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Eigenzulassungen: Trickst Opel?

23.02.2017 15:30 Uhr
Eigenzulassungen: Trickst Opel?
Hoher "Eigenzulassungsanteil" bei der Marke Opel in Deutschland?
© Foto: Frank Rumpenhorst/dpa

Zwischen "Umparken im Kopf" und "Frisch für Sie zugelassen" - macht Opel mit den sogenannten Eigenzulassungen Markt? Antwort: Nein, wenn man die KBA-Daten sauber interpretiert. Dazu ein Vorschlag.

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Von Thomas Bade, HMC Consulting Group

Anfang Dezember vergangenen Jahres hat das Handelsblatt mit einem reißerischen Artikel über den hohen "Eigenzulassungsanteil" der Marke Opel in Deutschland sicher für Aufregung in Rüsselsheim gesorgt. Eilig hat daraufhin die Opel-Presseabteilung eine "solide" Begründung nachgeschoben: Man sei nur an gesundem Wachstum interessiert, der hohe Anteil "Eigenzulassungen" sei auf die große Anzahl von Vorführwagen im Handel (wegen der vielen Modellneuheiten) und auf die große Anzahl  leasingberechtigter Mitarbeiter (immerhin 60.000!) zurückzuführen. Interessant wäre hier allerdings einmal eine konkrete Zahl zur tatsächlichen Inanspruchnahme des Opel-Mitarbeiter-Leasing-Modells.

Immer wieder geistern falsche oder verkürzte Interpretationen von KBA-Zulassungsdaten und sogenannten "Eigenzulassungen" durch die Medien, sodass an dieser Stelle einmal ein wenig Transparenz in dieses Thema kommen sollte.

"Eigenzulassungen" versus "eigeninduzierte Zulassungen"

Für die Analyse wurden die KBA-Daten auf Basis der von AUTOHAUS veröffentlichten Zahlen seit 2004 regelmäßig ausgewertet, dabei werden folgende Abgrenzungen (im Gegensatz z. B. zu den Analysen von Prf. Ferdinand Dudenhöffer) zugrunde gelegt:

- Zulassungen auf private Kunden mit "nachhaltiger" Nutzung (verstanden als in der Regel mit einer durchschnittlichen Ersthaltedauer von sechs bis sieben Jahren).

- Zulassungen auf gewerbliche Kunden (von der Ein-Mann-Firma bis zum Großkonzern) mit "nachhaltiger" Nutzung (verstanden als i. d. R. mit einer Ersthaltedauer von mehr als drei Jahren), auch als "relevanter" Flottenmarkt bezeichnet (Hinweis: Geschäfte mit Behörden und Sonderabnehmern werden hier nicht separat betrachtet).

- "Eigeninduzierte Zulassungen" oder auch "Sondereffekte" der Hersteller und Importeure: Alle diese Zulassungen kann der Hersteller hinsichtlich Menge und Zeitpunkt z. T. taggenau "steuern". Diese sind damit wesentliche vertriebspolitische Stellgrößen und können den kalendarisch gemessenen Marktanteil jeweils zum Teil deutlich beeinflussen, sagen jedoch nichts über die tatsächlich an Abnehmer mit "nachhaltiger Nutzung" verkauften Fahrzeuge aus.

Varianten von "eigeninduzierten Zulassungen"

Zu diesen eigeninduzierten Zulassungen zählen im Detail:

1. Eigenzulassungen der Hersteller oder durch deren eigene Finanzdienstleister

- Dienstwagen,

- Mitarbeiter-Leasing / sonstige Bezugs- Modelle (hier gibt es immer wieder Verwerfungen, wenn z. B. eine herstellereigene FD-Gesellschaft als Multibrand klassifiziert wird und Zulassungen auf diese Gesellschaft dem "relevanten Flottenmarkt" zugeordnet werden).

- Sonstige Eigenzulassungen (z. B. Tageszulassungen auf Niederlassungen).

