Nein, von einer gelösten Atmosphäre konnte nicht die Rede sein an diesem winterlichen Freitagmittag in Schweinfurt. Eingeladen hatten der Verband der Fiat Konzern-Händler und Servicebetriebe Deutschlands, der Verband der Stellantis Markenpartner Deutschlands sowie die Interessengemeinschaft der Opel Spezialisten (Igedos). Über 500 Autohändler waren nach Unterfranken gekommen - das Thema natürlich: der Start des neuen Stellantis-Agentursystems.
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In wenigen Monaten (Stichtag ist der 31. Mai 2023) sind viele Stellantis-Partner ihren jetzigen Vertrag los – doch der neue Kontrakt lässt auf sich warten. Noch immer sind viele Details unklar, viele Punkte offen, viele Fragen unbeantwortet. "Das ist eine Lachnummer", echauffierte sich ein Fiat-Händler aus Nordhessen, "wir haben immer noch keine neuen Verträge".
Stellantis-Verträge: "Es gibt keinen neuen Entwurf"
Über den Istzustand informierten nun Händler-Vertreter und ein Jurist, die nicht der von Stellantis geforderten Verschwiegenheitserklärung unterliegen. Über zweieinhalb Stunden lang ging Rechtsanwalt Prof. Tim Vogels Punkt für Punkt auf den Entwurf ein und anhand dieser Zeitspanne lässt sich bereits erahnen, wie viele Dinge noch im Argen liegen. Dabei handelt es immer noch um die Erstfassung. "Es gibt bis jetzt keinen neuen Entwurf, das ist immer noch die erste Variante", so Vogels. Hintergrund: Bislang liegt nur eine Vertragsversion vor, die für die europäischen Märkte konzipiert ist – ohne allerdings länderspezifische Gegebenheiten zu berücksichtigen.
Casus knacksus der Vertragsgestaltung ist das Thema Direktvertrieb: "Direktvertrieb ist nichts Schlechtes, aber es bekommt kein Hersteller hin", sagte Vogels auf der Veranstaltung. Auf Anfrage von AUTOHAUS skizzierte der Rechtsanwalt die sich daraus ergebenden Problematiken: "Die aus meiner Sicht wichtigsten Punkte in Bezug auf die dargestellten Verträge ist die eingeräumte Möglichkeit von Stellantis, entschädigungslos direkt zu vertrieben", erklärte Vogels. "Dies betrifft sowohl den Vertrieb von Fahrzeugen als auch den Vertrieb von Optionals und Service."
Bauchschmerzen bei der Einordnung des Stellantis-Konzeptes machen dem Juristen Unwägbarkeit und Unplanbarkeit: "Zudem ist nicht sichergestellt, dass die Partner während der Dauer der Verträge alle Produkte vertreiben können. Einerseits behält sich Stellantis vor, nicht alle Fahrzeuge über das Netz zu vertreiben, andererseits bestimmte Produkte nicht ständig über das Netz zu vertreiben."
Stellantis-Verträge: "Marge deckt nicht die laufenden Kosten"
Ein weiterer Kritikpunkt – die angebotene Vergütung: "Die Marge deckt nicht die laufenden Kosten, mit vier Prozent Festmarge kommen Sie nicht aus", betonte Karl Kleba, Vorsitzender des Verbandes der Fiat Konzern-Händler und -Servicebetriebe Deutschlands, der seinen Beitrag unter dem Motto "Das Beste für den Hersteller zu Lasten des Partners" gestellt hatte. (Hierzu auch die Einschätzung von AUTOHAUS Herausgeber Prof. Hannes Brachat "Vertriebspolitik 2023 und Agenturperspektiven")
So sei der Deckungsbetrag nach Ansicht des Händlerverbandes bei Neuwagen zu niedrig, auch das Thema Gebrauchtwagen werde "vom Hersteller missbraucht". Kleba in Richtung Stellantis gewandt: "Wir fordern Stellantis auf, die Ertragsmöglichkeiten von sich aus darzustellen." Es bedürfe einer "nachvollziehbaren Kalkulation".
Geduld ist also angesagt. Im Februar, so heißt es, will der Händlerverband alle Partner erneut über die Verträge informieren.