeuge mit E-Motoren. In Ballungszentren und stark verbauten Gebieten sehen wir durchaus eine Nachfrage. In den Segmenten Long Distance und Truck/Commercial für Trucks, Lkw und Lieferwagen spielt der Elektroantrieb noch keine Rolle. Wir beobachten jedoch auch diese Entwicklung sehr intensiv.
AH: Wird das autonome Fahren die Kfz-Versicherung verändern?
M. Scheuber: Sicher wird das autonome Fahren die Kfz-Versicherungsbranche nachhaltig verändern, allerdings nicht schlagartig, sondern langfristig. Schon heute gibt es Fahrzeuge mit Fahrassistenten der Automatisierungsstufe Level 2, die eine Teilautonomie herstellen und eine Auswirkung auf das Risikoverhalten des Fahrzeugs haben. Die Gefährdungshaftung ist die rechtliche Basis für eine stufenweise Fahrzeugautomatisierung. Sie garantiert, dass das Verkehrsopfer entschädigt wird, unabhängig ob der Fahrer oder ein Systemfehler den Unfall verursacht.
AH: Gibt es durch das autonome Fahren Auswirkungen auf die Kasko-Versicherung?
G. Schätzle: Aufgrund der Assistenzsysteme wird die Schadenhäufigkeit abnehmen. Auf der anderen Seite sind die Kosten der einzelnen Komponenten durch die verbauten Technologien deutlich höher: Zum Beispiel die Windschutzscheiben mit Sensoren und Kameras. Wenn diese gewechselt werden müssen, steigen die Schadenkosten. Es wird also nicht zu einem abrupten Sinken der Schadenkosten kommen. Außerdem müssen wir aufgrund des Klimawandels von einer Zunahme an Schäden durch Unwetter oder Hagel ausgehen.
AH: Herr Scheuber und Herr Schätzle, vielen Dank für dieses informative Gespräch! (EFvK)