2. Eigenzulassungen der Handelsorganisation

- Vorführwagen

- Sonstige Zulassungen auf den Handelsbetrieb, z. B. Eigenbedarf mit Haltefristen

- Tages- oder Kurzzeitzulassungen

3. Zulassungen auf Autovermieter mit entsprechenden Rahmenverträgen der Hersteller.

Bei den eigeninduzierten Zulassungen ist grundsätzlich zwischen "ungenutzten" Fahrzeugen mit Zulassung (Tages-/Kurzzeitzulassungen) und Fahrzeugen mit Nutzung von bis zu sechs (zwölf) Monaten zu unterscheiden.

Eigeninduzierte Zulassungen werden in der Regel spätestens nach zwölf Monaten Ersthaltedauer wieder stillgelegt und dann zunächst über das eigene, markengebundene Vertriebsnetz (ggf. Weiterverkauf an andere Markenhändler oder "freie" Händler) als "Jungwagen" bis auf wenige Ausnahmen (Export) dem deutschen Markt wieder zugeführt. Daneben wird ein Teil des Autovermietervolumens direkt durch die Autovermieter vermarktet.

Nach Einschätzung des Verfassers stellen diese Fahrzeuge eine Kaufalternative für Neuwagen dar und sollten bei allen vertrieblichen Betrachtungen als Teil des Neuwagenmarktes gesehen werden. Diese Einschätzung wird auch durch die DAT Gebrauchtwagen-Studie 2015 unterlegt, die den Anteil der Gebrauchtwagenkäufer, die auch einen Neuwagen in Erwägung gezogen hatten, auf 16 Prozent von 7,3 Millionen Besitzumschreibungen (entspricht ca. 1,17 Millionen Fahrzeugen) beziffert.

Auf Basis dieser Interpretation ergibt sich dann der "echte" Pkw-Markt 2015 (siehe Grafiken im Pdf-Download unten).

Firmenkunden mit nachhaltiger Nutzung = relevanter Flottenmarkt

Das jährliche Volumen der "eigeninduzierten Zulassungen" lag von 2004 bis 2015 zwischen 0,8 und 1,3 Millionen Fahrzeugen.

Die prozentuale Verteilung des Marktes nach Abnehmergruppen ist über Jahre relativ stabil, allerdings steigt der Anteil des relevanten Flottenmarktes in den letzten beiden Jahren leicht an (dies könnte allerdings auch auf die vorher erwähnte Zuordnungsthematik beim KBA zurückzuführen sein).

Kann ein Hersteller bei den Zulassungen "tricksen"?

Stellgröße für eine periodenbezogene (Monat/Quartal/Jahr) "Beeinflussung" des KBA-Marktanteils seitens des Herstellers sind nicht die "nachhaltigen" Zulassungen (da muss der Endabnehmer schon die letzte Initiative via Kaufvertrag ergreifen), sondern die "eigeninduzierten" Zulassungen.

Grundsätzlich ist es eine unternehmenspolitische und betriebswirtschaftliche Entscheidung eines jeden Herstellers, Menge und Haltedauer der eigeninduzierten Zulassungen im Rahmen übergeordneter Zielsetzungen während einer Betrachtungsperiode (z.B. Kalenderjahr) zu variieren, und somit keine "Trickserei".

Betrachtet man aus Herstellersicht die Kenngröße "Marktanteil", ist eine Erhöhung der eigeninduzierten Zulassungen in der Bezugsperiode positiv und kann unternehmenspolitisch sinnvoll sein.

Allerdings hat diese Betrachtung einen "klitzekleinen" Haken: Aus Sicht des Verfassers sollte man intern eher die durch die Handelsorganisation an "Dritte", sprich private oder gewerbliche Endabnehmer ("mit nachhaltiger Nutzung") verkauften Fahrzeuge als Indikator für den Markterfolg sehen, denn alle nur im Bestand des Handels auf die Kostenstelle Gebrauchtwagen "umgeparkten" Fahrzeuge verstopfen die "Pipeline"!

