In diesem Jahr, da sind sich alle Experten sicher, werden im Auto-Reich der Mitte erstmals mehr E-Fahrzeuge als Verbrenner verkauft. Eine Zäsur. Der Staat unterstützt die grüne Bewegung nach Kräften. So kostet der Fahrstrom in China nur etwa ein Drittel so viel wie Benzin, zudem unterstützen die Millionen-Metropolen die sauberen Antriebe großzügig. In Shanghai zum Beispiel erhalten Modelle, die mehr als 50 Kilometer rein elektrisch fahren, ein grünes Nummernschild zur sofortigen Zulassung. Wer einen Verbrenner zulassen will, muss auf eine Verlosung in einer Lotterie hoffen und rund 12.000 Euro zahlen.
Das hilft mehr hilft mehr als jede teure Marketingmaßnahme. Neue E-Fahrzeuge werden quasi im Tagestakt vorgestellt und verkaufen sich prächtig. So konnte die chinesische Stellantis-Tochter Leapmotor für seinen neuen E-SUV B10 nach nur einer Stunde 10.000 Bestellungen verbuchen, nach 48 Stunden waren es 32.000.
Leapmotor B10

Leapmotor B10: Keine Experimente
Im Herbst kommt der kompakte E-Bruder des C10 auch nach Deutschland. Im Rahmen der Auto Shanghai 2025 konnten wir den 4,51-Meter-SUV bereits fahren. Das Design orientiert sich am schnörkellosen C10, wirkt ein bisschen sportlicher und moderner, verzichtet aber weitgehend auf Experimente. Vorne und hinten leuchten schmale LED-Leisten, im Kofferraum gibt es Platz für 420 bis 1.415 Liter Gepäck, der Innenraum ist klar und clean gestaltet, jede Aktion muss über das glasklare 14,6 Zoll große Touch-Display oder den Sprachassistenten abgerufen werden. Lediglich am Lenkrad finden sich noch ein paar Schalter und Drehrädchen.
Der B10 nutzt die neue Leap-Plattform 3.5, auf die zwei weiteren Modelle der B-Serie aufbauen: die gerade präsentierte Fließhecklimousine B01 sowie das Schrägheckmodell B05, das auf der IAA im September Weltpremiere feiert und ab Frühjahr 2026 bei uns gegen Konkurrenten wie den ID.3 punkten will.
Leapmotor C10 REEV

Leapmotor B10: Viel Platz vorhanden
Reichlich Platz für die hinteren Passagiere, eine noch bessere Vernetzung sowie ein effizienterer E-Antrieb sollen die wesentlichen Vorteile der neuen Architektur sein. Aktuell verfügt sie über eine 400 Volt-Ladetechnologie, bei entsprechender Nachfrage könnte Leapmotor schnell reagieren. Die Plattform ist bereits für 800 Volt ausgelegt. Zudem ist entschieden, dass die B10-Plattform an die FAW-Premiummarke Hongqi geliefert wird, auch über eine ähnliche Partnerschaft mit Ferrari sollen Gespräch laufen.
Für den grundsätzlich heckgetriebenen B10 stehen zunächst zwei Leistungsstufen und zwei Batteriegrößen zur Wahl. Der Kunde kann zwischen 132kW/180 PS und 175 kW/238 PS wählen. Mit dem kleineren 56,2 kWh-Akku soll der SUV nach chinesischer Norm 510 Kilometer rein elektrisch fahren, für die 67,1 kWh große Batterie verspricht Leapmotor eine Reichweite von rund 600 Kilometern. Da in China Plug-In-Hybriden gerade schwer angesagt sind, wird später zum gleichen Preis eine Antriebsversion mit Ranger-Extender und kleinerem Akku nachgereicht. Hier treibt der zusätzliche Vierzylinder-Verbrenner nicht direkt die Räder an, sondern lädt während der Fahrt die Batterie, das Auto ist so stets elektrisch unterwegs. Reichweiten von rund 1.000 Kilometer ohne Nachladen sollen bei der sogenannten REEV-Version möglich sein.
Leapmotor C10 Test (2024)

Leapmotor B10: Feinabstimmung erfolgt
Der „normale“ E-Antrieb ist da für den erst 2015 gegründeten Elektro-Spezi fast schon ein alter Hut. Über 700.000 Stromer hat Leapmotor weltweit bereits auf der Straße, entsprechend routiniert geht das aufgeladene Ensemble ans Werk. Die kurze Testrunde mit einem Vorserienmodell auf dem Werksgelände in Jinhua offenbart dann auch keine großen Überraschungen. Dass Leapmotor ordentliche Autos baut, zeigte sich bereits beim C10. Der kleinere Bruder B10 benötigt sicher noch ein wenig Detailpflege an Fahrwerk (etwas schauklig) und Lenkung (nicht besonders direkt), bis er bei uns aufschlägt.
Die Feinabstimmung für Europa erfolgt gerade. Weitere Anpassungen wird Leapmotor zum Serienanlauf kontinuierlich „over the Air“ in die Fahrzeuge spielen. Während die ersten B10 noch aus China kommen werden, bewerben sich mehrere, nicht voll ausgelastete Stellantis-Werke um die Produktion in Europa. Favorit ist derzeit das Opel-Werk in Saragossa, wo auch der Corsa vom Band läuft.
Leapmotor T03 (2024)

Leapmotor B10: Konkurrenz im eigenen Haus
Gespannt sein dürfen wir, wie es Leapmotor gelingt, seinen Heimvorteil zu nutzen. In Deutschland stehen die Fahrzeuge quasi beim Stellantis-Händler um die Ecke, 90 Standorte kümmern sich aktuell um Verkauf und Service, 2026 sollen es 140 sein. Argumente, die andere chinesische Mitstreiter nicht haben.
Allerdings könnte der B10 auch für Verstimmung innerhalb der Stellantis-Familie sorgen. Mit reichlich Ausstattung gesegnet - unter anderem einem großen Glas-Panoramadach und Soundsystem - soll der Kompakt-SUV bei rund 30.000 Euro starten. Zudem hat Leapmotor bereits attraktive Leasingraten angekündigt. Ein entsprechender Peugeot E-3008 kostet mindestens 48.650 Euro, den etwas größeren Opel Grandland gibt es ab 46.750 Euro. Mit dem Feind im eigenen Bett dürfte es also nicht ganz so kuschelig werden.