Zulassungen auf welche Abnehmergruppen sind kurzfristig beeinflussbar?

Betrachtet man die eigeninduzierten Zulassungen im Detail, so haben bei den Eigenzulassungen der Hersteller nur die deutschen Hersteller eine deutliche Einflussmöglichkeit (z.B. durch Verkürzung der Haltedauern von Dienstwagen und MA-Fahrzeugen). Die Importeure haben diese Möglichkeit wegen der proportional geringen Anzahl der Dienstwagen-Berechtigten und Mitarbeiter in Deutschland nicht - es sei denn, sie verfügen über Niederlassungen und generieren dort Tageszulassungen! Bei den Zulassungen auf Autovermieter sind die Einflussmöglichkeiten begrenzt, da man über den von den Autovermietern geplanten Bedarf hinaus nur schwer große Volumina bewegen kann.

Bleiben die Zulassungen der Handelsorganisation als wesentliche Stellgröße, wobei hier zwischen Vorführwagen und Tages-/Kurzzeitzulassungen zu unterscheiden ist (sonstige Eigenzulassungen des Handels werden nicht gesondert betrachtet).

Bestandteil des Neuwagen-Vertriebsvertrages, der damit verbundenen Standards und/oder der jeweiligen Verkaufsprogramme sind i. d. R. Vorgaben zu Anzahl, Fahrzeugklassen und Haltedauer der meist mit Incentives belegten Vorführwagen. Somit bestimmt jeder Hersteller, in der Regel im Konsens mit den Händlerverbänden, vor der Bezugsperiode das Volumen der im Kalenderjahr zuzulassenden Vorführfahrzeuge. Diese Vorgaben werden von vielen Herstellern konsequent überwacht und stellen somit eine verlässlich planbare Größe dar.

Unterstellt man bei ca. 12.800 autorisierten Vertriebsstätten (per Ende 2015) und einem geforderten VFW-Bestand von durchschnittlich 15 Fahrzeugen nur eine Umschlaghäufigkeit von 1,5 pro Jahr, so ergeben sich damit allein ca. 300.000 (vertraglich) notwendige Vorführwagen. Erhöht sich die Umschlaghäufigkeit auf zwei (z.B. durch eine kurzfristig umsetzbare Verkürzung der Haltedauer), ergäbe dies eine Erhöhung um rund 100.000 Fahrzeuge. Ein von jedem Hersteller für sich festzulegendes Volumen an Mitarbeiter-Fahrzeugen sowie Verkäufen an Autovermieter und Anzahl notwendiger Vorführwagen ist damit keine "Trickserei", sondern zunächst eine Unternehmens- bzw. vertriebspolitische Entscheidung.

Das "süße Gift" Tages- und Kurzzeitzulassung

Letztes und "schlechtestes" Instrument sind die Tages- und Kurzzeitzulassungen, da hier lediglich Zulassungen für die Erreichung der Periodenziele generiert werden, jedoch keine Verkäufe. Sprichwörtlich haben hier nicht die Kunden "im Kopf umgeparkt", sondern nur der Händler auf seinem Hof und in seiner BWA. Dabei zeigt sich am Monats-, Quartals- oder Jahresende für den Hersteller sehr schön, ab welcher Prämienhöhe jeder (selbständige) Händler als (guter) Unternehmer bereit ist, das Risiko dieses nun mit dem Makel "Zulassung" behafteten Fahrzeugs in seinem Neuwagen-Lagerbestand zu tragen (die Vertriebsmannschaft beim Hersteller liebt diese "Verhandlungen"). Insofern ist es nicht korrekt, von "tricksen" zu sprechen. Jeder Hersteller entscheidet über den finanziellen Aufwand, den er pro Zulassung hat, jeder Händler entscheidet, ab welcher Prämienhöhe er das Risiko der Tageszulassung in seinem Lagerbestand auf sich nimmt!

Fazit

Da Marktanteilsmessungen sich auf periodenbezogene Zulassungen beziehen und nicht auf die Frage, ob ein Fahrzeug tatsächlich an einen Endverbraucher "mit nachhaltiger Nutzung" (das muss Zielsetzung eines jeden Herstellers und Händlers sein!) verkauft ist, sind alle Aktivitäten seitens des Herstellers eher unter betriebswirtschaftlichen und/oder nachhaltig wirkenden, markenwertbildenden (positiv und negativ) Gesichtspunkten zu betrachten. Weder Opel noch andere Hersteller "tricksen" also, sondern nutzen verschiedene Absatzkanäle zur Erreichung ihrer Marktanteilszielsetzungen. Insofern verbietet sich nach Ansicht des Verfassers eine Bewertung wie die des Handelsblattes vom Dezember 2016!

Gleichwohl sollten jene Hersteller, die v. a. das Instrument der Tages-/Kurzzulassung intensiv nutzen, euphorische Aussagen zu Absatzerfolgen und/oder Marktanteilsgewinnen besser aus dem Repertoire ihrer verantwortlichen Vorstände und Presseabteilungen streichen - manchmal wird man von den Fakten (oder vom Kollegen Dudenhöffer) eingeholt!

Zum Autor:

Thomas Bade ist seit 2011 Geschäftsführender Gesellschafter der HMC Automotive Strategie- und Marketingberatung GmbH & Co. KG (www.hmc-consult.de). Davor war er in Führungspositionen unter anderem für Volkswagen, Opel und Kia tätig.

Weitere Charts finden Sie im Pdf-Download!

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KOMMENTARE


Annotator

23.02.2017 - 16:12 Uhr

Interessant ist doch nur wieviele Fahrzeuge einer Marke tätsächlich im Verkehr sind bzw. dem Servicemarkt zugeführt werden.


SonjaS.

24.02.2017 - 10:01 Uhr

Eine diffuse Erklärung die Opel da liefert. Nehmen wir mal den Volkswagen Konzern als Beispiel, alleine an Mitarbeitern haben die etwa 13 mal mehr als Opel in Deutschland. Die sind alle Leasingberechtigt und wenn ich dann mal ein ähnliches Verhältnis annehme (Opel 18.000 Beschäftigte / 60 Leasingberechtigte) wären das weit über 300.000 Leasingberechtigte. Trotzdem schafft es Volkswagen in den Zulassungen im privaten und Flottenmarkt regelmäßig an die Spitze. Das Verhältnis ist also weitaus ausgewogener als bei Opel. Auch Modellneueinführungen ziehen nicht. Opel ist seit Jahren bei den Eigenzulassung führend. So viele neue Modelle können die gar nicht einführen. Kein Wunder das man nicht auf einen grünen Zweig kommt was den Gewinn angeht. Wenn man die Autos danach mit hohem Rabatt verkauft bleibt halt auch nicht so viel übrig.


Michael Simon

25.02.2017 - 09:21 Uhr

Ihr aufwendig geschriebener Artikel wäre als Dreizeiler auch möglich gewesen.Wenn ein Hersteller oder Händler Tageszulassungen bzw Vf.-Wagen Zulassungen macht werden diese in der KBA-Statisk gewertet für den Marktanteil aber beim tatsächlichen Verkauf an den Endkunden fehlt dann die Wertung.Somit verschiebt sich die Statisik nur nach vorne aber nicht in der Menge.Viele Grüße Michael Simon


sundowner

01.03.2017 - 09:59 Uhr

Da hat aber jemand viel Zeit gehabt um einen solchen Artikel zu verfassen. Eigenzulassungen sind auf einmal keine echten Eigenzulassungen, weil der Dackel des Opel-Mitarbeites mitfahren darf? Also mal ehrlich, hier wird doch nur die Braut noch hübscher geredet. Den Schmarrn braucht kein Mensch.


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